Die
Rosenkreuzer-Weltanschauung

von Max Heindel




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Die atlantische Epoche

   Vulkanische Ausbrüche zerstörten den größten Teil des lemurischen Kontinents, und an seiner Stelle stieg der atlantische Kontinent auf, wo sich jetzt der Atlantische Ozean befindet.

   Die materialistischen Wissenschaftler, die durch die Darstellung des Plato veranlaßt wurde, Nachforschungen hinsichtlich Atlantis vorzunehmen, haben erklärt, es gäbe genügend Grund, die Erzählung anzuerkennen, daß ein solcher Kontinent existiert habe (1909). Die okkulten Gelehrten wissen, daß er bestand, und sie wissen ebenfalls, daß die Bedingungen dort so waren, wie sie jetzt geschildert werden sollen.

   Das alte Atlantis unterschied sich von unserer heutigen Welt auf mannigfaltige Weise. Der größte Unterschied aber lag in der Zusammensetzung der Atmosphäre und des Wassers jener Epoche.

   Von der südlichen Seite des Planeten kam der heiße, feurige Atem der Vulkane, die noch reichlich tätig waren. Vom Norden fegte der eisige Hauch der Polarregion herunter. Der Kontinent Atlantis war der Begegnungsort dieser zwei Strömungen, und seine Atmosphäre war daher beständig von einem diken, trüben Nebel erfüllt. Das Wasser war nicht so dicht wie jetzt, enthielt aber einen größeren Anteil

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an Luft. Viel Wasser wurde auch in der schweren, dunstigen Atmosphäre von Atlantis festgehalten.

   Durch diese Atmosphäre schien die Sonne niemals klar. Sie schien von einem Strahlenkranz aus Lichtnebel umgeben, ähnlich unseren Straßenlaternen bei dichtem Nebel. Dann war es nur möglich, in irgendeiner Richtung einige wenige Fuß weit zu sehen, und die Umrisse der ganz nahen Gegenstände erschienen trüb, verwischt und ungewiß. Der Mensch wurde mehr durch innere Wahrnehmung als durch äußere Anschauung geleitet.

   Aber nicht nur das Land, sondern auch der Mensch unterschied sich wesentlich von allem, was jetzt auf der Erde existiert. Er hatte zwar einen Kopf, doch beinahe keinen Vorderkopf. Seinem Gehirn fehlten die Stirnteile. Der Kopf sprang von einem Punkt über den Augen fast plötzlich zurück. Mit der heutigen Menschheit verglichen, war er ein Riese; seine Arme und Beine waren im Verhältnis zum Körper viel länger als die unseren. Statt zu gehen, bewegte er sich durch eine Reihe von fliegenden Sprüngen vorwärts, ähnlich wie das Känguruh. Er hatte kleine, blinzelnde Augen, und seine Haare waren straff, glänzend, schwarz und im Querschnitt rund.

   Diese Eigentümlichkeit unterscheidet die Abkömmlinge der atlantischen Rasse, die noch unter uns leben, von denen der anderen Rassen bis zum heutigen Tag. Ihr Haar ist straff, glänzend, schwarz und rund im Durchschnitt, das der Arier ist immer oval im Querschnitt, wenngleich auch verschieden in der Farbe. Die Ohren der Atlantier saßen viel weiter rückwärts als die der Arier.

   Die höheren Träger der frühen Atlantier waren nicht wie bei uns konzentrisch zum dichten Körper angeordnet. Der Geist (spirit) war noch nicht ganz ein innewohnender Geist, er lebte noch zum Teil außerhalb der Träger und konnte sie daher nicht mit der gleichen Leichtigkeit lenken, wie er es vermocht hätte, wenn er ganz darin gewohnt hätte. Der Kopf des Lebensleibes ragte weit über den physischen Kopf hinaus. Zwischen den Augenbrauen und ungefähr einen

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halben Zoll unterhalb der Oberfläche der Haut ist ein Punkt, der einen korrespondierenden Punkt im Lebensleib hat. Dieser Punkt, man kann ihn "die Nasenwurzel" nennen, ist nicht der Hirnanhang, der viel tiefer im Kopf des dichten Körpers liegt. Wenn diese beiden Punkte, wovon sich einer im dichten Körper und der zweite im Lebensleib befindet, in Verbindung gelangen, wie dies bei der Menschheit unserer Tage der Fall ist, so sieht der Hellseher sie als einen schwarzen Punkt, oder besser gesagt als einen leeren Fleck, ähnlich dem unsichtbaren Zentrum einer Gasflamme. Das ist der Sitz des dem Menschen innewohnenden Geistes, das Allerheiligste im Tempel des menschlichen Körpers, allem verschlossen, außer dem innewohnenden Ego, dessen Heimstätte er ist. Der geübte Hellseher kann mit mehr oder weniger Genauigkeit, je nach seiner Entwicklung, all die verschiedenen Körper sehen, welche die Aura des Menschen bilden. Nur diese Stelle verbirgt sich ihm. Das ist die Isis, deren Schleier niemand lüften kann. Nicht einmal das höchstentwickelte Erdenwesen kann das Ego des geringsten und am wenigsten entwickelten Geschöpfes sehen. Das, und nur das allein auf Erden, ist so heilig, daß es vor dem Eindringen absolut sicher ist.

   Diese beiden Punkte, von denen eben gesprochen wurde, waren im Menschen der frühen atlantischen Epoche weit voneinander entfernt, der eine im dichten Körper und sein Gegenstück im Lebensleib. Bei den Tieren unserer Tage ist dasselbe der Fall. Der Kopf vom Lebensleib des Pferdes ist weit außerhalb seines physischen Kopfes. Die Punkte sind beim Hund näher als bei irgendeinem anderen Tier zusammen, vielleicht mit Ausnahme des Elefanten. Wenn sie zusammentreffen, so haben wir ein Wundertier, das fähig ist zu zählen, zu buchstabieren usw.

   Durch die Entfernung zwischen diesen beiden Punkten war die Wahrnehmungskraft des Atlantiers in den inneren Welten viel schärfer als in der dichten physischen Welt ausgeprägt, die damals durch ihre Atmosphäre von dicken, schweren Nebeln verdüstert war. Aber im Lauf der Zeit wurde die

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Atmosphäre langsam klarer. Zur selben Zeit näherte sich der besprochene Punkt des Lebensleibes immer mehr dem entsprechenden Punkt im dichten Körper. In dem Maß, wie die beiden Punkte einander näherkamen, verlor der Mensch die Berührung mit den inneren Welten. Sie wurden um so viel trüber, wie die physische Welt klarer wurde. Endlich, im letzten Drittel der atlantischen Epoche, wurde der Punkt im Lebensleib mit dem entsprechenden Punkt des dichten Körpers in Verbindung gebracht. Vor diesem Zeitpunkt erwachte der Mensch nicht völlig für die dichte physische Welt. Aber als die volle Wahrnehmung für diese Welt gewonnen wurde, ging die Fähigkeit, die inneren Welten zu erschauen, den meisten Menschen nach und nach verloren.

   In den früheren Zeiten der atlantischen Epoche sah der Mensch die Umrisse eines Gegenstandes oder Menschen nicht klar, doch sah er die Seele und war sofort über ihre Eigenschaften orientiert, ob sie für ihn wohltuend waren oder nicht.

   Geistige Auffassung lehrte ihn ganz genau, wie er mit anderen umzugehen hatte, und auch, wie er dem Unheil entgehen konnte. Daher war sein Kummer über den Verlust groß, als die geistigen Welten in seinem Bewußtsein zu verblassen begannen.

