Die
Rosenkreuzer-Weltanschauung

von Max Heindel




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Die Wissenschaft von der Ernährung

   Wenn wir mit dem dichten Körper beginnen und die materiellen Hilfsmittel in Betracht ziehen, durch die er verbessert und zum möglichst geeigneten Instrument für den Geist gemacht werden kann, und nachher die geistigen Mittel, die zu demselben Ziel führen, betrachten, so schließen wir ebensogut auch alle anderen Träger ein. Darum wollen wir dieser Methode folgen.

   Der erste sichtbare Zustand des menschlichen Embryo ist ein kleiner, kugelförmiger, weicher oder gallertartiger Zellkörper, der dem Eiweiß oder dem Weißen in einem Ei gleicht. In dieser schleimigen Masse erscheinen verschiedene Partikelchen von festerer Materie. Diese nehmen nach und nach an Größe und Dichtigkeit zu, bis sie miteinander in Verbindung kommen. Diese verschiedenen Berührungspunkte bilden sich nach und nach zu Gelenken aus, und so entsteht

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&allmählich ein bestimmtes Gerüst aus fester Materie, ein Skelett.

   Während der Bildung dieses Gerüstes sammelt sich die gallertartige Materie und verändert sich in der Form, bis endlich die Entwicklungsstufe erreicht ist, die wir als Fötus kennen. Dieser wächst, wird fester und organisiert sich vollständiger bis zur Zeit seiner Geburt, dem Beginn des Säuglingsalters.

   Derselbe Verdichtungsprozeß, der mit dem ersten sichtbaren Daseinszustand begann, dauert weiter fort. Das Wesen schreitet durch die verschiedenen Stufen des Säuglingsalters, der Kindheit, der Jugend, des Mannes- oder Frauenalters und des Greisentums, und schließlich erfolgt die Veränderung, welche als Tod bekannt ist. Jeder dieser Zustände wird durch einen zunehmenden Grad an Härte und Festigkeit charakterisiert. Es findet eine allmähliche Zunahme an Dichtigkeit und Festigkeit der Knochen, Sehnen, Knorpel, Bänder, Gewebe, Membranen, der Haut und sogar der Substanz des Magens, der Leber, der Lunge und anderer Organe statt. Die Gelenke werden starr und trocken. Sie beginnen, wenn sie bewegt werden, zu knacken und zu knistern, weil die Gelenkschmiere, die sie schmiert und glatt erhält, an Quantität abnimmt und zu dick und zäh wird, um ihren Zweck erfüllen zu können.

   Das Herz, das Gehirn und das gesamte Muskelsystem, das Rückenmark, die Nerven, Augen usw. nehmen an demselben Verdichtungsprozeß teil und werden ebenfalls immer starrer. Sie wachsen und werden derber. Millionen über Millionen der winzigen Kapillargefäße, die sich wie die Zweige eines Baumes verästeln und über den ganzen Körper ausbreiten, versagen nach und nach den Dienst und werden festes, für das Blut undurchlässiges Gewebe.

   Die größeren Blutgefäße, sowohl Arterien als auch Venen, verhärten sich, verlieren ihre Elastizität, werden enger und unfähig, die erforderliche Blutmenge zu tragen. Die Flüssigkeiten des Körpers verdicken sich, werden träge und mit erdiger Materie beladen. Die Haut wird welk, runzelig und trocken. Das Haar fällt aus Mangel an Fettstoff aus, die Zähne zerbröckeln und fallen aus Mangel an Knorpelsub-

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stanz aus. Die motorischen Nerven beginnen einzutrocknen und die Bewegungen werden ungeschickt und langsam. Die Sinne lassen nach. Die Zirkulation des Blutes wird verzögert, es stagniert und stockt in den Gefäßen. Der Körper verliert immer mehr seine frühere Kraft. Einst elastisch, gesund, lebhaft, biegsam, tätig und empfindsam, wird er nun starr, langsam und unempfindlich. Endlich stirbt er aus Altersschwäche.

   Es erhebt sich die Frage nach der Ursache dieser langsam fortschreitenden Verknöcherung des Körpers, welche Starrheit, Verfall und endlich den Tod hervorbringt? Vom physischen Standpunkt aus scheinen die Chemiker einstimmig der Ansicht zu sein, daß hauptsächlich eine Zunahme von phosphorsaurem Kalk (Knochenmaterie), kohlensaurem Kalk (gewöhnlichem Kalk) und Gips (schwefelsaurem Kalk) mit gelegentlich ein wenig Magnesium und einer unbedeutenden Menge anderer erdiger Materie die Ursache sei.

   Der einzige Unterschied zwischen den Körpern der Kindheit und denen alter Menschen ist die größere Dichtigkeit, Zähigkeit und Starrheit, die durch das Eindringen eines größeren Maßes von kalkiger, erdiger Materie in der Zusammensetzung des ersteren erzeugt wird. Die Knochen des Kindes bestehen zu drei Vierteln aus Knorpel und einem Viertel aus erdiger Masse. Im Alter kehrt sich dieses Verhältnis um. Was ist nun die Quelle dieser tödlichen Ansammlung fester Materie?

   Es steht fest, daß der ganze Körper vom Blut ernährt wird, und daß alles im Körper Vorhandene ohne Rücksicht auf seine Natur zuerst im Blut gewesen sein muß. Eine Analyse zeigt, daß das Blut erdige Substanzen derselben Art mit sich führt, die auch die Verknöcherungen hervorrufen. Man merke sich: Das arterielle Blut enthält mehr Erdbestandteile als das venöse Blut.

   Dies ist von hoher Wichtigkeit. Es beweist, daß das Blut in jedem Umlauf erdige Substanzen absetzt. Es ist dieser allgemeine Vorgang, der den Organismus verstopft. Sein Vorrat an erdigen Substanzen muß jedoch ergänzt werden, sonst könnte es dies nicht fortgesetzt tun. Wo erneuert nun

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  das Blut seine tödliche Last? Auf diese Frage gibt es nur eine einzige Antwort: Durch Speisen und Getränke; es gibt dafür keine andere Quelle.

   Die Speisen und Getränke, die den Körper ernähren, sind zugleich auch die Hauptquelle der erdig-kalkigen Materie, die vom Blut im ganzen System abgesetzt wird und Verfall und schließlich Tod hervorruft. Um das physische Leben zu erhalten, müssen wir essen und trinken. Da es aber verschiedene Arten von Speisen und Getränken gibt, so muß im Licht der genannten Tatsachen, wenn möglich, festgestellt werden, welche Sorten von Nahrungsmitteln das geringste Maß an zerstörendem Material enthalten. Können wir eine solche Nahrung finden, ist es uns möglich, unser Leben zu verlängern, und es ist vom okkulten Standpunkt aus erstrebenswert, in jedem dichten Körper so lange wie möglich zu leben, besonders dann, wenn man begonnen hat, den Pfad (der Einweihung) zu beschreiten. Es bedarf so vieler Jahre, um jeden bewohnten Körper durch die Kindheit und die stürmische Jugend zu erziehen, bis endlich der Geist zur Selbstherrschaft gelangt, daß wir um so größere Vorteile daraus ziehen, je länger wir einen Körper behalten, der sich von den Antrieben des Geistes leiten läßt. Daher ist es von hoher Wichtigkeit, daß der Schüler solche Nahrung und Getränke zu sich nimmt, welche die geringste Menge an verhärtender Materie absetzen, gleichzeitig jedoch die Ausscheidungsorgane in Tätigkeit erhalten.

   Die Haut- und die Harnorgane sind die Retter des Menschen vor einem frühen Grab. Würden nicht durch ihre Tätigkeit die meisten erdigen Bestandteile aus unserem Körper wieder entfernt, so könnte keiner von uns ein Alter von 10 Jahren erreichen.

   Man hat in etwa errechnet, daß gewöhnliches, undestilliertes Quellwasser so viel an kohlensaurem Kalk und anderen Kalkverbindungen enthält, daß die durchschnittliche Menge, die von einem Menschen täglich in Form von Tee, Kaffee, Suppen usw. zu sich genommen wird, ausreicht, um in 40 Jahren einen Block von festem Kalk oder Marmor in der Größe eines stattlichen Mannes zu bilden. Es ist auch

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bezeichnend, daß, obwohl sich phosphorsaurer Kalk immer im Urin Erwachsener befindet, er im Urin der Kinder nicht gefunden wird, da die ungeheuer schnelle Bildung von Knochen das Zurückhalten dieses Salzes erfordert. Während der Schwangerschaftsperiode findet sich sehr wenig erdige Materie im Urin der Mutter, da sie zum Aufbau des Fötus verwendet wird. Unter gewöhnlichen Umständen enthält der Urin Erwachsener jedoch eine beträchtliche Menge erdiger Substanzen und diesem Umstand haben wir es zu verdanken, daß wir wenigstens unser jetziges Alter erreichen.

