Die
Rosenkreuzer-Weltanschauung

von Max Heindel




  SEITE 499

  

Die Zahl des Tieres

   Dem Blick des geübten Hellsehers, des Eingeweihten in die verschiedenen Grade der Mysterien, erscheint die Erde in Schichten gebaut, ähnlich wie eine Zwiebel, eine Schicht legt sich über die andere. Die Erde hat neun solcher Lagen und das innere Herz, was im ganzen zehn macht. Diese Schichten werden dem Eingeweihten nach und nach enthüllt. Bei jeder Einweihung wird ihm eine Schicht zugänglich, so daß er am Ende der neun kleineren Einweihungen Meister aller Schichten ist, jedoch noch immer keinen Zutritt zu den Geheimnissen des Herzens (des Kerns) besitzt.

   In der alten Redeart heißen diese neun Schritte die "kleineren Mysterien". Sie führen den Neophyten (Neuling) bewußt

  SEITE 500

durch alles, was sich auf seine vergangene Entwicklung und auf die Tätigkeit der Existenz während der Zeit der Involution bezieht, so daß er die Art und den Sinn der Arbeit verstehen lernt, die er damals unbewußt verrichtete. Er erfährt, wie die gegenwärtige neunfache Zusammensetzung (der dreifache Körper, die dreifache Seele und der dreifache Geist) ins Sein traten, wie die großen schöpferischen Hierarchien an den jungfräulichen Geistern arbeiteten, in ihnen das Ego erweckten und ihnen halfen den Körper zu bilden, und auch welche Arbeit der Mensch geleistet hat, um aus dem dreifachen Körper so viel von der dreifachen Seele herauszuziehen, wie er gegenwärtig besitzt. Einen Schritt nach dem andern wird er durch die neun Stufen der kleineren Mysterien, durch die neun Schichten der Erde hindurchgeführt.

   Die Zahl 9 ist die Grundzahl unseres gegenwärtigen Entwicklungszustandes. Sie hat eine besondere Bedeutung in unserem System, die keine andere Zahl hat. Sie ist die Zahl Adams, des Lebens, das den menschlichen Zustand während der Erdperiode erreichte. Im Hebräischen sowie im Griechischen gibt es keine Zahlenzeichen, doch hat ein jeder Buchstabe auch einen Zahlenwert. Im Hebräischen heißt Adam "ADM". Der Wert von "A" ist eins, von "D" vier und von "M" vierzig. Zählen wir diese Zahlen zusammen, so erhalten wir: 1 + 4 + 4 + 0 = 9, die Zahl Adams oder der Menschheit.

   Wenn wir uns von der Genesis (1. Mose), die sich mit der Erschaffung des Menschen in grauer Vergangenheit befaßt, dem Buch der Offenbarungen zuwenden, das seine künftigen Vervollkommnungen behandelt, so finden wir als Zahl des Tieres, "dem gegeben ward zu streiten" (Off. Joh. 13,7): 666. Zählen wir diese Ziffern zusammen, 6 + 6 + 6 = 18, und weiter: 1 + 8 = 9, dann erhalten wir wieder die Zahl der Menschheit, die selbst Ursache allen Übels ist, das sie an ihrem eigenen Fortschritt hindert. Gehen wir zur Zahl derer über, die gerettet werden sollen, so finden wir, daß sie 144.000 ist. Wenn man wie früher zusammenzählt, so

  SEITE 501

erhalten wir wieder: 1 + 4 + 4 + 000 = 9, wieder die Zahl der Menschheit. Dadurch wird praktisch gezeigt, daß sie in ihrer Ganzheit gerettet werden soll. Die Zahl der für den Fortschritt in unserer gegenwärtigen Evolution Unfähigen ist im Vergleich zum großen Ganzen außerordentlich gering, und selbst die, welche versagen, sind nicht verloren, sondern werden mit einer späteren Lebenswoge fortschreiten.