   Die Rmoahals waren die ersten der atlantischen Rassen. Sie hatten nur wenig Gedächtnis und dieses wenige war hauptsächlich mit Sinneswahrnehmungen verbunden. Sie erinnerten sich der Farben und Töne und entwickelten so in einem gewissen Maß Gefühle. Die Lemurier waren dem Gefühl völlig bar, wenigstens im feineren Sinn des Wortes. Sie hatten Tastsinn, konnten das physische Empfinden des Schmerzes fühlen, ebenso das des Wohlbehagens, nicht aber das der mentalen geistigen Art der Freude, des Kummers, der Sympathie und der Antipathie.

   Mit dem Gedächtnis kamen den Atlantiern die Uranfänge einer Sprache. Sie entwickelten Worte und gebrauchten nicht mehr wie die Lemurier die Naturlaute. Die Rmoahals begannen, den Dingen Namen zu geben. Sie waren noch eine

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geistige Rasse, und ihre Seelenkräfte waren wie die Kräfte der Natur. Sie benannten nicht nur die um sich befindlichen Dinge, sondern in ihren Worten lag auch die Macht über diese Dinge, denen sie Namen gaben. Wie die letzten der Lemurier durchdrang sie ihr Gefühl, ein Geist zu sein, und keiner tat dem anderen jemals ein Leid an.

   Ihnen war die Sprache als höchster unmittelbarer Ausdruck des Geistes heilig. Die Kraft wurde niemals durch Geschwätz oder Geplapper entwürdigt und mißbraucht. Durch den Gebrauch einer klaren Sprache wurde die Rasse erstmalig fähig, sich mit der Seele der Dinge in der Außenwelt in Verbindung zu bringen.

   Die Tlavatli waren die zweite atlantische Rasse. Sie begannen schon ihren Wert als getrennte menschliche Wesen zu fühlen; sie wurden ehrgeizig. Sie verlangten, daß man sich ihrer Werke erinnere. Gedächtnis wurde ein Faktor im Leben der Gemeinschaft.

   Die Erinnerung an die Taten, die von gewissen Tlavatlis vollbracht wurden, veranlaßte eine Gruppe dieses Volkes einen Führer zu wählen, der sich durch große Taten ausgezeichnet hatte. Das war der Keim des Königtums. Diese Erinnerung der verdienstvollen Taten großer Männer wurde sogar über die Zeit nach dem Tod dieser Männer erstreckt. Die Menschheit begann, das Andenken der Vorfahren zu ehren und die anzubeten, die großen Verdienst erworben hatten. Das war der Beginn einer Art von Verehrung, wie sie bis heute noch von einigen asiatischen Völkern ausgeübt wird.

   Die Toltecen waren die dritte atlantische Rasse. Sie bildeten die Ideen der Vorgänger noch weiter aus und begründeten Monarchie und Nachfolge durch die Erbfolge. Die Toltecen pflegten erstmalig die Verehrung der Menschen wegen der großen Taten, die ihre Vorfahren vollbracht hatten, wozu sie auch guten Grund besaßen, denn durch die besondere Schulung jener Zeit hatte der Vater die Macht, seine Eigenschaften in einer Art und Weise auf den Sohn zu übertragen, wie das der heutigen Menschheit unmöglich ist.

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   Die Erziehung bestand darin, daß man Bilder aus verschiedenen Lebensphasen vor die Seele des Kindes stellte. Das Bewußtsein der frühen Atlantier war bisher hauptsächlich noch ein inneres Bildbewußtsein. Die Macht, welche der Erzieher hatte, diese Bilder vor die Seele des Kindes zu rufen, war entscheidend für die Seeleneigenschaften, die der erwachsene Mensch besitzen würde. Der Instinkt und nicht die Vernunft wurde angesprochen und wachgerufen; durch diese Methode der Erziehung nahm der Sohn die meisten Eigenschaften des Vaters auf. Es ist daher klar, daß zu jener Zeit Grund genug vorhanden war, den Söhnen großer Männer Ehren zu erweisen, denn der Sohn erbte beinahe immer die meisten der guten Eigenschaften seines Vaters. Leider ist das in unserer Zeit nicht der Fall, obwohl wir noch immer die Gepflogenheit haben, die Söhne großer Männer zu ehren, wofür wir jedoch keinen triftigen Grund mehr haben.

   Unter den Toltecen begann man Erfahrungen hoch zu bewerten. Der Mensch, der die verschiedenartigsten Erfahrungen gewonnen hatte, wurde am meisten geschätzt und gesucht. Das Gedächtnis war damals so groß und genau, daß unser gegenwärtiges Gedächtnis nichts dagegen ist. In Notfällen konnte sich ein Toltece von großer praktischer Erfahrung höchstwahrscheinlich an ähnliche Fälle aus der Vergangenheit erinnern und anordnen, was unternommen werden sollte. So wurde er der Gemeinschaft ein wertvoller Ratge- ber, sobald sich eine Situation entwickelte, die keinem der Mitglieder von früher her bekannt war, und sie deshalb unfähig waren, mit Hilfe von Vergleichen zu erkennen, wie sie sich in dieser Notlage benehmen sollten. Wenn sie keines solchen Individuums habhaft werden konnten, waren sie gezwungen, Versuche anzustellen, um das Beste zu finden.

   Im mittleren Drittel von Atlantis finden wir den Beginn getrennter Nationen. Gruppen von Menschen, die untereinander ähnliche Neigungen und Gewohnheiten entdeckten, pflegten ihre alten Wohnstätten zu verlassen und neue Kolonien zu gründen. Sie erinnerten sich all der alten Gewohnheiten und folgten ihnen, soweit sie ihnen in ihren neuen

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Wohnstätten nützlich waren. Um ihren eigenen besonderen Ideen und Notwendigkeiten gerecht zu werden, eigneten sie sich zusätzlich neue Gewohnheiten an.

   Die Führer der Menschheit weihten zu dieser Zeit große Könige ein, um die Völker zu regieren, und gaben ihnen große Macht über die Menschen. Die Massen ehrten diese Könige mit aller Ehrfurcht, die den wahren Königen "von Gottes Gnaden" gebührte. Dieser glückliche Zustand trug aber doch bereits den Keim der Auflösung in sich, denn die Könige ließen sich mit der Zeit von ihrer Macht berauschen. Sie vergaßen, daß sie diese durch die Gnade Gottes als heiliges Vertrauenspfand erhalten hatten, und daß sie zu Königen gemacht waren, um das Volk gerecht zu behandeln und ihm zu helfen. Sie begannen, ihre Macht unredlich, zu selbstsüchtigen Zwecken und zur Verherrlichung der Persönlichkeit anzuwenden, anstatt zum allgemeinen Besten. Sie maßten sich Privilegien und Autorität an, die niemals für sie bestimmt waren. Ehrgeiz und Selbstsucht beherrschten sie; sie mißbrauchten ihre hohe, von Gott hergeleitete Macht zu Zwecken der Unterdrückung und der Rache. Das galt nicht nur von den Königen, sondern auch von den "Edlen" und denen der höheren Stände. Wenn man in Betracht zieht, welche Macht sie über die weniger entwickelten Klassen hatten, so ist es leicht zu verstehen, daß der Mißbrauch dieser Macht entsetzliche Zustände hervorrufen mußte.

   Die ursprünglichen Turanier waren die vierte atlantische Rasse. Sie waren besonders bösartig in ihrer außerordentlichen Selbstsucht. Sie errichteten Tempel, in denen die Könige wie Götter verehrt wurden und verursachten die äußerste Unterdrückung der hilflosen niederen Klassen. Schwarze Magie der schlimmsten und ekelhaftesten Art blühte. Alle ihre Bemühungen waren auf die Befriedigung der Eitelkeit und auf äußerliche Schaustellungen gerichtet.

   Die ursprünglichen Semiten waren die fünfte und wichtigste der sieben atlantischen Rassen, denn wir finden in ihr den ersten Keim der ausgleichenden Gedankeneigenschaft. Dar-

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um wurde die ursprünglich semitische Rasse die "Keimrasse" für die sieben Rassen der gegenwärtigen arischen Epoche.