   Undestilliertes Wasser innerlich angewendet, ist der ärgste Feind des Menschen, wird es hingegen äußerlich verwendet, wird es zu seinem besten Freund. Es hält die Poren der Haut offen, regt die Blutzirkulation an und verhindert Stauungen, welche die beste Gelegenheit für das Absetzen des erdigen, toderzeugenden phosphorsauren Kalkes sind.

   Harvey, der den Blutkreislauf entdeckte, sagte, daß Gesundheit das Zeichen eines freien, und Krankheit die Folge eines verstopften Blutkreislaufes sei.

   Die Badewanne trägt viel zur Erhaltung der körperlichen Gesundheit bei und sollte von denen, die nach dem höheren Leben streben, freizügig benutzt werden. Die bewußte und unbewußte Ausdünstung führt mehr erdige Materie aus dem Körper als irgend ein anderes Mittel. Solange man dem Feuer Nahrung zuführt und es von Asche frei hält, wird es brennen. Die Nieren sind wichtig, um die Asche aus dem Körper zu entfernen, doch trotz der großen Menge an erdigen Bestandteilen, die durch den Urin weggeführt werden, bleibt in vielen Fällen noch genug zurück, um Grieß und Blasensteine zu bilden, wodurch unsägliche Schmerzen entstehen und oftmals der Tod hervorgerufen wird.

   Niemand sollte annehmen, daß das Wasser weniger Kalkstein enthält, wenn es gekocht wurde. Der Kalkstein, der sich am Boden des Wasserkessels bildet, wurde dort durch das verdampfte Wasser zurückgelassen. Wenn wir den

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Dampf verdichten würden, so hätten wir destilliertes Wasser, das ein wichtiger Faktor zur Jungerhaltung des Körpers ist.

   Im destillierten Wasser sind absolut keine erdigen Bestandteile (Minerale), auch nicht im Regen-, Schnee- oder Hagelwasser (mit Ausnahme dessen, was durch die Berührung mit den Häuserdächern aufgenommen wird [besitzt heute in unseren Breiten keine Gültigkeit mehr - d.Ü.]). Doch Kaffee, Tee oder Suppe, die mit normalem Leitungswasser gekocht werden (USA 1909), sind von erdigen Bestandteilen nicht befreit im Gegenteil: je länger sie gekocht werden, desto mehr werden sie mit Asche beladen. Wer an Urinbeschwerden leidet, sollte niemals undestilliertes Wasser trinken.

   Von den festen Bestandteilen, die wir in unserem Körper aufnehmen, kann im allgemeinen gesagt werden, daß frisches Gemüse und reife Früchte das größte Maß an Nährstoffen und das geringste an erdigen Substanzen enthalten.

   Da wir für den Höherstrebenden schreiben und nicht für die allgemeine Öffentlichkeit, kann man auch sagen, daß tierische Nahrung, wenn möglich, vermieden werden sollte. Niemand, der tötet, kann auf dem Pfad der Heiligkeit sehr weit vorankommen. Wenn wir Fleisch genießen, handeln wir sogar schlimmer, als würden wir tatsächlich töten, denn um die persönliche Arbeit des Tötens zu umgehen und doch ihre Folgen zu genießen, zwingen wir Mitmenschen, um des Verdienstes willen ihre ganze Zeit dem Mord zu widmen und dadurch so zu vertieren, daß das Gesetz ihnen nicht

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einmal mehr erlaubt, in Fällen von Kapitalverbrechen als Geschworene aufzutreten, weil ihr Beruf sie mit dem Töten allzu vertraut gemacht hat (USA 1909).

   Der Aufgeklärte weiß, daß das Tier sein jüngerer Bruder ist, und daß es in der Jupiterperiode menschlich sein wird. Wir werden ihm dann so helfen, wie die Engel uns jetzt helfen, die in der Mondperiode menschlich waren. Für einen Höherstrebenden kommt das Töten überhaupt nicht in Frage, weder persönlich noch durch Stellvertretung.

   Verschiedene, sehr wichtige, von den Tieren hervorgebrachte Nahrungsmittel wie Milch, Käse und Butter können gebraucht werden. Diese sind die Erzeugnisse von Lebensvorgängen. Es ist keine Tragödie erforderlich, um sie in Nahrung zu verwandeln. Milch, die für den okkult orientierten Schüler ein wichtiges Nahrungsmittel ist, enthält eine unbeträchtliche Menge an erdiger Materie und hat einen Einfluß auf den Körper, den kein anderes Nahrungsmittel besitzt.

   Während der Mondperiode wurde der Mensch durch die Milch der Natur ernährt. Überall anzutreffende Nahrung wurde von ihm aufgenommen und der Gebrauch von Milch sollte ihn in Berührung mit den kosmischen Kräften bringen und ihn befähigen, andere zu heilen.

   Man setzt allgemein voraus, daß Zucker oder andere Saccharinsubstanzen der Gesundheit schädlich seien, besonders den Verfall der Zähne hervorrufen und Zahnschmerzen erzeugen. Nur unter gewissen Umständen stimmt das. Zucker ist bei gewissen Erkrankungen wie Gallenleiden und Zuckerkrankheit (Diabetes) schädlich. Er schadet, wenn man ihn als Schleckerei lange im Mund behält. Wenn ihn aber der gesunde Mensch mäßig genießt und die Menge, die er zu sich nimmt, langsam etwas steigert, so daß sich der Magen allmählich daran gewöhnt, ist er in Maßen sehr nahrhaft. Die Gesundheit der Neger verbesserte sich während der Zuckerrohrernte trotz vermehrter Arbeit bedeutend. Dies wird ihrer

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Vorliebe für den süßen Saft des Zuckerrohrs zugeschrieben6. Dasselbe gilt auch von Pferden, Kühen und anderen Tieren in diesen Gegenden, welche die Zuckerrohrabfälle, mit denen sie ernährt werden, gerne genießen. Sie werden während der Erntezeit dick und ihr Fell wird glatt und glänzend. Pferde, die man ein paar Wochen lang mit gekochten Zuckerrüben füttert, bekommen wegen der darin enthaltenen Substanzen ein seidiges Fell. Zucker ist ein nahrhaftes, bekömmliches Nahrungsmittel, das keine Bestandteile aus Asche enthält.

   Früchte sind ein ideales Nahrungsmittel. Sie werden eigentlich von den Bäumen hervorgebracht, damit Menschen und Tiere veranlaßt würden, sie zu essen, so daß sich der Same verbreitet. Zu ähnlichem Zweck ziehen Blumen Bienen an. Frische Früchte enthalten Wasser der besten und reinsten Sorte, das fähig ist, den Organismus auf wunderbare Weise zu durchdringen. Traubensaft ist ein besonders herrliches Lösungsmittel. Es verdünnt das Blut und regt es an, öffnet den Weg zu bereits eingetrockneten und verstopften Kapillargefäßen, wenn der Prozeß noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Durch eine Behandlung mit ungegorenem Traubensaft werden Leute mit eingefallenen Augen, welker Haut und schlechtem Teint stattlich, rot und lebhaft. Die vermehrte Durchlässigkeit macht es dem Geist möglich, sich freier zu äußern und mit erneuter Energie zu wirken. Die folgende Tabelle, die mit Ausnahme der letzten Kolonnen den

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Veröffentlichungen des U.S. Ackerbau-Departments (1909) entnommen ist, wird dem Strebenden einen ungefähren Begriff dessen geben, was bei verschiedenen Tätigkeiten zu essen nötig ist; ebenso von den Bestandteilen der verschiedenen, angeführten Nahrungsmittel.

   Wenn wir den Körper vom rein physischen Standpunkt aus betrachten, könnte er als chemischer Hochofen bezeichnet werden, in dem die Nahrung das Feuerungsmaterial darstellt. Je mehr vom Körper verlangt wird, um so mehr Brennmaterial ist erforderlich. Wenn ein Mensch, den seine gewöhnliche Diät jahrelang gut ernährt hat, ohne daß er besonders darauf zu achten brauchte, was für ihn das Beste sei, seine alte Diät aufgebe, um eine neue anzunehmen, so würde er töricht handeln.