   Das Bewußtsein der Mineralien und der Pflanzen ist in Wahrheit Unbewußtheit. Der erste Schimmer des Bewußtseins beginnt im Tierreich. Wir haben auch gesehen, daß es im Tierreich nach den modernsten Klassifizierungen 13 Klassen gibt (1909). Drei Klassen von Strahltieren, drei Klassen der Mollusken, drei Klassen von Gliedertieren und vier Klassen von Wirbeltieren.

   Wenn wir die gewöhnliche Menschheit als eine Klasse für sich betrachten und uns erinnern, daß 13 Einweihungen zwischen dem Menschen und Gott liegen von der Zeit an, in der er begann, eine selbstbewußte, schöpferische Intelligenz zu sein, so haben wir wieder die Zahl 9: 13 + 1 + 13 = 27, 2 + 7 = 9.

   Die Zahl 9 ist auch in dem Alter des Jesus Christus verborgen; 33: 3 x 3 = 9, und ebenso in den 33 Graden der Freimaurer. In alten Zeiten war das Freimaurertum ein System der Einweihung in die kleineren Mysterien, die, wie wir gesehen haben, 9 Grade haben, doch schreiben die Eingeweihten oft von 33 Graden. Ebenso liest man vom 18. Grad der Rosenkreuzer, was nur eine "Blendung" der Uneingeweihten war, denn in keinem kleineren Mysterium sind jemals mehr als 9 Grade. In den Graden der Freimaurer unserer Tage ist nur noch sehr wenig vom okkulten Ritus erhalten.

   Wir haben auch die 9 Monate der Schwangerschaft. Während dieser Zeit wird der menschliche Körper bis zu seinem gegenwärtigen Grad der Brauchbarkeit aufgebaut; auch befinden sich in unserem Körper neun Öffnungen: zwei

  SEITE 502

Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, ein Mund und die zwei unteren Öffnungen.

   Wenn der fortschreitende Mensch durch die neun kleineren Einweihungen hindurchgegangen ist und dadurch Zugang zu allen Schichten der Erde gewonnen hat, so muß noch der Zutritt in das Innerste der Erde erlangt werden. Dieses eröffnet sich ihm bei der ersten großen Einweihung, in der er das Mysterium des Intellekts kennenlernt, jenen Teil seines Wesens, der auf der Erde begann. Wenn er für die erste große Einweihung bereit ist, so hat er seinen Intellekt in einem solchen Grad entwikelt, wie ihn zu erreichen die Bestimmung aller Menschen während der Erdperiode ist. In dieser Einweihung erhält er den Schlüssel zur folgenden, und alle Arbeit, die er von hier an leistet, wird im allgemeinen auch von der Menschheit während der Jupiterperiode geleistet werden und betrifft uns gegenwärtig nicht.

   Nach seiner ersten großen Einweihung ist er ein Adept. Die zweite, dritte und vierte Einweihung gehören der Entwicklungsstufe an, die von der allgemeinen Menschheit während der Jupiter-, Venus- und Vulkanperiode erreicht werden wird.

   Diese dreizehn Einweihungen werden symbolisch durch Christus und seine zwölf Apostel dargestellt. Judas Ischariot symbolisiert das verräterische Streben der niederen Natur des Neophyten (Neulings). Der Lieblingsjünger Johannes ist die Venuseinweihung, und Christus selbst stellt den göttlichen Eingeweihten der Vulkanperiode dar.