   In der polarischen Epoche erwarb sich der Mensch den dichten Körper als Instrument zum Handeln. In der hyperboreischen Epoche wurde der Lebensleib hinzugefügt, um die zum Handeln benötigte Bewegungskraft zu geben. In der lemurischen Epoche wurde durch den Empfindungsleib der Antrieb zum Handeln gegeben.

   In der atlantischen Epoche erhielt der Mensch den Intellekt, um dem Handeln Sinn zu verleihen. Da aber das Ego außerordentlich schwach und die Begierdennatur stark war, verband sich der werdende Intellekt mit dem Empfindungsleib, was die Fähigkeit Schlauheit (cunning) ergab, die Grundursache zu aller Bosheit des mittleren Drittels der atlantischen Epoche war.

   In der arischen Epoche sollten Denken und Vernunft durch die Arbeit des Ego im Intellekt entwickelt werden, um die Begierden in solche Kanäle zu lenken, die zur Erwerbung geistiger Vervollkommnung führen, die ja das Endziel der Evolution ist. Diese Fähigkeit zu denken und Ideen zu bilden, wurde vom Menschen aber auf Kosten der Macht über die Lebenskräfte, das heißt der Macht über die Natur erworben.

   Mit Gedanken und Intellekt kann der Mensch gegenwärtig nur Macht über Mineralien und Chemikalien ausüben, denn sein Intellekt ist jetzt in der ersten oder mineralischen Stufe seiner Entwicklung, wie es sein dichter Körper in der Saturnperiode war. Er kann keine Macht über das Leben der Pflanzen oder Tiere ausüben.

   Holz und verschiedene Pflanzensubstanzen werden zusammen mit unterschiedlichen Teilen der Tiere vom Menschen in seinen Industrien verwendet. Diese Substanzen sind in der endgültigen Analyse alle aus chemischer Materie, die durch mineralisches Leben beseelt wird und aus der, wie bereits erklärt wurde, die Körper aller Reiche zusammengesetzt wurden. Über alle diese verschiedenartigen chemischmineralischen Zusammensetzungen hat der Mensch in seinem gegenwärtigen Zustand wohl die Oberherrschaft.

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Diese wird jedoch nicht vor der Erreichung der Jupiterperiode auf die Arbeiten mit dem Leben ausgedehnt werden. In dieser Periode wird er die Macht besitzen, mit Pflanzenleben zu arbeiten, wie die Engel in unserer Erdperiode.

   Die materialistischen Wissenschaftler haben viele Jahre daran gearbeitet, Leben zu "erschaffen", sie werden aber keinen Erfolg haben, ehe sie nicht gelernt haben, sich dem Tisch des Laboratoriums wie dem Altar eines Tempels mit tiefster Ehrfurcht zu nähern, mit einem reinen Herzen und heiligen Händen, frei von selbstsüchtigem und gierigem Ehrgeiz.

   In weiser Entscheidung bewahrten die Älteren Brüder dieses und alle anderen tiefen Geheimnisse der Natur, bis der Mensch fähig ist, sie zur Hebung der Rasse, zur Ehre Gottes und nicht zum persönlichen Gewinn oder zur Selbstverherrlichung zu gebrauchen.

   Dennoch machte gerade der Verlust der Macht über die Lebenskräfte, den die Atlantier erlitten, es dem Menschen möglich, sich weiter zu entwickeln. So konnte seine Selbstsucht, wie sehr sie auch zunahm, weder ihn noch die Natur vollkommen zerstören, wie das der Fall gewesen wäre, wenn seine zunehmende Selbstsucht von jener großen Macht begleitet gewesen wäre, die der Mensch in seinem früheren unschuldigen Zustand besaß. Der Gedanke, der nur im Menschen arbeitet, kann der Natur nicht befehlen. Er kann die Menschheit niemals gefährden, wie dies der Fall wäre, wenn die Naturkräfte unter seiner Herrschaft stünden.

   Durch den Intellekt beherrschten die ursprünglichen Semiten ihre Begierden einigermaßen. Statt der bloßen Begierden kamen aber Schlauheit (cunning) auf, durch die sie ihre selbstsüchtigen Ziele zu erreichen suchten. Obwohl sie ein unruhiges Volk waren, lernten sie, ihre Leidenschaften in großem Maß zu beherrschen und ihre Zwecke durch Schlauheit zu erreichen, die feiner und wirksamer ist als die brutale Kraft. Sie waren die ersten, die entdeckten, daß das "Gehirn" der "Muskelkraft" überlegen ist.

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   Während der Existenz dieser Rasse begann sich die Atmosphäre von Atlantis endgültig aufzuhellen, und der vorerwähnte Punkt im Lebensleib kam mit der ihm entsprechenden Stelle im dichten Körper in Verbindung. Dieses Geschehen gab dem Menschen die Fähigkeit, die Gegenstände deutlich, mit klaren, scharf umrissenen Konturen zu sehen; es äußerte sich aber auch im Verlust der Sicht für die inneren Welten.

   Daraus können wir folgendes Gesetz erkennen: ein jeder Fortschritt wird auf Kosten einiger früher besessener Fähigkeiten erzielt. Diese werden später in einer höheren Form wiedergewonnen werden.

   Der Mensch erbaute das Gehirn auf Kosten des zeitweiligen Verlustes der Kraft, Nachkommen aus sich selbst heraus und allein zu zeugen. Um das Instrument zu erlangen, durch das er seinen dichten Körper leiten konnte, wurde er eine Beute all der Schwierigkeiten, des Kummers und der Schmerzen, die nun zur Erhaltung der Rasse erforderlich wurden. So erlangte der Mensch seine Urteilskraft durch den zeitweiligen Verlust seiner geistigen Einsicht.

   Während ihn die Vernunft in vieler Hinsicht förderte, verschloß sie dem Menschen die Seele der Dinge, die vorher zu ihm gesprochen hatte. Der Erwerb des Intellekts, der jetzt ein kostbares Eigentum des Menschen bildet, wurde von den Atlantiern zuerst nur traurig begrüßt. Sie beklagten den Verlust der einstigen Einsicht und Kraft, den sie durch den Erwerb des Intellekts erleiden mußten.

   Dieser Eintausch geistiger Kräfte gegen physische Fähigkeiten war nötig, damit der Mensch lerne, in der physischen Welt, die er erobern mußte, ohne äußere Führung zu handeln. Im Lauf der Zeit wird er seine geistigen Kräfte wieder gewinnen, wenn er auf Grund seiner Erfahrungen während seiner Wanderung durch die dichtere physische Welt gelernt haben wird, diese geistigen Kräfte richtig zu benützen. Als er geistige Kräfte besaß, war er sich ihres richtigen Gebrau-

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ches nicht bewußt, und sie waren zu wertvoll und zu gefährlich, um als Spielzeug für Experimente benutzt zu werden.

   Die ursprüngliche semitische Rasse wurde von einem großen Wesen vom Kontinent Atlantis ostwärts, über Europa, in die große Wüstenfläche Zentralasiens geführt, die als Wüste Gobi bekannt ist. Dort bereitete das große Wesen sie zum Keim für die sieben Rassen der arischen Epoche vor und versah sie im wesentlichen mit den Eigenschaften, die von ihren Nachkommen entwickelt werden sollten.

   Während aller vorhergehender Zeitalter, vom Beginn der Saturnperiode, durch die Sonnen- und Mondperiode sowie während der dreieinhalb Weltkreisläufe der Erdperiode (der polarischen, hyperboreischen, lemurischen und des früheren Teiles der atlantischen Epoche) war der Mensch ohne die geringste Wahlfreiheit von höheren Wesen geleitet worden.