   Wenn man einfach Fleisch vom täglichen Tisch der Fleischesser ausschalten wollte, würde fraglos die Gesundheit der meisten Menschen untergraben werden. Der einzig sichere Weg ist, Versuche anzustellen, die Angelegenheit erst gründlich zu studieren und sein Unterscheidungsvermögen klug zu Rate zu ziehen. Man kann keine feststehenden Regeln geben, da die Ernährungsfrage ebenso individuell ist wie jedes andere Charakteristikum. Alles, was geschehen kann, ist, die Tabelle der Nährwerte zu geben und den allgemeinen Einfluß jedes chemischen Elementes zu beschreiben, worauf es dem Strebenden überlassen bleibt, seine eigene Methode auszuarbeiten.

   Wir dürfen uns auch nicht durch das Aussehen eines Menschen über dessen Gesundheitszustand täuschen lassen. Es gibt einige allgemeine Anzeichen für das Aussehen eines gesunden Menschen, doch kann man diese nicht zu allgemeinen Richtlinien eines Urteils erheben. Rote Wangen können bei einem Menschen das Zeichen der Gesundheit, bei einem anderen das einer Erkrankung sein. Es gibt keine allgemeine Regel, durch die man die Gesundheit eines Menschen erkennen kann, außer seinem Gefühl von Behagen und Wohlbefinden, dessen er sich ohne Rücksicht auf sein Aussehen erfreut.

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   Die folgende Tabelle der Nahrungsmittel befaßt sich mit fünf chemischen Bestandteilen.

   Wasser ist das große Lösungsmittel. Protein oder Eiweiß ist der Haupterbauer von Fleisch, enthält aber einige erdige Materie. Kohlenhydrate oder Zucker sind die hauptsächlichsten Krafterzeuger. Fette sind die Erzeuger der Wärme und die Speicher von Kraftreserven. Mineralien (engl. ash) sind erdige Bestandteile und verstopfen den Organismus. Wir brauchen nicht zu fürchten, daß wir sie in ungenügender Menge zur Knochenbildung aufnehmen (wenn die Nahrung vollwertig ist - d.Ü.). Im Gegenteil, wir können nicht genug Sorgfalt darauf verwenden, so wenig wie möglich davon aufzunehmen. Eine Kalorie ist die einfache Wärmeeinheit (1909), und die Tabelle enthält die Menge, die in jedem Artikel auf den Markt gebracht wird. In einem Pfund (ca. 480 g) Brasilnüssen sind z. B. 49,6 % der Gesamtmenge Abfallprodukt (Schalen), doch die übriggebliebenen 50,4 % enthalten 1485 Kalorien. Das heißt, daß eine Hälfte als Abfall gekauft wird, daß aber der Rest noch diese Anzahl an Wärmeeinheiten enthält. Damit wir unserer Nahrung das größte Maß an Nährstoffen entziehen können, müssen wir unsere Aufmerksamkeit der Anzahl der in ihr enthaltenen Kalorien zuwenden, denn wir entziehen den Nährstoffen die Energie, die wir zur Ausführung unserer täglichen Arbeit benötigen. Die unter verschiedenen Bedingungen zur Erhaltung des Körpers erforderliche, tägliche Kalorienmenge wird in der folgenden Tabelle (Stand 1909) gezeigt.

  

    Ein Mann bei sehr schwerer Muskelarbeit. . . . . . 5500 Kalorien
    Ein Mann bei mittelmäßig schwerer Muskelarbeit . . 4150 Kalorien
    Ein Mann bei mittlerer Muskelarbeit. . . . . . . . 3400 Kalorien
    Ein Mann bei mittelmäßig leichter Muskelarbeit . . 3050 Kalorien
    Ein Mann bei sitzender Arbeit. . . . . . . . . . . 2700 Kalorien
    Ein Mann ohne muskulöse Betätigung . . . . . . . . 2450 Kalorien
    Eine Frau bei einer leichten bis mittelmäßigen manuellen Arbeit2450 Kalorien

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Tabelle der Nährwerte.1

Tabelle der Nährwerte.2

Tabelle der Nährwerte.3

  

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   Aus dieser Tabelle geht klar hervor, daß Schokolade die nahrhafteste Speise ist, die wir besitzen, ebenso auch, daß Kakao in seinem pulverisierten Zustand (in bezug auf erdige Materie) das gefährlichste aller Nahrungsmittel ist, denn er enthält dreimal soviel Mineralien wie die meisten anderen Produkte und zehnmal soviel wie manche genannten. Er ist eine kraftvolle Nahrung und ein starkes Gift, denn er verstopft das System schneller als irgendeine andere Substanz. Natürlich wird es anfänglich einiges Studium erfordern, die individuell geeignetsten Nahrungsmittel auszuwählen, es macht sich aber durch Gesundheit und langes Leben bezahlt und sichert den freien Gebrauch des Körpers, wodurch das Studium und das Sichzuwenden zu höheren Dingen möglich wird. Nach kurzer Zeit wird der Strebende mit diesem Gegenstand so vertraut werden, daß er ihn weiter nicht zu beachten braucht. Während die vorhergehende Tabelle die Proportionen der chemischen Substanzen zeigt, die in den einzelnen Nahrungsmitteln enthalten sind, muß man bedenken, daß nicht alles für den Gebrauch des Körpers zu verwenden ist, weil der Körper sich weigert, gewisse Teile davon aufzunehmen. Von Gemüsen verdauen wir nur ungefähr 83 % der Eiweißbestandteile (Protein), 90 % des Fettes und 95 % der Kohlenhydrate. Von Früchten verdauen wir nur ungefähr 85 % der Eiweißbestandteile, 90 % des Fettes und 90 % der Kohlenhydrate.

   Gehirn ist der verbindende Mechanismus, durch den die Bewegungen des Körpers beherrscht und unsere Ideen ausgedrückt werden. Es ist aus denselben Substanzen wie alle anderen Körperteile aufgebaut, mit Hinzufügung des Phosphors, der besonders dem Gehirn eigen ist.

   Der logische Schluß daraus ist, daß Phosphor das besondere Element ist, durch welches das Ego befähigt wird, seine Gedanken auszudrücken und seinen dichten Körper zu beeinflussen. Es ist auch eine Tatsache, daß die Proportion und Variation dieser Substanz dem Zustand und der Stufe der Intelligenz des Individuums entsprechen. Bei geistig schwachen Menschen läßt sich nur wenig Phosphor im Gehirn nachweisen, bei scharfsinnigen Denkern jedoch viel. Auch in der Tierwelt entspricht der Grad der Intelligenz und

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des Bewußtseins proportional der Menge des im Gehirn vorgefundenen Phosphors.

   Es ist daher von großer Wichtigkeit, daß der Aspirant, der seinen Körper für mentale und geistige Arbeit verwenden will, sein Gehirn mit der Substanz versorgt, die er zu diesem Zweck benötigt. Die meisten Gemüse und Früchte enthalten ein gewisses Maß an Phosphor, es ist aber eine eigentümliche Tatsache, daß der größere Teil sich in den Blättern befindet, die gewöhnlich fortgeworfen werden. Man findet ihn in beträchtlicher Menge in Trauben, Zwiebeln, Salbei, Bohnen, Knoblauch, Ananas, in den Blättern und Stengeln vieler Gemüse und auch im Zuckerrohrsaft, aber nicht in raffiniertem Zucker.

   Die folgende Tabelle zeigt das Verhältnis der Phosphorsäure in einigen Lebensmitteln:

  

100 000 Teile vonenthalten an Phosphorsäure

    getrockneter Gerste. . . . . . . 210 Teile
    Bohnen . . . . . . . . . . . . . 292 Teile
    Rüben. . . . . . . . . . . . . . 167 Teile
    Rübenblätter . . . . . . . . . . 690 Teile
    Buchweizen . . . . . . . . . . . 170 Teile
    trockene Karotten. . . . . . . . 395 Teile
    Karottenblätter. . . . . . . . . 963 Teile
    Leinsamen. . . . . . . . . . . . 880 Teile
    Stengel der Leinsamen. . . . . . 118 Teile
    Pastinak . . . . . . . . . . . . 111 Teile
    Pastinakblätter. . . . . . . . . 1784 Teile
    Erbsen . . . . . . . . . . . . . 190 Teile

Der Kern der vorhergehenden Beweisführung kann in etwa wie folgt zusammengefaßt werden:

1. Während der gesamten Periode des Lebens unterliegt der Körper einem unaufhörlichen Verdichtungsprozeß.

2. Dieser Prozeß geht durch Ablagerung erdiger Bestandteile durch das Blut vor sich, insbesondere von phosphor- und kohlensaurem Kalk, wodurch die verschiedenen Teile verhärten, in Knochensubstanz oder ähnliche Stoffe verwandelt werden.