   In den verschiedenen Schulen der okkulten Wissenschaft sind auch die Riten der Einweihung verschieden, ebenso die Feststellungen über die Zahl der Einweihungen. Das ist aber lediglich eine Angelegenheit der Klassifikation. Man wird bemerken, daß unbestimmte Beschreibungen, die gegeben werden können, immer unbestimmter und allgemeiner werden, je höher man steigt. Wo man von sieben und mehr Graden spricht, wird von der sechsten Einweihung beinahe nichts gesagt, und überhaupt nichts von den darüberstehen-

  SEITE 503

den. Das beruht auf einer anderen Einteilung, die sechs Schritte der "Vorbereitung" und vier Einweihungen angibt, die den Kandidaten am Ende der Erdperiode zum Adepten- tum bringen. Außerdem muß es, wenn die Philosophie der jeweiligen Schule so weit geht, immer noch drei weitere geben. Der Verfasser weiß aber von niemandem als den Rosenkreuzern, die etwas von den drei Perioden, die der Erdperiode vorangingen, zu sagen hätten, außer der Feststellung, daß es solche Perioden gab. Sie werden ziemlich unbestimmt mit unserer gegenwärtigen Daseinsphase in Beziehung gebracht.

   Gleicherweise stellen andere okkulte Lehren einfach fest, daß noch weitere Evolutionspläne folgen werden, geben aber keine Einzelheiten. Selbstverständlich werden unter solchen Umständen die drei letzten Einweihungen nicht erwähnt.

   Diagramm 18 wird eine Vorstellung von der Anordnung der Erdschichten geben. Der innere Kern ist ausgelassen, um die Schleifenlinienbildung in der neunten Erdschicht deutlicher darzustellen. Im Diagramm werden die Schichten in gleicher Dicke dargestellt, obwohl in Wirklichkeit manche viel dünner als andere sind. Mit der Außenseite beginnend, erscheinen sie in folgender Anordnung:

1. Die mineralische Erde: Das ist die steinige Erdrinde, mit der sich die Geologie befaßt, soweit sie einzudringen vermag.

2. Die Flüssigkeitsschicht: Die Materie dieser Schicht ist flüssiger als die äußere Rinde, jedoch nicht wäßrig, sie gleicht eher einem dicken Teig. Sie hat die Eigentümlichkeit der Ausdehnung gleich einem sehr explosiven Gas und wird nur durch den ungeheuren Druck der äußeren Erdrinde zusammengehalten.

   Würde man diese entfernen, so verschwände die ganze flüssige Schicht im Raum mit einer furchtbaren Explosion. Diese Schicht entspricht der chemischen Region und der Ätherregion der physischen Welt.

  SEITE 504

3. Die Dampfschicht: In der ersten und zweiten Schicht besteht kein wirklich bewußtes Leben. In dieser Schicht ist aber ein immer flutendes und pulsierendes Leben, so wie in der Empfindungswelt, die unsere Erde durchdringt und umgibt.

4. Die Wasserschicht: In dieser Schicht sind die Keimmöglichkeiten für alles, was auf dieser Erde lebt und webt. Hier sind die Urtypenkräfte, die im Hintergrund der Gruppengeister stehen, auch die Urtypenkräfte der Mineralien, denn diese Schicht ist der unmittelbare physische Ausdruck der Region der konkreten Gedanken.

5. Die Keimschicht: Die materiellen Wissenschaftler sind in ihren Bestrebungen, den Ursprung des Lebens, das Entstehen der ersten lebenden Dinge aus der vorher toten Materie zu erforschen, oft getäuscht worden.

   In Wirklichkeit sollte bezüglich der okkulten Erklärung der Evolution die Frage lauten, wie denn die "toten" Dinge entstanden. Das Leben bestand, ehe die toten Formen da waren. Es baute seine Körper aus der verdünnten, nebelhaften Substanz, lange ehe diese sich zu der dichten Kruste der Erde zusammenzog. Erst als das Leben die Formen verlassen hatte, konnten sie sich kristallisieren, konnten hart und tot werden.

   Die Kohlen sind nur kristallisierte Pflanzenkörper. Die Koralle ist ebenfalls die Kristallisation tierischer Formen. Das Leben verläßt die Formen, und die Formen sterben. Das Leben kam niemals in eine Form, um sie zum Leben zu erwecken. Das Leben verließ die Form, und sie starb. So kamen die "toten" Dinge in die Welt.