   Er war unfähig, sich selbst zu lenken, da er noch keinen eigenen Intellekt entwickelt hatte. Nun aber war endlich die Zeit gekommen, in der es für seine weitere Entwicklung erforderlich wurde zu lernen, sich selbst zu lenken. Er mußte Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit für seine eigenen Handlungen entwickeln. Bisher war er gezwungen gewesen, den Anordnungen seiner Führer zu folgen. Nun sollten seine Gedanken von den sichtbaren Führern, den Herren der Venus, die er als Botschafter Gottes verehrte, abgewandt und der Idee des wahren Gottes, des unsichtbaren Schöpfers des ganzen Systems, erschlossen werden. Der Mensch mußte lernen, die Anordnungen und Befehle eines Gottes zu befolgen, den er nicht sehen konnte.

   Darum riefen die Führer die Völker zusammen und sprachen zu ihnen etwa in folgender, ihre Seelen anfeuernder Rede:

   "Bisher habt ihr die gesehen, welche euch leiteten. Es gibt aber Führer von unterschiedlichen Graden der Herrlichkeit, die noch höher stehen, die ihr zwar nicht gesehen habt, die

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jedoch einen jeden eurer schwankenden Schritte in der Entwicklung des Bewußtseins lenkten.

   Erhaben über all diese großen und glorreichen Wesen steht der unsichtbare Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, die ihr bewohnt. Er hat geruht, euch die Herrschaft über alles Land zu übergeben, auf daß ihr fruchtbar seid und euch darin vermehret.

   Diesen unsichtbaren Gott nur sollt ihr anbeten. Aber ihr sollt Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten und euch von Ihm weder ein Bildnis noch ein Gleichnis machen, denn er ist allgegenwärtig und jenseits jedes Vergleiches oder jeder Ähnlichkeit.

   Wenn ihr Seinen göttlichen Geboten folgt, so wird Er euch überreich mit allem Guten segnen. Wenn ihr von seinem Weg abirrt, wird Unheil folgen. Die Wahl ist euer. Ihr seid frei, aber ihr müßt die Konsequenzen eurer eigenen Handlungen tragen."

   Die Erziehung des Menschen geht in vier großen Abschnitten vor sich. Erst wird, ohne daß er sich dessen bewußt wird, von außen an ihm gearbeitet. Dann wird er unter die Führerschaft göttlicher Botschafter und Könige gestellt, die er sieht und deren Befehlen er gehorchen muß. Dann wird er gelehrt, die Befehle des Gottes, den er nicht sieht, zu befolgen. Endlich lernt er, sich über die Befehle zu erheben, sich selbst Gesetz zu werden und, indem er sich aus eigenem freiem Willen besiegt, in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur zu leben, welche die Gesetze Gottes sind.

   Durch vier Entwicklungsstufen gelangt der Mensch zu Gott.

   Erst verehrt er aus Furcht den Gott, den er zu fühlen beginnt, er bringt ihm wie ein Fetischanbeter Opfer, um ihn zu versöhnen.

   Dann lernt er Gott als den Spender aller Dinge erkennen und hofft, von Ihm hier und jetzt materielle Wohltaten zu erlangen. Er opfert aus Geiz und erwartet, daß der Herr ihm sein Opfer hundertfach vergelten werde, und hofft, dadurch geschickt den Bestrafungen durch Seuchen, Krieg usw. entrinnen zu können.

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   Danach lernt er, Gott durch Gebete und durch ein gutes Leben zu verehren. Er muß den Glauben an einen Himmel pflegen, in dem er in Zukunft belohnt werden soll. Er muß sich des Bösen enthalten, um zukünftigen Höllenstrafen zu entgehen.

   Endlich gelangt er an einen Punkt, an dem er ohne irgend einen Gedanken an Belohnung, Bestechung oder Strafe Gutes tun kann. Er tut das Gute einfach deshalb, weil "es richtig ist, recht zu tun". Er liebt das Gute um seiner selbst willen und handelt danach, ungeachtet, ob gegenwärtige Erfolge oder Beleidigungen und schmerzliche Resultate in der Zukunft die Folgen sein werden.

   Die ursprünglichen Semiten hatten den zweiten dieser Schritte erreicht. Sie wurden unterwiesen, einen unsichtbaren Gott anzubeten und zu erwarten, daß sie durch sichtbare Wohltaten belohnt oder durch schmerzliche Eingriffe bestraft würden.

   Das allgemeine Christentum ist die dritte Stufe. Die esoterischen Christen und die Schüler aller okkulten Schulen versuchen, den höchsten Grad zu erlangen. Dieser wird in der sechsten Epoche, im neuen Galiläa, allgemein erreicht sein. Dann wird die vereinigende christliche Religion die Herzen der Menschen öffnen, so wie jetzt ihr Verständnis geöffnet wird.

   Die Akkadier waren die sechste und die Mongolen die siebte atlantische Rasse. Sie entwickelten die Fähigkeit des Denkens noch weiter, doch folgten sie Grundsätzen, die mehr und mehr von der Hauptrichtung des sich entfaltenden Lebens ablenkten. Die chinesischen Mongolen vertreten noch jetzt die Ansicht, daß die alten Wege die besten sind (1909). Der Fortschritt fordert jedoch unablässig neue Methoden und Anpassungsfähigkeit. Er erhält die Ideen in einem beweglichen Zustand. Daher blieben diese Rassen zurück und degenerieren mit den Überbleibseln der atlantischen Rassen.

   Als die schweren Nebel von Atlantis sich mehr und mehr verdichteten, überschwemmte die zunehmende Wasser- menge den Kontinent und zerstörte den größten Teil der Bevölkerung wie auch die Spuren ihrer Zivilisation.

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   Durch die Fluten wurden große Scharen von dem verurteilten Kontinent vertrieben und wanderten quer durch Europa. Die Überbleibsel dieser atlantischen Flüchtlinge sind die heutigen Mongolen. Die Neger hingegen und auch andere Naturvölker mit krausem Haar sind die letzten Überreste der Lemurier.

Die arische Epoche

   Mittelasien war die Wiege der arischen Rassen, die von den ursprünglichen Semiten herrühren. Von dort gingen die verschiedenen Rassen aus. Es ist unnötig, sie an dieser Stelle zu beschreiben, da geschichtliche Nachforschungen ihre Hauptzüge genügend festgestellt haben.

   In der gegenwärtigen (der fünften oder arischen) Epoche gelangte der Mensch zur Kenntnis des Feuers und anderer Kräfte, deren göttlicher Ursprung ihm absichtlich vorenthalten wurde, damit es ihm freistand, sie zu höheren Zweken oder zu seiner eigenen Entwicklung zu verwenden. Darum haben wir in dieser gegenwärtigen Epoche zwei Klassen von Menschen: die eine sieht den Ursprung der Erde und des Menschen als Wesen göttlichen Ursprungs, die andere betrachtet alles vom reinen Nützlichkeitsstandpunkt.

   Zu Beginn der arischen Epoche wurden den Fortgeschrittensten unter der Menschheit die höheren Einweihungen gegeben, damit sie die Stelle der Botschafter Gottes, das heißt, die der Herren der Venus einnehmen können. Diese menschlichen Eingeweihten waren von dieser Zeit an die einzigen Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Aber sogar sie erscheinen nicht öffentlich und zeigen nicht durch Zeichen und Wunder, daß sie Lehrer und Führer sind. Dem Menschen wurde die volle Freiheit gelassen, sie nach seinem Wunsch aufzusuchen oder nicht.

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   Am Ende unserer jetzigen Epoche wird der höchste Eingeweihte öffentlich erscheinen, wenn eine genügende Anzahl Durchschnittsmenschen dies wünscht und sich gerne einer solchen Führung unterwirft. So werden sie den Kern für die letzte Rasse bilden, die zu Beginn der sechsten Epoche erscheinen wird. Nach dieser Zeit werden Rassen und Nationen aufhören zu bestehen. Die Menschheit wird dann wie vor dem Ende der lemurischen Epoche wieder eine geistige Bruderschaft sein.