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3. Diese Umsetzung in Knochen zerstört die Biegsamkeit der Gefäße, Muskeln und anderer der Bewegung dienenden Körperteile. Sie verdickt das Blut und verstopft die winzigen Kapillargefäße vollständig, so daß die Zirkulation der Flüssigkeiten und die Tätigkeit des Organismus abnimmt. Der Abschluß dieses Vorganges ist der Tod.

4. Dieser Verfestigungsprozeß kann verzögert, das Leben kann verlängert werden, wenn man sorgfältig jene Nahrungsmittel meidet, die viel Asche enthalten; indem man zu Speisen und Getränken destilliertes Wasser verwendet und die Ausscheidungen aus der Haut durch mehrmaliges Baden fördert.

   Hieraus versteht man, daß manche Religionen wiederholte Waschungen als religiöse Übung vorschreiben, weil sie den dichten Körper reinigen und die Gesundheit fördern. Auch Fastenübungen werden zu diesem Zweck vorgeschrieben. Sie geben dem Magen eine notwendige Ruhepause, lassen den Körper die verbrauchten Produkte ausscheiden und fördern so die Gesundheit, wenn man sie nicht allzulange ausdehnt und zu häufig wiederholt. Im allgemeinen kann ebensoviel erreicht werden, wenn man dem Körper geeignete Nahrungsmittel zuführt, die die beste Medizin sind.

   Der Arzt achtet vor allem immer auf ausreichende Ausscheidung, was das Hauptmittel der Natur ist, um den Körper von den mit der Nahrung aufgenommenen Giften zu befreien.

   Schlußfolgerung: Möge der Strebende solche Nahrungsmittel wählen, die leicht verdaulich sind, denn je leichter die Kräfte der Nahrung entzogen werden können, um so länger ist die Zeit, die der Organismus zum Aufbau verwenden kann, ehe es notwendig wird, ihn mit Nahrung zu versorgen. Milch sollte man niemals so trinken, wie man ein Glas

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Wasser trinkt, denn auf diese Weise genossen, bildet sie im Magen einen großen Käseklumpen, der von den Magensäften nicht durchdrungen werden kann. Man sollte sie schlürfen, wie man Tee oder Kaffee schlürft. Dann bildet sie im Magen viele kleine Klümpchen, die leicht verdaut werden. Richtig genossen, ist die Milch eines der besten diätetischen Nahrungsmittel. Zitrusfrüchte (Zitronen u.a.) wirken stark antiseptisch, und Zerealien, besonders Reis, sind Gegengifte von großer Wirksamkeit (besonders wenn das volle Korn verwendet wird, d.Ü.). Nachdem nun mehr vom rein materiellen Standpunkt aus erklärt wurde, wessen der dichte Körper bedarf, wollen wir dieses Thema von der okkulten Seite aus betrachten und uns auch mit der Wirksamkeit auf die beiden unsichtbaren Träger, die unseren dichten Körper durchdringen, näher beschäftigen.

   Der besondere Stützpunkt des Empfindungsleibes ist, wie bereits gesagt wurde, die Muskulatur und das zerebrospinale (Gehirn-Rückenmark-) Nervensystem. Die Kraft, die von einem Menschen entfaltet wird, wenn er in großer Erregung oder in großem Zorn handelt, ist ein Beweis dafür. In solchen Zeiten ist das Muskelsystem angespannt. Keine schwere Arbeit strengt so sehr an wie ein "Temperamentsausbruch". Er läßt den Körper manchmal auf Wochen elend zurück. Das beweist die Notwendigkeit, den Empfindungsleib durch Beherrschung des Temperamentes zu veredeln, um dem dichten Körper die Leiden zu ersparen, die einer unbeherrschten Handlungsweise des Empfindungsleibes entspringen. Betrachten wir die Sache vom okkulten Standpunkt aus, so sehen wir, daß alles Bewußtsein auf dem physischen Plan das Resultat eines beständigen Kampfes zwischen Empfindungsleib und Lebensleib ist.

   Die Absicht des Lebensleibes ist zu entspannen und aufzubauen. Seine Hauptausdrucksmittel sind das Blut und die Drüsen, auch das sympathische Nervensystem, das in den Stützpunkt des Empfindungsleibes (die Muskeln und das willkürliche Nervensystem) Zutritt erlangte, als er das Herz in einen willkürlichen Muskel umzuwandeln begann.

   Die Tendenz des Empfindungsleibes ist es zu verhärten. Er ist wiederum in die Gebiete des Lebensleibes eingedrungen,

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hat von der Milz Besitz ergriffen und die weißen Blutkörperchen geschaffen, die nicht die "Polizisten des Organismus" sind, wie die Wissenschaft heute annimmt (Stand 1909), sondern seine Zerstörer. Er verwendet das Blut, um diese winzigen Zerstörer im ganzen Körper zu verbreiten. Sie dringen durch die Wände der Arterien und der Venen, sobald Widerwärtigkeiten empfunden werden, besonders aber in Fällen von großem Ärger. Dann läßt der Kräftestrom des Empfindungsleibes die Arterien und Venen anschwellen und gibt den weißen Blutkörperchen den Weg in die Gewebe des Körpers frei. Dort bilden sie Grundstöcke für erdige Materie, die den Körper tötet.

   Bei der gleichen Menge und Zusammensetzung der Nahrung wird ein Mensch von heiterem und jovialem Temperament länger leben, sich einer besseren Gesundheit erfreuen und tätiger sein, als ein Mensch, der sich quält oder aus dem Gleichgewicht kommt. Dieser Mensch erzeugt und verbreitet im Körper mehr weiße Blutkörperchen als der erstere. Wenn ein Gelehrter die Körper dieser beiden Menschen analysieren sollte, so würde er finden, daß sich bedeutend weniger erdige Materie im Körper des Menschen von freundlicher Gemütsart befindet, als in dem eines Zänkischen. Diese Zerstörung erfolgt unaufhörlich, und es ist unmöglich, alle Zerstörer auszuschalten. Dies wäre auch gar nicht gesetzmäßig. Würde der Lebensleib ununterbrochen die Herrschaft haben, so würde er immerfort bauen und seine ganze Energie diesem Zweck zuwenden. Es gäbe kein Bewußtsein und keine Gedanken. Da der Empfindungsleib die inneren Teile versteift und verhärtet, kann sich das Bewußtsein entwickeln.

   Einst in der fernen, fernen Vergangenheit gab es eine Zeit, in der wir alle festen Bestandteile ausstießen, und der Körper weich, biegsam und knochenlos war wie jetzt die Mollusken; doch zu jener Zeit hatten wir auch nur das trübe, glimmende Bewußtsein, das die Mollusken heute besitzen. Bevor wir

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uns entwickeln konnten, wurde es nötig, die festen Bestandteile zu behalten. Man wird finden, daß der Bewußtseinszustand jeder Wesensart im Verhältnis zur Entwicklung des Knochensystems in seinem Inneren steht. Das Ego muß die festen Knochen mit dem halbflüssigen roten Mark haben, damit es zu seinem Ausdruck die roten Blutkörperchen erbauen kann. Das ist die Höchstentwicklung des dichten Körpers. Es bedeutet in diesem Zusammenhang nichts, daß die höchste Klasse der Tiere eine gleiche innere Knochenbildung hat, aber dennoch keinen innewohnenden Geist besitzt. Sie gehören einer anderen Entwicklungswoge an.

Das Gesetz der Nahrungsaufnahme

   Das Gesetz der Nahrungsaufnahme (Assimilation) läßt es nicht zu, daß irgend ein kleines Teilchen unserem Körper eingebaut wird, bevor wir, als Geist, es nicht überwunden und uns selbst unterworfen haben. Die Kräfte, die auf diesem Gebiet wirken, sind, wie wir uns erinnern werden, hauptsächlich unsere "Toten", die in den "Himmel" eingegangen sind und dort lernen, Körper für den Gebrauch auf Erden zu erbauen. Sie arbeiten jedoch nach gewissen Gesetzen, die sie nicht umgehen können.

   In jedem Nahrungsteil, den wir in unseren Körper aufnehmen, befindet sich Leben. Bevor wir dieses Leben unserem Körper durch den Assimilationsprozeß einbauen können, müssen wir es überwinden und uns unterwerfen. Sonst gäbe es im Körper keine Harmonie. Jeder Teil würde unabhängig handeln, so wie er es tut, wenn das verbindende Leben zurückgezogen wurde. Dies wäre dann das, was wir Auflösung nennen, ein Zersetzungsprozeß, der genau das Gegenteil der Assimilation ist. Je individualisierter das zu assimilierende Teilchen ist, desto mehr Energie ist erforderlich, um es zu verdauen, und um so kürzere Zeit verbleibt es im Organismus, bevor es danach trachtet, sich wieder zu befreien.