   In dieser fünften Schicht ist die Urquelle des Lebens, aus welcher der Anstoß kam, alle Formen der Erde aufzubauen. Sie entspricht der Region der abstrakten Gedanken.

6. Die Feuerschicht: So sonderbar es erscheinen mag, diese Schicht ist mit Empfindung begabt. Vergnügen und Schmerz, Sympathie und Antipathie beeinflussen von hier aus die

  SEITE 505

Erde. Man setzt im allgemeinen voraus, daß die Erde unmöglich irgendwelche Empfindungen haben kann. Wenn aber der Okkultist im Herbst die Ernte der reifen Frucht von den Bäumen oder das Pflücken der Blumen wahrnimmt, so nimmt er gleichzeitig auch das Wohlgefühl wahr, das die Erde dabei selbst empfindet. Es ist dem Wohlgefühl einer Kuh ähnlich, wenn ihre strotzenden Euter vom saugenden Kalb erleichtert werden. Die Erde empfindet Freude, Nahrung für ihre Nachkommenschaft in der Natur hervorgebracht zu haben, und diese Freude erreicht zur Erntezeit ihren Höhepunkt.

   Werden die Pflanzen andererseits mit der Wurzel ausgerissen, so weiß der Okkultist, daß die Erde einen Schmerzensstich empfängt. Daher genießt er die Pflanzennahrung nicht, die unter der Erde wächst. In erster Linie ist sie voller Erdkraft, ihr mangelt es an Sonnenenergie. Außerdem wird sie vergiftet, indem sie mit der Wurzel herausgezogen wird. Die einzige Ausnahme ist die Kartoffel, die er sparsam genießen kann, da sie ursprünglich auf der Oberfläche der Erde wuchs und erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit unter der Erde zu wachsen begann. Die Okkultisten sind bestrebt, ihren Körper durch Früchte zu ernähren, die sich zur Sonne strecken, weil sie mehr Sonnenkraft enthalten und der Erde keinen Schmerz verursachen.

   Man könnte vermuten, daß der Bergbau für die Erde sehr schmerzlich ist. Gerade das Gegenteil ist der Fall, jede Durchbrechung der Erdkruste verursacht ein Gefühl der Befreiung und jede Verdichtung ist eine Quelle des Schmerzes. Wo ein Gebirgsstrom das Erdreich fortspült und ihn zur Ebene trägt, fühlt sich die Erde freier. Wo die gelöste Materie wieder abgelagert wird, wie in den Sandbänken an der Mündung großer Flüsse, besteht ein entsprechendes Gefühl des Unbehagens.

   Wie die Menschen und Tiere ihre Sinneswahrnehmung ihrem gesonderten Lebensleib verdanken, so ist das Gefühl der Erde besonders in der sechsten Schicht tätig, die der

  SEITE 506

Welt des Lebensgeistes entspricht. Um das Wohlbehagen zu verstehen, das verspürt wird, wenn Bergarbeiten den starren Felsen durchbrechen, und den Schmerz, wenn sich Schwemmprodukte ablagern, müssen wir uns daran erinnern, daß die Erde der dichte Körper eines großen Geistes (spirit) ist. Um uns passende Lebensmöglichkeiten zum Sammeln unserer Erfahrungen bereitstellen zu können, mußte er seinen Körper in den gegenwärtigen festen Zustand kristallisieren.

   Mit dem Fortschritt der Evolution, in der sich der Mensch die Lehren aneignet, die auf diesem Höhepunkt der Verdichtung gegeben werden können, wird die Erde immer weicher und ihr Geist immer freier werden. Das meinte Paulus, als er von der ganzen Schöpfung sprach, die seufzend und arbeitend dem Tag der Befreiung entgegengehe.