   Die Namen der Rassen, die sich während der fünften Epoche über die Erde verbreitet hatten, sind folgende:

    1. Die arische, die südlich nach Indien ging.
    2. Die babylonisch-assyrisch-chaldäische.
    3. Die persisch-griechisch-lateinische.
    4. Die keltische.
    5. Die germanisch-angelsächsische (zu der wir gehören).

   Aus der Mischung der verschiedenen Nationen, die jetzt in den Vereinigten Staaten stattfindet, wird zu Beginn der sechsten Epoche der "Keim" der letzten Rasse hervorgehen.

   In unserer gegenwärtigen Epoche werden sich zwei weitere Rassen entwickeln, von denen eine die Slaven sind. Wenn im Verlauf einiger hundert Jahre die Sonne durch die Präzession des Frühlingspunktes in das Zeichen des Wassermannes eintreten wird, werden das russische Volk und die slavischen Rassen im allgemeinen einen solchen Grad geistiger Entwicklung erlangen, der weit über ihren gegenwärtigen Zustand hinausgeht. Musik wird der Hauptfaktor dieser Entwicklung sein. Auf den Schwingen der Musik kann sich die abgestimmte Seele zum Thron Gottes erheben, den zu erreichen der Intellekt allein nicht imstande ist.

   Eine auf diese Weise erreichte Entwicklung kann jedoch nicht von langer Dauer sein, sie ist einseitig und stimmt daher nicht mit den Entwicklungsgesetzen überein. Diese verlangen, daß die Entwicklung, um von Dauer zu sein, gleichmäßig und ausgewogen werde, mit einem Wort, daß sich die Geistigkeit durch oder mindestens zugleich mit dem Intellekt entwickle. Aus diesem Grund wird die slavische

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Zivilisation nur kurz, während ihrer Dauer aber groß und freudig sein, denn sie wird aus tiefem Kummer und unsagbarem Leid geboren, und das Gesetz des Ausgleichs wird zur gegebenen Zeit das Gegenteil bringen.

   Aus den Slaven wird ein Volk hervorgehen, das die letzte der sieben Rassen der arischen Epoche formen wird, und aus der Bevölkerung der Vereinigten Staaten wird die letzte aller Rassen des gegenwärtigen Evolutionsplanes hervorgehen, die ihren Lauf mit Beginn der sechsten Epoche aufnehmen wird.

Die sechzehn Pfade der Vernichtung

   Die sechzehn Rassen werden die "sechzehn Pfade der Vernichtung" genannt, weil in jeder Rasse immer die Gefahr liegt, daß sich die Seele zu sehr an die Rasse hängt, in Rassen-Eigentümlichkeiten verstrickt wird und sich nicht über die Rassenidee erheben kann, weshalb sie den Fortschritt versäumt. Sie kristallisiert sich sozusagen innerhalb der Rasse. Sie bleibt dann auf die Rassenkörper beschränkt, indem sie, wie z.B. bei den Juden, zu degenerieren beginnt.

   In Perioden, Weltkreisläufen und Epochen, in denen es keine Rassen gibt, ist die Möglichkeit der Versteinerung nicht so groß und häufig, da sich die Entwicklung über eine größere Zeitspanne erstreckt. Aber die sechzehn Rassen werden in so relativ kurzer Zeit geboren und sterben hin, daß ein jeder, der sich zu sehr an deren Verhältnisse bindet, in großer Gefahr ist, zurückzubleiben.

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   Christus ist der große einigende Herr und Gebieter der sechsten Epoche, und er offenbarte sein Gesetz, als er die wenig verstandenen Worte äußerte: "So jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben gering achtet, der kann nicht mein Jünger sein" (Ev. Luk. 14,26).

   "Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir nach, der ist meiner nicht wert" (Ev. Matth. 10,38).

   "... Also auch ein jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, das er hat, kann nicht mein Jünger sein" (Ev. Luk. 14,33).

   Nicht daß wir Familienbande verlassen oder unterschätzen sollten, doch wir müssen lernen, uns über sie zu erheben. Vater und Mutter sind "Körper", alle Verwandten sind Teile der Rasse, die zur Form gehören. Die Seelen müssen erkennen, daß sie weder Körper noch Rassen, sondern Egos sind, die um die Vervollkommnung ringen. Wenn der Mensch dies vergißt und sich mit seiner Rasse identifiziert, wenn er sich mit fanatischem Patriotismus an sie hängt, kann er sehr leicht in sie verstrickt werden und mit ihr sinken, während seine Kameraden auf dem Pfad der Entwicklung zu größeren Höhen emporsteigen.

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XIII. Zurück zur Bibel

   In unserer Zeit ist der Missionsgeist tätig. Die westlichen Kirchen senden Missionare in die ganze Welt, um die Menschen aller Nationen zum Glauben ihrer Bekenntnisse zu bekehren. Sie sind in ihren Bemühungen, Anhänger zu gewinnen, nicht allein. Der Osten hat in westliche Gefilde eine starke Invasion begonnen. Viele Christen, denen die von den Geistlichen gelehrten Glaubensbekenntnisse und Dogmen nicht genügten, sahen sich veranlaßt, durch die Fragen ihres Intellekts, nach einer angemessenen Erklärung der Lebensprobleme, nach der Wahrheit zu suchen. Sie haben sich mit den östlichen Lehren des Buddhismus, des Hinduismus usw. vertraut gemacht und sie in vielen Fällen auch angenommen.

   Vom okkulten Standpunkt aus sind diese Missionsbemühungen, ob sie nun von Ost nach West oder umgekehrt stattfinden, nicht wünschenswert, weil sie der Grundrichtung der Evolution widersprechen. Unsere Entwicklung ist der Obhut großer Führer anvertraut, die uns jede notwendige Hilfe geben, um dieses Ziel zu erreichen. Die Religion ist eine von ihnen. Es gibt triftige Gründe, warum die Bibel, die nicht nur eine, sondern beide, die hebräische und die christliche Religion enthält, dem Westen gegeben wurde. Wenn wir ernsthaft nach Licht suchen, werden wir die höchste Wahrheit erkennen, die uns diese doppelte Religion gegeben hat, und daß sich keine andere Religion dieser Tage für unsere besonderen Bedürfnisse eignet. Darum werden wir in diesem Kapitel gewisse, an verschiedenen Stellen und in anderen Zusammenhängen gebrachte Gesichtspunkte noch einmal betrachten.

   Die Aufgabe, die Menschheit in den polarischen, hyperboreischen und lemurischen Epochen zu führen, war verhältnismäßig leicht. Der Mensch besaß damals keinen Intellekt. Als aber dieses beunruhigende Element im ersten

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   Teil der atlantischen Epoche hinzukam, entwikelte er die Schlauheit (cunning). Sie ist das Produkt des vom Geist uneingeschränkten Intellekts. Die Erfüllung des Wunsches wird durch Schlauheit unterstützt, ohne Rücksicht darauf, ob der Wunsch gut oder böse ist, ob er Freude oder Kummer verursacht.

   In der Mitte der atlantischen Epoche war der Geist vollständig in seine Träger eingezogen. Er begann nun am Intellekt zu arbeiten, um Gedanken- und Vernunfttätigkeit hervorzubringen. Er schuf so die Fähigkeit, aus einer gegebenen Ursache auf die unvermeidlichen Wirkungen zu schließen und an Hand einer gegebenen Wirkung die Ursache festzustellen, die sie hervorbrachte.

   Diese Fähigkeit der Schlußfolgerung oder der Logik sollte in der arischen Epoche noch weiter entwickelt werden. Daher waren die Ursemiten (die 5. Rasse der atlantischen Epoche) ein auserwähltes Volk. Sie hatten die keimende Begabung zu einer Reife zu entwickeln, die direkt den Charakter ihrer Nachkommen durchdringen würde, wodurch diese zu der neuen Rasse werden würden.