   Menschliche Wesen sind nicht so organisiert, daß sie von festen Mineralien leben können. Wenn ein rein mineralisches

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Produkt wie Salz genossen wird, geht es durch den Körper hindurch und hinterläßt nur sehr wenig Rückstände. Was es aber zurückläßt, ist von sehr schädlicher Beschaffenheit. Wenn es dem Menschen möglich wäre, sich nur mit Minera- lien zu ernähren, so wäre das ein idealer Zustand wegen ihrer Haltbarkeit und der geringen Energie, die es erfordert, sie zu überwinden und dem Leben des Körpers zu unterwerfen. Wir wären in der Lage, viel seltener und weniger zu essen als jetzt.

   Unsere Laboratorien werden uns eines Tages mit chemischer Nahrung versorgen, die bei weitem alles, was wir jetzt haben, übertreffen und immer frisch sein wird. Nahrung, die wir von den höheren Pflanzen und dem noch höheren Tierreich erhalten haben, ist wegen der Schnelligkeit ihres Verfalles wirklich ekelerregend. Dieser Verfall wird durch die Bemühung der individuellen Partikelchen, dem zusammengesetzten Ganzen zu entgehen, hervorgerufen.

   Das Pflanzenreich ist das nächste über dem Mineralreich. Es hat einen Organismus, der die mineralischen Teile der Erde verarbeiten kann. Menschen und Tiere können Pflanzen verdauen. Sie nehmen so die chemischen Bestandteile auf, die sie zu ihrem Aufbau benötigen. Da der Bewußtseinszustand der Pflanzen der des traumlosen Schlafes ist, bietet er keinen Widerstand. Es bedarf nur geringer Energie, diese Teile zu assimilieren. Da sie nur geringe eigene Individualität besitzen, strebt das sie beseelende Leben nicht so bald danach aus unserem Körper zu entweichen wie eine Nahrung, die von den höher entwickelten Formen stammt. Die Kraft, die einer Früchte- und Gemüsenahrung entzogen wurde, ist daher dauerhafter als die einer Fleischspeise und die Nahrung bedarf keiner so oftmaligen Ergänzung, abgesehen davon, daß sie verhältnismäßig mehr Kraft verleiht, weil zu ihrer Assimilation geringere Energie erforderlich ist.

   Nahrungsmittel, die aus dem Körper der Tiere zusammengesetzt sind, bestehen aus Teilen, an denen ein persönlicher Empfindungsleib gearbeitet und die er durchdrungen hat. Sie

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sind daher in größerem Maß individualisiert als die Pflanzen- teile. Sie enthalten eine individuelle Zellenseele, die von den Leidenschaften und Begierden des Tieres durchdrungen ist. Es erfordert in erster Linie eine beträchtliche Energie, sie so weit zu überwinden, daß sie überhaupt assimiliert werden kann, und doch kann sie dem Zellenstaat des Körpers nie so vollkommen einverleibt werden wie die Pflanzenzelle, die keine so starken individuellen Neigungen hat. Die Folge davon ist, daß der Fleischesser größere Mengen verzehren muß, als der Vegetarier; er muß auch öfter essen. Außerdem verursacht der innere Kampf der Fleischteile im allgemeinen größere Unruhe im Körper. So wird der Fleischesser passiver, er ist auch nicht den Anstrengungen in dem Maß gewachsen, wie der Vegetarier. Alle Wettkämpfe unter den Vertretern der beiden Methoden haben dies bestätigt.

   Wenn das Fleisch pflanzenfressender Tiere schon eine flüchtige Ernährung ist, ist es klar, daß wir ungeheure Mengen von Nahrung zu uns nehmen müßten, wollten wir versuchen, das Fleisch fleischfressender Tiere zu genießen, deren Zellen noch individualisierter sind. Das Essen würde den größten Teil unserer Zeit einnehmen, wir wären aber trotzdem immer mager und hungrig. Der Wolf und der Geier beweisen das, die ihrer Magerkeit und ihres Hungers wegen sprichwörtlich geworden sind. Kannibalen essen Menschenfleisch (1909), aber nur in langen Abständen und als Genußmittel. Da der Mensch nicht ausschließlich Fleisch ißt, ist sein Fleisch nicht das eines nur fleischfressenden Tieres, obwohl der Hunger der Kannibalen auch zum Sprichwort geworden ist.

   Wenn das Fleisch der Pflanzenfresser die Essenz des Besten, was in Pflanzen vorzufinden ist, enthielte, müßte logischerweise das Fleisch der Fleischfresser die Quintessenz aller Nahrung sein! Das Fleisch der Wölfe und der Geier wäre dann "crŠme de la crŠme" - das Beste vom Besten und sehr begehrenswert. Wir wissen aber, daß das Umgekehrte der Fall ist. Je mehr wir uns von Pflanzenkost ernähren, um so mehr Kraft entziehen wir unserer Nahrung. Wenn das

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Umgekehrte der Fall wäre, so wäre das Fleisch fleischfressender Tiere von Raubtieren besonders gesucht; es kommt aber sehr selten in der Natur vor, daß ein "Hund den anderen frißt".

Leben und leben lassen

   Das erste Gesetz der okkulten Wissenschaft ist: "Du sollst nicht töten", und dies sollte für den nach höherem Leben Strebenden von größter Bedeutung sein. Wir können nicht einmal ein Staubkörnchen erschaffen, welches Recht haben wir daher, die geringste Form zu zerstören? Jeder Körper ist ein Ausdruck des einen Lebens, des Lebens Gottes. Wir haben nicht das Recht, eine Form zu zerstören, durch die das Leben Erfahrungen sammelt, und es zu zwingen, sich einen neuen Träger zu erbauen.

   Ella Wheeler Wilcox setzt sich für diesen okkulten Grundsatz mit dem wahren Mitleid aller weit fortgeschrittenen Seelen mit den folgenden schönen Worten ein:

    Ich bin des Stimmenlosen Stimme,
    Die für ihn durch die Lande streift,
    Bis der Welt taubes Ohr
    seine Dumpfheit verlor
    Und des Wortlosen Qualen begreift.

    Dieselbe Kraft schuf den Sperling,
    Die den Menschen, den König, beruft.
    Einen Seelenstrahl
    gab der Schöpfer des All
    Dem Tier und dem Vogel der Luft.

    Und ich bin meines Bruders Hüter,
    Seine Kämpfe fechte ich aus.
    Der Welt schrei ich's zu,
    laß' sie nimmer zur Ruh',
    Bis sie endet des Brudermord's Graus.

   Manchmal hört man auch den Einwand, daß Leben ebenfalls genommen werde, wenn Gemüse und Früchte verzehrt werden. Diese Feststellung beruht aber auf einem

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vollständigen Mißverstehen der Tatsachen. Wenn die Frucht reif ist, hat sie ihren Zweck erfüllt, dem reifenden Samen als Mutterleib zu dienen. Wird sie nicht verzehrt, so verfällt sie und geht verloren. Sie ist sogar dazu bestimmt, dem Tier und der Menschheit als Nahrung zu dienen, damit dem Samen die Möglichkeit gegeben werde, durch Verstreuung zum Wachstum in fruchtbaren Boden zu gelangen. Und ebenso wie das menschliche Ei und der menschliche Samen ohne das Keimatom des sich wiederverkörpernden Ego und die Prägeform (Matrize) des Lebensleibes wirkungslos bleiben, so ist jedes Ei oder jeder Samen aus sich heraus nicht lebensfähig. Wenn ihm aber die richtigen Bedingungen der Bebrütung oder des Bodens gegeben werden, so ergießt sich das Leben des Gruppengeistes hinein und erfaßt die Gelegenheit, die ihm geboten wird, um einen dichten Körper hervorzubringen. Wenn das Ei oder der Samen gekocht oder zerdrückt wird und so nicht die nötigen Lebensbedingungen erhält, so ist diese Gelegenheit verloren, aber das ist auch alles.

   Auf unserer gegenwärtigen Entwicklungsstufe weiß ein jeder Mensch von selbst, daß es unrecht ist, zu töten. Der Mensch beschützt und liebt die Tiere in allen Fällen, in denen seine Gier und sein selbstsüchtiges Interesse ihn nicht gegen dessen Rechte erblinden lassen. Das Gesetz schützt selbst Hunde und Katzen vor mutwilligen Quälereien. Außer beim "Sport", dieser mutwilligsten aller unserer Tierquälereien, geschieht es immer nur um des Geldes willen, daß die Tiere getötet und zur Tötung aufgezogen werden. Nur die dem "Sport" Ergebenen schießen die hilflose Kreatur lediglich aus falschen Vorstellungen von der Tapferkeit des Jägers nieder.