7. Die widerspiegelnde Schicht: Dieser Teil der Erde entspricht der Welt des göttlichen Geistes. Dort befindet sich das, was man in der okkulten Wissenschaft als die "sieben unaussprechlichen Geheimnisse" bezeichnet. Denen, die mit diesen Geheimnissen nicht bekannt sind und die keine Ahnung von ihrer Bedeutung haben, müssen die Eigenschaften dieser Schicht besonders absurd und grotesk erscheinen. In ihr bestehen all die Kräfte, die uns als die "Naturgesetze" bekannt sind, als moralische oder besser gesagt, als unmoralische Kräfte.

   Zu Beginn der bewußten Laufbahn des Menschen waren sie viel schlimmer, als sie es jetzt sind. Es scheint aber, daß diese Kräfte sich ebenfalls verbessern, wenn die Menschheit an Moral zunimmt. Jeder Verstoß gegen die Moral führt dazu, diese Naturkräfte loszulassen und auf der Erde Verwüstungen anzurichten. Das Streben nach höheren Idealen mildert ihre feindliche Einstellung zur Menschheit.

   So sind die Kräfte in dieser Schicht zu jeder Zeit eine genaue Spiegelung des moralischen Zustandes der Menschheit. Vom okkulten Standpunkt aus war die "Hand Gottes", die Sodom und Gomorrah verwarf, kein törichter Aber-

  SEITE 507

glaube. Denn so sicher wie jeder einzelne die guten und schlechten Früchte seiner Handlungen, entsprechend seiner persönlichen Verantwortung dem Gesetz der Ursache und Wirkung gegenüber erntet, so gibt es auch eine Verantwortlichkeit für die Gemeinschaften der Völker. Gemeinsame Handlungen ganzer Menschengruppen rufen entsprechende Wirkungen hervor.

   Die Naturkräfte sind die ausübenden Organe dieser wiedervergeltenden Gerechtigkeit. Sie veranlassen Fluten, Erdbeben oder wohltätige Ansammlungen von Öl oder Kohle, die einzelnen Volksteilen ihren Verdiensten entsprechend zugute kommen.

8. Die Atomistische Schicht: Das ist der Name, den die Rosenkreuzer dieser achten Schicht gegeben haben, welche der Ausdruck der Welt der jungfräulichen Geister (spirits) ist. Sie scheint die Fähigkeit zu haben, die Dinge in sich zu vervielfältigen. Dies gilt jedoch nur für diese Dinge, die fest umrissen geformt worden sind. Ein ungeformter Holzklotz oder ein unbehauener Stein hat hier keine Existenz, aber auf alles, was geformt wurde, was Leben oder Form hat (wie eine Blume oder ein Bild), übt diese Schicht ihre Wirkung aus, um es in einem erstaunlichen Grad zu vervielfältigen.

9. Der Materielle Ausdruck des Erdgeistes: Hier befinden sich die schleifenförmigen (Lemniskate) Ströme, die innig mit dem Gehirn, dem Herzen und den Geschlechtsorganen der menschlichen Rasse verbunden sind. Diese Schicht entspricht der Welt Gottes.

10. Das Zentrum des Seins des Erdgeistes: Darüber kann gegenwärtig nicht mehr gesagt werden, als daß es der allerletzte Keimgrund all dessen ist, was in und auf der Erde besteht, und daß es dem Absoluten entspricht.

   Von der sechsten oder der Feuerschicht führen eine Anzahl von Mündungen zur Oberfläche der Erde, deren äußere Endungen "vulkanische Krater" genannt werden.

  SEITE 508

   Wenn die Naturkräfte in der siebten Schicht entfesselt werden, so daß sie in vulkanischen Ausbrüchen hervorstürzen können, setzen sie die feurige (sechste) Schicht in Bewegung. Diese Bewegung setzt sich bis zum Mund des Kraters fort. Die Masse der ausströmenden Materie wird der zweiten Schicht entnommen, denn sie ist der dichtere Doppelgänger der sechsten Schicht, so wie der Lebensleib, der zweite Träger des Menschen, das dichtere Ebenbild des Lebensgeistes, des sechsten Prinzipes, ist.