   Schlauheit (cunning) in Vernunft umzuwandeln, erwies sich als keine leichte Aufgabe. Es war einfach gewesen, die früheren Veränderungen in der Natur des Menschen hervorzurufen. Denn dieser war damals leicht zu leiten gewesen. Er hatte keine bewußten Wünsche und kein Intellekt führte ihn. Doch zur Zeit der Ursemiten war er schlau genug geworden, Einschränkungen seiner Freiheit als Übel zu empfinden und die Maßnahmen wiederholt zu umgehen, die ihn in Grenzen halten sollten. Die Aufgabe ihn zu leiten, war umso schwieriger, als es nötig war, ihm einige Wahlfreiheit zu lassen, damit er mit der Zeit Selbstbeherrschung erlerne. Daher wurde ein Gesetz erlassen, das für Gehorsam unmittelbare Belohnung und für Mißachtung seiner Anordnungen augenblickliche Bestrafung vorschrieb. So wurde der Mensch mit Geduld und Liebe davon überzeugt, belehrt und auch in einem gewissen Grad zu der Einsicht gezwungen, daß "der

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Weg "des Sünders schwer ist" und daß er "Gott" oder seinen ihn leitenden Führer "fürchten" müsse.

   Von allen, die als "Keime" für die neue Rasse auserwählt worden waren, blieben nur wenige treu. Die meisten von ihnen waren rebellisch, sie durchkreuzten die Absichten ihres (geistigen) Führers durch Heiraten mit anderen atlantischen Rassen, wodurch sie Blut in ihre Nachkommen brachten, das weniger entwickelt war (und nicht den Zielen entsprach). Davon spricht die Bibel im Bericht von den Söhnen Gottes, die Töchter der Menschen heirateten. Für diesen Akt des Ungehorsams wurden sie im Stich gelassen und gingen "verloren". Sogar die Treuen starben in bezug auf den Körper in der Wüste Gobi (der Wildnis) in Zentralasien, der Wiege unserer gegenwärtigen Rasse. Sie wurden als ihre eigenen Nachkommen wiedergeboren und erbten so "das Land der Verheißung" (oder das Gelobte Land), die Erde, wie sie jetzt ist. Es sind die arischen Rassen, in denen die Vernunft zur Vollkommenheit entwickelt werden wird.

   Die Rebellen, die verlassen wurden, waren die Juden, von denen die große Mehrheit immer noch eher durch die atlantische Schlauheit (cunning) als durch Vernunft geleitet werden. In ihnen ist das Rassengefühl so ausgeprägt, daß sie nur zwei Klassen von Menschen unterscheiden: Juden und Nichtjuden. Sie schätzen (despise) die anderen Nationen gering und werden von diesen wegen ihrer schlauen, egoistischen und geizigen Art wenig geachtet. Gewiß, auch sie spenden aus Barmherzigkeit, jedoch vornehmlich, wenn nicht ausschließlich gegenüber ihrem eigenen Volk und selten international, wie das z.B. bei der Erdbebenkatastrophe in Italien geschah, wo Schranken des Glaubens, der Rasse und der Nationalität im menschlichen Gefühl des Mitleids untergingen.

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   In solchen Fällen, wie zum Beispiel bei der Katastrophe von San Franzisko, offenbart sich die innere geistige Natur des Menschen stärker als unter anderen Umständen, und der aufmerksame Beobachter kann den Lauf der Entwicklung verfolgen. Hier beweisen die Tatsachen, daß wir trotz allem im Herzen die große Wahrheit anerkennen und wissen, daß wir Brüder und Schwestern sind. Der Schmerz des einen wird von allen empfunden, obwohl unsere Handlungen unter dem Druck des Alltagslebens das oft verleugnen. Solche Ereignisse weisen die Richtung der Evolution. Der Beherrschung des Menschen durch die Vernunft muß Beherrschung durch die Liebe folgen, die gegenwärtig unabhängig von der Vernunft und manchmal sogar der Vernunft entgegen handelt.

   Diese Anomalie entspringt daraus, daß unsere Liebe selten ganz selbstlos, und daß unsere Vernunft nicht immer klar ist. In dem "Neu-Galiläa" der kommenden sechsten Epoche wird auch die Liebe selbstlos werden. Ihre Taten werden daher auch stets vernunftgemäß sein. Dann wird eine universelle Bruderschaft verwirklicht werden. Jeder wird zum Wohl aller arbeiten, weil die Selbstsucht eine Angelegenheit der Vergangenheit sein wird.

   Damit dieses wünschenswerte Ziel erreicht werden kann, ist es erforderlich, aus der gegenwärtigen Menschheit ein anderes "auserwähltes Volk" als Kern für die neue Rasse auszuwählen. Diese Auswahl kann nicht gegen den Willen des Auserwählten geschehen. Jeder Mensch hat für sich selbst zu wählen. Er muß bereitwillig in die Reihen eintreten.

   Die Rassen sind nur eine vorübergehende Erscheinungsform der Evolution. Vor dem Ende der lemurischen Epoche gab es ein "auserwähltes Volk", das sich von der Durchschnittsmenschheit jener Tage unterschied und zu den Vorfahren der atlantischen Rassen wurde. Aus der fünften dieser Rassen ging ein anderes "auserwähltes Volk" hervor. Von ihm stammten die arischen Rassen ab, von denen es bisher fünf gab, zwei weitere werden folgen. Aber ehe eine neue Epoche eintreten kann, muß ein "neuer Himmel und

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eine neue Erde" vorhanden sein. Die physischen Merkmale der Erde werden sich ändern und ihre Dichte abnehmen. Zu Beginn der nächsten Epoche wird nur noch eine Rasse bestehen, doch nach dieser wird jedes Rassendenken und Rassenfühlen vergehen. Die Menschheit wird wieder, ohne Rücksicht auf Unterschiede, eine große Gemeinschaft bilden. Rassen sind einfach nur Stufen in der Evolution, die man ersteigen muß, sonst gäbe es keinen Fortschritt für die in den Rassen wiedergeborenen Geistwesen. Aber wenn sie auch nötige Stufen sind, so sind sie dennoch sehr gefahrvoll und daher der Grund großer Sorge für die (geistigen) Führer der Menschheit. Sie nennen diese sechzehn Rassen "die sechzehn Pfade der Vernichtung".

   In den vorhergehenden Epochen fanden die Veränderungen in so ungeheuren Zeiträumen statt, daß es leichter war, die Mehrheit der Wesen auf den Weg des Fortschritts zu bringen. Mit den Rassen jedoch ist das anders. Sie sind verhältnismäßig vergänglich. Deshalb muß ganz besondere Sorgfalt darauf verwendet werden, daß so wenige Geistwesen wie möglich in die Fesseln der Rassen verstrickt werden. Dieser Verstrikung verfielen die Geistwesen, welche in den jüdischen Rassenkörpern reinkarnierten. Viele hingen so fest an der Rasse, daß sie in aufeinanderfolgenden Geburten wieder in diese zurückgezogen wurden. "Einmal ein Jude, immer ein Jude", ist ihr Wahlspruch. Sie vergaßen ihre geistige Natur und rühmen sich der materiellen Realität, "Abrahams Same" zu sein. Darum sind sie weder "Fisch noch Fleisch". Sie haben noch keinen Anteil an der fortschreitenden arischen Rasse und dennoch stehen sie über den noch unter uns weilenden Resten der lemurischen und atlantischen Völker. Sie sind ein Volk ohne Land geworden, eine Anomalie unter der Menschheit.

   Auf Grund ihrer Gebundenheit an die Rassenidee mußte sie ihr einstiger Führer verlassen, wodurch sie "verloren" gingen. Damit sie aufhören sollten, sich von den anderen Völkern als getrennt zu betrachten, wurden durch die Menschheitsführer mehrmals andere Nationen gegen sie aufgestachelt. Sie wur-

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den aus dem Land, in dem sie sich angesiedelt hatten, gefangen und fortgeführt. Doch sie widersetzten sich halsstarrig einer Verschmelzung mit anderen Völkern. Wieder und wieder kehrten sie geschlossen in ihr dürres Land zurück. Propheten ihrer eigenen Rasse wurden erweckt, die sie erbarmungslos tadelten und ihnen furchtbares Unheil verkündeten, doch ohne Erfolg.