   Es ist kaum faßbar, wie Menschen, die sonst vernünftig und gütig erscheinen, zeitweilig alle ihre besseren Instinkte vergessen, zu blutdürstiger Wildheit zurückkehren, nur aus Lust am Blutvergießen und aus Freude an der Zerstörung töten. Es ist sicher eine Rückkehr zu den niedersten tierischen Instinkten und kann niemals im entferntesten mit etwas "Männlichem" verglichen werden, selbst wenn es von

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einem sonst menschlichen und würdigen Herrscher einer mächtigen Nation ausgeübt und verteidigt wird.

   Wie viel besser kleidet es den Menschen, Freund und Beschützer des Schwachen zu sein. Wer besucht wohl nicht gerne den Central-Park in New York City, um dort die Hunderte von Eichkätzchen zu streicheln, zu liebkosen und zu füttern, die in dem Gefühl, daß niemand sie stört, zutrau- lich herumspringen? Und wer freut sich nicht um der Eichkätzchen willen über das Schild mit der Aufschrift: "Hunde, die Eichkätzchen jagen, werden erschossen?" Das ist hart gegen die Hunde, es ist aber ein Beweis dafür, daß das Gefühl, daß die Schwachen geschützt werden müssen, wächst. Auf der Tafel wird die Möglichkeit einer Verletzung der Eichkätzchen durch Menschen nicht erwähnt, weil dies undenkbar wäre. So stark wirkt das Vertrauen, welches das kleine Tier in die Güte des Menschen setzt, daß niemand es verletzt.

Das Gebet des Herrn: Vaterunser

   Wenn wir zu unserer Betrachtung der geistigen Hilfen zum menschlichen Fortschritt zurückkehren, so drückt das Gebet des Herrn, das als abstrakte, algebraische Formel für die Erhebung und Reinigung der menschlichen Träger gelten kann, den Begriff einer geeigneten Fürsorge für den dichten Körper mit den Worten aus: "Unser täglich Brot gib uns heute."

   Das Gebet, das sich mit dem Lebensleib befaßt, lautet: "Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern."

   Der Lebensleib ist der Sitz des Gedächtnisses. In ihm sind die unterbewußten Aufzeichnungen aller Ereignisse unseres vergangenen Lebens gespeichert. Alle uns zugefügten Beleidigungen, alle erhaltenen Wohltaten, auch die, welche wir selbst begangen haben, sind darin eingeschlossen. Wir erinnern uns, daß die Rückschau unseres Lebens sich uns in

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Diagramm 16: Das Vaterunser

  

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Bildern zeigt, unmittelbar nachdem wir den Körper beim Tode verlassen haben, und daß alle Leidenszustände der Existenz nach dem Tod die Folgen der Ereignisse sind, die diese Lebensbilder wiedergeben.

   Wenn uns durch fortgesetztes Gebet das Unrecht, das wir an anderen begingen, vergeben wurde, wenn wir suchen unser Unrecht so weit als möglich wiedergutzumachen, wenn wir unseren Lebensleib dadurch läutern, daß wir denen vergeben, die uns beleidigt haben, und alle bösen Gefühle ausschalten, so ersparen wir uns nach dem Tod viel Elend und bereiten uns außerdem für die allgemeine Bruderschaft vor, die zum Teil vom Sieg des Lebensleibes über den Empfindungsleib abhängt. In der Form des Gedächtnisses prägt der Empfindungsleib dem Lebensleib den Rachegedanken ein. Wenn ein Mensch in den mannigfaltigen Kämpfen des Lebens ein gleichmäßiges Temperament bewahrt, so beweist er, daß er einen solchen Sieg errang. Der Strebende sollte daher sein Temperament zügeln, da er dadurch an beiden Trägern arbeitet. Das Gebet des Herrn schließt auch diese ein. Wenn wir sehen, daß wir andere verletzten, so blicken wir um uns und suchen nach der Ursache. Verlust von Selbstbeherrschung ist eine davon. Sie entspringt dem Empfindungsleib.

   Die meisten Menschen verlassen den dichten Körper mit demselben Charakter, mit dem sie ihn betreten haben; der Strebende aber muß systematisch alle Versuche des Empfindungsleibes, die Herrschaft an sich zu reißen, besiegen. Dies kann durch Konzentration auf hohe Ideale geschehen. Das stärkt den Lebensleib und ist wirksamer als die gewöhnlichen Gebete der Kirche.

   Der okkulte Gelehrte zieht dem Gebet die Konzentration vor, weil sie mit Hilfe des Intellekts vollzogen wird, der kalt und ohne Gefühl ist, während das Gebet gewöhnlich der Gefühlswallung entspringt. Wo es aber von reiner selbstloser Hingabe an hohe Ideale geleitet wird, steht es viel höher als die kalte Konzentration. Es kann niemals kalt sein, denn es trägt die Ausströmung des Mystikers und wird auf den Flügeln der Liebe zum Thron der Gottheit emporgetragen.

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   Das Gebet für den Empfindungsleib ist "Führe uns nicht in Versuchung". Das Gefühl ist der große Versucher der Menschheit. Es ist der große Anreger aller Handlungen, was auch gut ist, soweit Handlungen die Absicht des Geistes fördern. Wo aber das Gefühl sich auf etwas Entwürdigendes richtet, auf etwas, das die Natur erniedrigt, so ist unsere Bitte, nicht in Versuchung geführt zu werden, wirklich am Platz.

   Liebe, Reichtum, Macht und Ruhm! - Das sind die vier Leitmotive der menschlichen Handlungen. Der Wunsch nach einem oder mehreren davon ist der Beweggrund für alles, was der Mensch tut oder ungeschehen läßt. Die großen Führer der Menschheit haben sie uns weise als Handlungsantriebe gegeben, damit der Mensch durch sie lerne und Erfahrungen sammle. Sie sind notwendig, und der Strebende kann sie sorglos weiterhin als Handlungsantriebe benutzen, muß sie aber in etwas Höheres verwandeln. Er muß die selbstsüchtige Liebe, die nach dem Besitz eines anderen Körpers strebt, mit edleren Bestrebungen bekämpfen, ebenso auch alles andere Begehren nach Vermögen, Macht und Ruhm aus engen und persönlichen Gründen.

   Die Liebe, nach der er sich sehnen soll, ist nur die der Seele. Sie muß alle Wesen, ob hoch oder niedrig, umfassen und im Verhältnis zur Bedürftigkeit des Empfängers zunehmen.

   Der Reichtum ist der, der in einem Überfluß an Gelegenheiten besteht, den Mitmenschen zu dienen.

   Die Macht ist die, die nach der Hebung der gesamten Menschheit strebt.

   Der Ruhm ist nur der, der uns fähiger macht, die gute Botschaft zu verbreiten, daß alle, die da leiden schneller Trost für die Kümmernisse ihrer Herzen finden können.

   Das Gebet für den Intellekt lautet: "Erlöse uns von dem Übel." Wir sahen, daß der Intellekt das Bindeglied zwischen der höheren und der niederen Natur des Menschen ist. Den Tieren ist es erlaubt, ihren Begierden ohne jede Einschrän-

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kung zu folgen. Für sie gibt es weder gut noch böse, denn ihnen fehlt der Intellekt, die Fähigkeit der Unterscheidung. Maßnahmen zum Selbstschutz, die wir im Hinblick auf tötende und raubende Tiere treffen, sind verschieden von denen, welcher wir uns Menschen gegenüber bedienen, die gleiches tun.

   Sogar ein menschliches Wesen, das des Intellekts beraubt ist, ist nicht zurechnungsfähig. Man erkennt die Tatsache an, daß es sich seines unrechten Tuns nicht bewußt ist, daher wird es einfach nur in Schranken gehalten.

   Erst als seine geistigen Augen geöffnet wurden und der Mensch ein Wissen über Gut und Böse bekam, wurde er für sein Tun verantwortlich. Wenn sich das Bindeglied des Intellekts mit dem Höheren Selbst verbindet und seinen Anordnungen gehorcht, haben wir einen hochgesinnten Menschen vor uns. Im Gegensatz hierzu ruft die Verbindung des Intellekts mit der niederen Begierdennatur niedriggesinnte Menschen hervor. Daher beten wir, daß wir von den Erfahrungen befreit werden mögen, die aus der Verbindung des Intellekts mit dem Empfindungsleib und allem damit in Verbindung stehenden, hervorgehen.

   Wer nach einem höheren Leben strebt, vollzieht die Verbindung der höheren und der niederen Natur durch Meditation über erhabene Themen. Diese Verbindung wird noch weiter gefestigt durch die Betrachtung (Kontemplation). Diese beiden Zustände werden durch die Anbetung übertroffen, die den Geist zum Throne selbst emporhebt.

   Das "Vaterunser", das für den allgemeinen Gebrauch der Kirche gegeben ist, setzt die Anbetung an die erste Stelle, um die geistige Erhebung zu erzielen, die notwendig ist, um eine Bitte vorzubringen, die die Bedürfnisse der niederen Träger betrifft. Jeder Aspekt des dreifachen Geistes, mit dem ersten beginnend, erhebt sich in Anbetung zu dem ihm entsprechenden Aspekt Gottes. Wenn alle Aspekte des dreifachen Geistes vor dem Thron der Gnade stehen, so äußert jeder das Gebet, das den Bedürfnissen seines materiellen

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Doppelgängers entspricht, und alle drei schließen sich dem Schlußgebet für den Intellekt an.

   Der menschliche Geist steigt zu seinem Gegenstück, dem Heiligen Geist (Jehova) auf und spricht: "Geheiligt werde Dein Name."

   Der Lebensgeist beugt sich vor seinem Ebenbild, dem Sohn (Christus), sagend: "Dein Reich komme."

   Der göttliche Geist kniet vor seinem Doppelgänger, dem Vater, mit dem Gebet: "Dein Wille geschehe."

   Dann fleht der Höchste, der göttliche Geist, zum höchsten Aspekt der Gottheit, zum Vater, für seinen Doppelgänger, den dichten Körper: "Unser tägliches Brot gib uns heute."

   Der nächsthöchste, der Lebensgeist, fleht zu seinem Urquell, dem Sohn, für seinen Doppelgänger in der niederen Natur, den Lebensleib: "Vergib uns unsere Schuld, wie wir unsern Schuldigern vergeben."

   Der niederste Aspekt des Geistes, der menschliche Geist, fleht zum niedersten Aspekt der Gottheit für den höchsten des dreifachen Körpers, den Empfindungsleib: "Führe uns nicht in Versuchung."

   Schließlich vereinigen sich alle drei Aspekte des dreifachen Geistes im Menschen zum wichtigsten der Gebete, dem Flehen für den Intellekt: "Erlöse uns von dem Übel."

   Die Einleitung, "Vater unser, der Du bist im Himmel", gleicht nur einer Adresse auf einem Briefumschlag. Die Schlußformel: "Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen", wurde nicht von Christus gegeben. Sie ist aber als Schlußgebet des dreifachen Geistes sehr angebracht, da sie die unmittelbare Anrede an Gott abschließt.

   Diagramm 16 versinnbildlicht das eben Gesagte auf einfache Weise, die leicht behalten werden kann, und zeigt die Verbindung zwischen den verschiedenen Gebeten und den entsprechenden Trägern, die gleichermaßen gefärbt sind.

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Das Gelübde der Ehelosigkeit

   Der sexuell Perverse oder der Sex-Besessene sind ein Beweis für die Behauptung der Okkultisten, daß ein Teil der Geschlechtskraft das Gehirn erbaut.

   Der Mensch wird schwachsinnig und es fällt ihm schwer, richtig zu denken, wenn er, je nach seinem Geschlecht, nicht nur die negative (empfangende) bzw. positive (dynamische) Geschlechtskraft (je nachdem, ob Frau oder Mann) verbraucht, die normalerweise durch die Geschlechtsorgane zur Zeugung und Fortpflanzung benötigt wird, sondern außerdem noch einen Teil der Kraft, die das Gehirn erbaut und die es ihm ermöglicht, Gedanken hervorzubringen. Daher der geistige Mangel.

   Auf der anderen Seite besteht bei Menschen, die sich geistiger Arbeit hingeben, eine geringe Neigung, die Geschlechtskraft zur Fortpflanzung zu gebrauchen, so daß der unverbrauchte Teil in geistige Kraft umgesetzt werden kann.

   Dies ist der Grund, warum der Eingeweihte auf einer gewissen Entwicklungsstufe das Gelübde der Ehelosigkeit auf sich nimmt. Es ist kein leichtes Gelübde, noch eines das leichtfertig von einem nach geistigem Fortschritt Strebenden abgegeben werden soll. Viele Menschen, die noch nicht reif für ein höheres Leben sind, haben sich unwissend an ein asketisches Leben gebunden. Sie sind der Allgemeinheit und sich selbst einerseits ebenso gefahrvoll, wie der durch sexuelle Manie Schwachsinnige andererseits.

   Auf der gegenwärtigen Stufe der menschlichen Entwicklung ist die Geschlechtsfunktion das Mittel, durch das für Körper gesorgt wird, in denen der Geist die Gelegenheit erhält, Erfahrungen zu sammeln. Die wollüstigsten und dem Geschlechtstrieb am uneingeschränktesten ergebenen Men-

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schen gehören den niedersten Klassen an. Es ist daher schwer für Individuen, die zur Verkörperung herabsteigen, gute Träger in einer Umgebung zu finden, in der sie ihre Fähigkeiten entfalten können, so daß sie sich selbst und der übrigen Menschheit dauernd zum Segen sind. Unter den Wohlhabenderen, die ihren Kindern bessere Bedingungen bieten könnten, haben viele wenig oder gar keine Kinder, nicht weil sie enthaltsam leben, sondern nur aus dem ganz selbstsüchtigen Grund, um mehr Muße und Bequemlichkeit zu haben und in uneingeschränktem Geschlechtsgenuß schwelgen zu können, ohne die Last einer Familie auf sich zu nehmen. Unter der weniger wohlhabenden Mittelklasse wird der Familienzuwachs auch eingeschränkt, in diesem Fall jedoch vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen, damit sie einem oder zwei Kindern erzieherische und andere Vorteile bieten können, die vier oder fünf Kindern zu geben ihre Mittel nicht erlauben würden.

   So übt der Mensch sein göttliches Vorrecht aus und bringt Unordnung in die Natur. Ins Leben tretende Ego müssen manchmal unter äußerst ungünstigen Bedingungen die Gelegenheit ergreifen. Andere Egos, die das nicht tun können, müssen warten, bis sich eine für sie günstige Umgebung bietet. So beeinflussen wir einander durch unsere Handlungen, und so werden die Sünden der Väter an den Kindern heimgesucht. Denn der heilige Geist ist die schöpferische Energie in der Natur, die Geschlechtskraft seine Spiegelung im Menschen, und Mißbrauch und Vergeudung dieser Kraft ist die Sünde, die nicht vergeben wird. Sie rächt sich durch Verminderung der Wirksamkeit der Träger, damit wir gründlich die Heiligkeit der schöpferischen Kraft erkennen lernen.

   Nach einem höheren Leben Strebende, die von ernstlichem Verlangen nach edlem geistigem Leben erfüllt sind, sehen oft mit Grauen auf die Geschlechtstätigkeit, wegen der Ernte all des Elends, das der Menschheit aus ihrem Mißbrauch erwachsen ist. Sie sind imstande, sich mit Ekel von dem abzuwenden, was sie als unrein ansehen, und übersehen die Tatsache, daß gerade Menschen wie sie (die ihre Träger durch die Hilfsmittel von gesunder Nahrung, hohen und

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erhabenen Gedanken und reinem und geistigem Leben in einen guten Zustand gebracht haben), am besten geeignet sind, physische Körper zu schaffen, die für die Entwicklung nach Verkörperung suchender Wesen erforderlich sind. Es ist unter den okkulten Gelehrten eine bekannte Tatsache, daß beim Niedergang einer Rasse viele hervorragende Ego von der Inkarnation abgehalten werden, nur weil sie keine Eltern finden konnten, die rein genug wären, sie mit den nötigen Körpern zu versehen.

   Menschen, die aus dem oben erwähnten Grund der Menschheit die Ausübung ihrer Pflicht versagen, vergrößern die Sonnenflecken derart, daß sie darüber vergessen, die Sonne zu sehen. Die Geschlechtstätigkeit hat im Haushalt der Welt ihren großen Platz. Wenn der Mensch sie richtig anwendet, ist sie eine große Wohltat für das Ego, denn es sorgt dadurch für reine und gesunde Körper, wie die Menschheit sie zu ihrer Entwicklung benötigt. Umgekehrt, wenn sie mißbraucht wird, gibt es keinen größeren Fluch, denn es ist dann die Quelle der größten Übel, die das Fleisch vererbt.