   Als letzten Versuch, sie zu überzeugen, daß sie sich der Ketten der Rassenidee entledigen, haben wir die scheinbare Ungewöhnlichkeit, daß der Führer der kommenden Rasse, Christus, unter den Juden erschien. Dies zeigt das Mitleid und die Weisheit der großen Wesen, welche die Evolution lenken. Unter den Rassen der Erde war in diesem Sinn keine andere so "verloren" wie die Juden, keine andere bedurfte so sehr der Hilfe. Ihnen einen Fremden, keinen Abkömmling ihrer Rasse zu senden, wäre von vornherein nutzlos gewesen. Man mußte im voraus annehmen, daß sie ihn zurückweisen würden. So wie der große Geist, der als Booker T. Washington bekannt ist, sich unter den Negern inkarnierte, damit sie ihn als einen der ihren aufnehmen sollten, und es ihm so möglich war, sie aufzuklären, wie kein Weißer das gekonnt hätte, so hofften die großen Menschheitsführer, daß die Erscheinung des Christus unter den Juden sie veranlassen könnte, ihn und seine Lehren anzunehmen. Auf diese Weise sollten sie der Verstrickung ihrer Rassenkörper entzogen werden. Doch es ist traurig zu sehen, wie das menschliche Vorurteil den Sieg davontragen kann.

   "Er erschien unter den Seinen und sie wählten Barabbas." Er verherrlichte nicht Abraham noch sonst einen anderen aus ihren alten Überlieferungen. Er sprach von einer "anderen Welt", von einer neuen Erde, von Liebe und Vergebung und wies die Regel "Auge um Auge" zurück. Er rief sie nicht zu Waffengewalt gegen Cäsar auf. Hätte er es getan, so hätten sie ihn als Befreier begrüßt. In dieser Hinsicht wurde er sogar von seinen Jüngern mißverstanden, die ebensosehr über ihre dahingeschwundene Hoffnung auf ein Königreich dieser Welt trauerten, wie über den Freund, der durch Römerhand erschlagen wurde.

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   Die Zurückweisung Christi durch die Juden war der überlegene Beweis ihrer Rassenknechtschaft. Von da ab wurden alle Anstrengungen, sie durch besondere Propheten und Lehrer als ein Ganzes zu retten, aufgegeben. Da sich die Nutzlosigkeit, sie als Gesamtheit zu verbannen, erwiesen hatte, wurden sie als letztes Hilfsmittel, unter die Völkerschaften der Erde zerstreut. Aber trotz allem hat sich die unglaubliche Zähigkeit dieses Volkes selbst bis zum heutigen Tag erhalten. Die Mehrheit der Juden ist jetzt noch orthodox (1909). In Amerika läßt sich aber in letzter Zeit ein leichter Abfall feststellen. Die jüngere Generation beginnt, außerhalb der Rasse zu heiraten. So wird es mit der Zeit eine immer größere Zahl von Körpern mit zunehmend weniger Rasseneigentümlichkeiten für die sich wiederverkörpernden Juden der Vergangenheit geben. Auf diese Weise wird das Volk sich selbst zum Trotz gerettet werden. Sie gingen "verloren" durch das Einheiraten in untergeordnete Rassen; sie werden gerettet werden durch Verschmelzung mit fortgeschritteneren Rassen.

   Die gegenwärtigen arischen Rassen sind vernünftig denkende, menschliche Wesen. Sie sind fähig, durch frühere Erfahrungen zu gewinnen. Indem man ihnen von früheren Entwicklungsstufen und dem Schicksal, welches die ungehorsamen Juden ereilte, erzählt, gibt man ihnen ein logisches Hilfsmittel. Diese Rebellen hatten eine schriftliche Aufzeichnung, aus der sie erfuhren, wie ihre (geistigen) Führer sie behandelt hatten. Sie zeigte, wie sie auserwählt worden waren, wie sie sich auflehnten, gestraft wurden und doch auf eine endliche Erlösung hofften.

   Diese Berichte können von uns mit Erfolg benutzt werden, damit wir sehen, wie wir nicht handeln sollten. Es ist unwesentlich, daß sie im Lauf der Zeit verstümmelt wurden und daß die Juden unserer Tage noch in der Vorstellung leben, auch noch jetzt ein auserwähltes Volk zu sein. Die Lehren, die aus ihren Erfahrungen gezogen werden können, verlieren dadurch nicht an Wert. Wir können lernen, wie ein "auserwähltes Volk" seinen Führer quälen und seine Pläne

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vernichten kann, und wie es so durch lange Zeitläufe an die Rasse gebunden zu werden vermag. Ihre Erfahrungen sollten jedem künftigen "auserwählten Volk" zur Warnung dienen. Das spricht Paulus in nicht mißzuverstehenden Worten aus: "Denn so das Wort fest geworden ist, das durch die Engel geredet ist, und eine jegliche Übertretung und jeder Ungehorsam seinen rechten Lohn empfangen hat, wie wollen wir entfliehen, so wir ein solches Heil nicht achten?" (Hebr. 2, 2/3)

   Paulus sprach hier zu Christen, denn die Hebräer, denen er das schrieb, waren zum Christentum bekehrt. Es waren Menschen, von denen er erwartete, daß sie in irgendeinem kommenden Erdenleben dem neuen "auserwählten Volk" angehören würden. Ein Volk, das gerne einem Führer folgend, die Fähigkeit der Liebe und der geistigen Wahrnehmung entwickelt, die Intuition, welche an die Stelle von Selbstsucht und Menschenverstand treten soll.

   Die christlichen Lehren des Neuen Testamentes eignen sich besonders für die Wegbereiterrassen der westlichen Welt. Sie werden vor allem dem Volk der Vereinigten Staaten eingeprägt. Das Ziel der neuen Rasse der sechsten Epoche wird die Vereinigung aller Rassen sein. Die Vereinigten Staaten werden zum "Schmelztiegel", in dem alle Nationen der Erde vereint werden. In erster Linie soll aus dieser Rassenmischung der Kern des nächsten "Auserwählten Volkes" hervorgehen.

   Hier in den Vereinigten Staaten werden aus allen Ländern der Erde jene Geister wiedergeboren, welche sich bemüht haben, den christlichen Lehren zu folgen, sei es nun bewußt oder unbewußt. Hier werden ihnen die zu dieser Entwicklung nötigen Bedingungen gegeben. Darum unterscheidet sich der in Amerika geborene Jude von den Juden der anderen Länder. Schon die Tatsache, daß er in der Welt des Westens wiedergeboren wird, zeigt, daß er sich in der Loslösung vom Rassengeist befindet. Er ist dem orthodoxen Juden, der sich in der alten Welt kristallisiert hat, voraus, so wie seine Eltern

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es waren, denn sonst hätten sie nicht den Gedanken gefaßt, die alten Ketten zu brechen und nach Amerika auszuwandern (1909). Darum ist der in Amerika geborene Jude der Pionier, der den Pfad bereiten wird, auf dem die anderen aus seinem Volk später folgen werden.

   So können wir sehen, daß die Bibel jene speziell für die westlichen Völker nötigen Lehren enthält, damit sie eine Belehrung aus dem schrecklichen Beispiel der jüdischen Rasse erhalten, wie es im Alten Testament aufgezeichnet ist, und daß sie nach den Lehren Christi aus dem Neuen Testament zu leben lernen, willig ihre Körper darzubringen als ein lebendes Opfer auf dem Altar der Gemeinschaft und der Liebe.