   Es ist wahr, daß kein "Mensch für sich selbst lebt". Durch unsere Worte und Taten kommen wir unablässig mit anderen in Berührung. Durch die richtige Erfüllung oder die Vernachlässigung unserer Pflicht jedoch vernichten oder unterstützen wir das Leben, in erster Linie das unserer unmittelbaren Umgebung, letzten Endes aber aller Bewohner der Erde und noch darüber hinaus. Kein Mensch hat das Recht, das höhere Leben zu suchen, bevor er die Pflicht seiner Familie, seinem Land und der Menschheit gegenüber erfüllt hat. Selbstsüchtig alles andere beiseite zu setzen und nur für den eigenen geistigen Fortschritt zu leben, ist ebenso verwerflich, wie wenn man sich gar nicht um das geistige Leben kümmerte. Nein, es ist sogar schlimmer, denn die, welche im täglichen Leben nach bestem Wissen und Gewissen ihre Pflicht tun und sich der Wohlfahrt derer widmen, die von ihnen abhängen, pflegen die grundlegende Eigenschaft der Treue. Sie werden gewiß zur rechten Zeit bis zu einem Punkt fortschreiten, an dem sie für geistige Notwendigkeiten erwachen; dann werden sie ihre auf anderem

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Gebiet erworbene Treue auf Geistiges übertragen. Der Mann, der entschlossen seinen gegenwärtigen Pflichten den Rücken kehrt, um ein geistiges Leben aufzunehmen, wird sicherlich auf den Pfad der Pflicht, von dem er durch Mißverstehen abgewichen ist, zurückgezwungen werden, ohne einer Möglichkeit zu entkommen, bevor nicht die Lehre aufgenommen wurde.

   Bestimmte indische Stämme haben, wie wir in der Folge sehen, eine ausgezeichnete Lebenseinteilung. Die ersten 20 Jahre dienen der Erlangung einer Erziehung. Vom 20. bis 40. Lebensjahr wird die Zeit der Gründung einer Familie gewidmet, und der Rest der Zeit wird spiritueller Entwick- lung geweiht, ohne daß physische Sorgen den Intellekt beunruhigen oder ablenken.

   Während der ersten Periode wird das Kind von den Eltern versorgt, während der zweiten Periode sorgt der Mann außer für seine eigene Familie auch für seine Eltern, die sich dann höheren Dingen widmen; und während des Rests seines Lebens wird er wiederum von seinen Kindern unterhalten.

   Dies scheint eine sehr vernünftige Methode zu sein. Sie wird in einem Land durchgeführt, dessen Bewohner von der Wiege bis zum Grab so stark das Bedürfnis nach geistiger Entwicklung haben, daß sie irrtümlicherweise die materielle Entwicklung vernachlässigen, wenn sie nicht von äußerster Not bedrängt werden. Die Kinder kommen freudig für ihre Eltern auf und fühlen sich sicher in dem Bewußtsein, daß sie ihrerseits wieder versorgt werden und sich so vollkommen höheren Dingen widmen können, nachdem sie ihre Pflicht gegenüber ihrem Land und der Menschheit geleistet haben. In der westlichen Welt jedoch, wo vom Durchschnittsmenschen keine geistigen Bedürfnisse empfunden werden, weil er materiellen Entwicklungsrichtlinien folgt, wäre eine solche Lebensweise undurchführbar.

   Ein Streben nach geistigen Dingen setzt erst dann ein, wenn die Zeit reif ist, und wir erhalten dann immer die besonderen Bedingungen, unter denen wir sie, wenn überhaupt, befriedigen können. Hindernisse und Pflichten, die uns anscheinend zurückhalten, müssen ertragen werden. Wenn die Fürsorge für die Familie die gewünschte vollständige

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Hingabe an ein höheres Leben verhindert, wäre der Strebende gewiß nicht berechtigt, die Pflicht seiner Familie gegenüber zu vernachlässigen und die ganze Zeit und Energie geistigen Zwecken zuzuwenden. Man muß sich bemühen, solchen Bestrebungen ohne Pflichtversäumnis der Familie gegenüber zu entsprechen.

   Wenn das Verlangen nach einem ehelosen Leben über einen Menschen kommt, der in ehelicher Verbindung mit einem anderen steht, so dürfen die Verpflichtungen solcher Verbindungen nicht vergessen werden. Es wäre in diesem Fall sehr unrecht, der richtigen Erfüllung seiner Pflicht zu entgehen und das Zölibat durchführen zu wollen. Was aber die Pflicht der Ausübung des Geschlechtsaktes betrifft, gilt für einen nach höherem Leben Strebenden ein Maßstab, der verschieden von dem der durchschnittlichen Männer und Frauen ist.

   Die meisten Menschen betrachten die Ehe als einen Freibrief zur uneingeschränkten Ausübung und Befriedigung des Geschlechtstriebes. Nach dem Gesetzesrecht ist dies vielleicht richtig, doch kein von Menschenhand erstelltes Gesetz noch ein Gewohnheitsrecht darf diese Angelegenheit beherrschen. Die okkulte Wissenschaft lehrt, daß die Geschlechtsfunktion niemals zur Befriedigung des Sinnengenusses, sondern nur zur Fortpflanzung geschehen soll. Daher wäre ein nach dem höheren Leben Strebender berechtigt, die Ausführung des Geschlechtsaktes auch seinem Ehepartner zu verweigern, außer wenn es sich um die Zeugung eines Kindes handelt, und auch dann nur, wenn beide Teile vollkommen gesund sind, physisch, moralisch und geistig, da sonst die Verbindung leicht zur Zeugung schwacher, anormaler Körper führt.

   Jeder Mensch ist Eigentümer seines eigenen Körpers. Er ist dem Gesetz der Ursache und Wirkung für jeden Mißbrauch verantwortlich, der aus willenloser Überlassung dieses Körpers an einen anderen hervorgeht.

   Im Licht des Vorhergesagten und vom Standpunkt der okkulten Wissenschaft aus betrachtet, ist es für alle Menschen, die körperlich und geistig gesund sind, sowohl Pflicht wie auch ein Vorrecht (das mit Dank für die Gelegenheit

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ausgeübt werden sollte), für so viele Wesen Träger zu bereiten, wie es sich mit ihrer Gesundheit und der Möglichkeit für diese zu sorgen, verträgt. Und wie früher dargelegt wurde, sind in dieser Hinsicht besonders die nach einem höheren Leben Strebenden verpflichtet, da ihr reines Leben in ihren Körpern eine Läuterung hervorgebracht hat. Sie sind daher geeigneter als andere Menschen, reine Träger zu schaffen. Sie ermöglichen es hochklassigen Wesen, passende Träger zu finden und helfen der Menschheit in ihrer Entwicklung, indem sie diesen wartenden Ego Gelegenheit bieten, sich zu verkörpern und so die Ausübung ihres Einflusses früher zu gewähren, als dies sonst möglich gewesen wäre.

   Wenn man die Geschlechtskraft in dieser Weise anwendet, wird die geschlechtliche Vereinigung in einem Leben nur wenige Male stattfinden, und die ganze Geschlechtskraft kann für geistige Zwecke verwendet werden. Nicht der Gebrauch, sondern der Mißbrauch ruft Störungen hervor und kreuzt sich mit dem geistigen Leben. Daher ist es auch nicht nötig, daß er oder sie das geistige Leben aufgeben, weil sie nicht ehelos leben können. Während der Zeit, in der man die kleineren Einweihungen durchlebt, ist es nicht notwendig, vollständig ehelos zu leben. Das Gelübde vollständiger Ehelosigkeit gilt nur für die Großen Einweihungen, und selbst dann kann ein vereinzelter Akt der Befruchtung manchmal als eine Art Opfer erforderlich sein, wie z.B. seinerzeit für die Vorbereitung des Körpers Christi.

   Man kann sogar sagen, daß es schlimmer ist, unter einer brennenden Begierde zu leiden und beständig lebhaft an die Befriedigung des Geschlechtstriebes zu denken, als sein Eheleben in mäßiger Weise zu leben. Christus lehrte, daß unkeusche Gedanken ebenso schlecht, ja schlechter seien als unkeusche Handlungen, weil Gedanken unbegrenzt wiederholt werden können, während den Handlungen Grenzen gesetzt sind. Der nach höherem Leben Strebende kann nur im Verhältnis zur Unterwerfung seiner niederen Natur erfolgreich sein; doch sollte er sich vor den anderen Extremen bewahren.


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