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XIV. Die okkulte Analyse der Genesis (1. Mose)

Die Begrenzungen der Bibel

   Vor dem 13. Kapitel wurde verhältnismäßig wenig Bezug auf die Bibel genommen, was wir nun nachholen wollen. Es soll keine Rechtfertigung der Bibel (in der Form wie sie in unseren Tagen in der Allgemeinheit bekannt ist) in dem Sinn vorgenommen werden, als sei sie das einzig wahre und inspirierte Wort Gottes. Dennoch ist es wahr, daß sie viel wertvolles okkultes Wissen enthält. Dieses ist zum größten Teil unter Einfügungen verborgen und durch willkürliches Vorenthalten verschiedener als "apokryph" geltender Teile verdunkelt.

   Der okkulte Wissenschaftler, der die bestimmte Bedeutung kennt, kann allerdings leicht ersehen, welche Teile die ursprünglichen und welche eingeschobene sind. Und doch, wenn wir das erste Kapitel der Genesis in der besten Übersetzung, die wir besitzen, vornehmen, werden wir finden, daß sie den gleichen Evolutionsplan enthüllt, der in dem vorhergehenden Teil dieses Werkes erklärt worden ist. Es stimmt vollkommen mit den okkulten Informationen über die Perioden, Weltkreisläufe, Rassen usw. überein. Die gegebenen Umrisse sind äußerst kurz und von konzentriertem Charakter, eine ganze Periode wird mit einigen Worten abgetan. Die Umrisse sind aber dennoch vorhanden.

   Ehe wir mit einer Analyse beginnen, muß erwähnt werden, daß die Worte der hebräischen Sprache, insbesondere die des alten Stils, ineinanderfließen und nicht, wie in unseren Sprachen getrennt sind. Ferner pflegte man die Vokale beim Schreiben auszulassen, so daß beim Lesen sehr viel davon abhängt, wo und wie sie eingeschaltet werden. Und es wird gezeigt werden, wie groß die Schwierigkeiten sind, den

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ursprünglichen Sinn sicher festzustellen. Eine kleine Umstellung kann beinahe den Sinn eines jeden Satzes ändern.

   Zusätzlich zu den vorerwähnten großen Schwierigkeiten müssen wir noch feststellen, daß von den 47 Bibelübersetzern der sogenannten King James Lesart (die in England und Amerika am gebräuchlichsten ist) nur drei des Hebräischen mächtig waren. Von diesen dreien starben zwei, ehe die Psalmen übersetzt waren. Wir müssen weiter noch in Erwägung ziehen, daß die Erlaubnis zur Übersetzung nur unter der Bedingung erteilt wurde, daß der Übersetzer nichts in seine Wiedergabe hineinbrachte, was von der bereits bestehenden Auslegung ablenkt oder sie stört.

   Unter diesen Umständen ist es klar, daß die Aussichten, eine genaue Übersetzung zu erhalten, in der Tat sehr gering waren. Auch in Deutschland waren die Bedingungen nicht viel günstiger, denn auch hier gab es verschiedene Übersetzer; selbst Martin Luther übersetzte nicht aus dem ursprünglichen Hebräisch, sondern hauptsächlich aus dem lateinischen bzw. aus dem griechischen Text. Die meisten Lesarten, die in protestantischen Ländern des Festlandes gegenwärtig gebraucht werden, sind einfach Übertragungen der lutherischen Übersetzung in verschiedene Sprachen.

   Es ist wahr, daß Revisionen stattgefunden haben. Sie haben aber keine wesentlichen Verbesserungen gebracht. In Nordamerika gab es außerdem eine große Anzahl von Menschen, die darauf bestanden, daß der englische Text der King James Lesart eine beglaubigte Kopie des Urtextes wäre. So sind die alten Fehler, trotz aller Anstrengungen sie auszumerzen, noch vorhanden.

   Man muß ferner bemerken, daß die ursprünglichen Verfasser der Bibel nicht die Absicht hatten, die Wahrheit in so eindeutiger Form herauszugeben, daß jeder sie lesen könne. Nichts lag ihnen ferner, als ein offenes Buch Gottes zu schreiben. Die großen Okkultisten, die den Zohar schrieben, legten auf diesen Punkt sehr großen Wert. Die Geheimnisse

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der Thorah sollten nicht von allen verstanden werden, wie wir aus folgendem Zitat ersehen können.

   "Wehe dem Menschen, der in der Thorah (dem Gesetz) nur einfache Berichte und gewöhnliche Worte sieht. Denn wenn es in Wahrheit nur solche enthielte, so könnten wir heute eine Thorah zusammensetzen, die bewundernswerter wäre. Aber so ist es nicht. Jedes Wort der Thorah enthält eine erhabene Bedeutung und ein großes Mysterium .... Die Berichte der Thorah sind das Gewand der Thorah. Wehe dem, der das Gewand der Thorah für die Thorah selbst nimmt .... Der Einfältige bemerkt nur die Gewänder und Berichte der Thorah allein. Er kennt nichts anderes. Er sieht nicht, was sich unter dem Gewande verbirgt. Der mehrunterrichtete Mensch beachtet die Kleidung nicht, sondern den Körper, den sie einhüllt."

   In den vorhergehenden Worten wird die allegorische Bedeutung offen zugestanden. Auch Paulus sagt unzweideutig, daß die Geschichte von Abraham und den zwei Söhnen, die er von Sara und Hagar hatte, rein allegorisch sei (Gal. 4,22-26). Viele Schriftstellen sind verschleiert, andere sind wörtlich aufzufassen. Und keiner, der nicht den okkulten Schlüssel besitzt, findet die tiefe Wahrheit, die oftmals in einem unscheinbaren Gewand verborgen ist.

   Auch Christus wahrte Verschwiegenheit in bezug auf die tieferen Geheimnisse und sprach in Gleichnissen, wenn er die Menge des Volkes mit okkulten Wahrheiten in Berührung bringen wollte. Nur seinen Jüngern erklärte er den tieferen Sinn im Geheimen. Mehrfach gibt er ihnen auf, über solche geheime Mitteilungen zu schweigen.

   Auch die Methode des Paulus stimmt damit überein. Er gibt "Milch" (oder elementare Lehren) den "Säuglingen" im Glauben und behält das "Fleisch" oder die tieferen Lehren für die "Starken", für die, die sich als befähigt zum Verständnis und Empfang derselben erwiesen hatten. Die jüdische Bibel war ursprünglich hebräisch geschrieben, aber wir besitzen nicht eine einzige Zeile der ursprünglichen

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Schriften. Um das Jahr 280 vor Chr. entstand die Septuaginta, eine Übersetzung ins Griechische. Schon zur Zeit Christi herrschte die größte Verwirrung und Meinungsverschiedenheit darüber, was als Original und was als Einfügung anzusehen sei.

   Erst nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenchaft begannen die Schreiber die einzelnen Schriften zusammenzufassen. Der Talmud erschien erst 500 n. Chr. und lieferte den ersten Text, der dem gegenwärtigen ähnelt. Angesichts der vorhergehenden Fakten kann er aber nicht vollkommen sein.

   Der Talmud wurde dann von der Masoretenschule in die Hand genommen, die von 500 bis ungefähr 800 n. Chr. hauptsächlich in Tiberias blühte. Durch große und mühevolle Arbeit wurde ein hebräisches Altes Testament hervorgebracht, das dem ursprünglichen Text, den wir jetzt besitzen, am nächsten kommt.

   Dieser masoretische Text soll in den folgenden Erläuterungen der Genesis als Grundlage dienen, und ohne sich auf die Arbeit eines einzelnen Übersetzers zu verlassen, soll er durch eine deutsche Übersetzung, die Arbeit dreier hervorragender hebräischer Gelehrter, H. Arnheim, M. Sachs und Jul. Fürst, die in Verbindung mit einem vierten, dem Herausgeber Dr. Zunz, zusammenwirkten, unterstützt werden.


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