   Diese flüssige Schicht, der Ausdehnbarkeit und Explosivkraft zu eigen ist, sichert den Eruptionen einen unbegrenzten Vorrat an Material. Die Berührung mit der Außenwelt verhärtet den Teil des Materials, der nicht in den Raum hinausgewirbelt wird und bildet Lava und Staub, bis endlich, so wie das gerinnende Blut einer Wunde, das Fließen sich selbst hemmt und stillt und die Lava die Öffnung der inneren Erdteile versiegelt.

   Wie man schon aus der Tatsache schließen kann, daß es die widergespiegelten unmoralischen und ungeistigen Tendenzen des Menschen sind, welche die Naturkräfte in der siebten Erdschicht zu vernichtender Tätigkeit erweken, so unterliegen gewöhnlich auch lasterhafte und entartete Menschen diesen Katastrophen. Sie werden durch übermenschliche Kräfte zusammen mit denen, deren selbsterzeugtes Schicksal unter dem Gesetz der Ursache und Wirkung einen gewaltsamen Tod erfordert, aus verschiedenen Ländern an der Ausbruchsstelle versammelt. Die Ausbrüche des Vesuv z.B. werden für den Nachdenkenden eine Bestätigung dieser Feststellung sein.

   Eine Liste der Ausbrüche, die seit den letzten 2000 Jahren stattfanden (bis 1909) zeigt, daß ihre Zahl mit der Zunahme des Materialismus wuchs. Besonders in den letzten 60 Jahren haben, in dem Maß, wie die Anmaßung der materialistischen Wissenschaft wuchs, die alles Geistige verneint und leugnet, die Zahl der Ausbrüche zugenommen.

  SEITE 509

  

Diagramm 18: Die Zusammensetzung der Erde

  SEITE 510

   Während in den ersten 1000 Jahren nach Christus nur 6 Ausbrüche stattfanden, haben sich die letzten 5, wie gezeigt werden wird, innerhalb von 51 Jahren ereignet (Stand 1909).

   Der erste Ausbruch während der christlichen Zeitrechnung vernichtete Herkulanum und Pompeji und brachte Plinius den Älteren (79 n. Chr.) ums Leben. Die anderen Eruptionen folgten in den Jahren 203, 472, 512, 652, 982, 1036, 1158, 1500, 1631, 1737, 1794, 1822, 1855, 1872, 1885, 1891, 1906.

   In den ersten 1000 Jahren waren 6 Ausbrüche, in den zweiten 1000 Jahren waren es 12, von denen die letzten 5 innerhalb der letzten 51 Jahre erfolgten, wie bereits festgestellt wurde.

   Von den gesamten 18 Ausbrüchen fanden die ersten neun im sogenannten "dunklen Zeitalter" statt. Das waren die 1600 Jahre, während derer die westliche Welt von denen beherrscht wurde, die gewöhnlich "Heiden" hießen, oder von der römisch-katholischen Kirche. Der Rest hat während der letzten 300 Jahre stattgefunden, während derer der Beginn und der Ausbau der modernen Wissenschaft mit ihren materialisierenden Tendenzen fast die ganze Geistigkeit aus der Welt vertrieben hat, besonders in der letzten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Daher fiel beinahe ein Drittel der gesamten Ausbrüche in diese Zeit.

   Um diesem entsittlichenden Einfluß entgegenzuarbeiten, wurde an die Menschheit während dieser Zeit von den Älteren Brüdern der Weisheit, die immer zum Segen der Menschheit arbeiten, ein großer Teil okkulter Belehrungen ausgegeben. Man hofft, daß es durch die Offenbarung dieser Erkenntnisse und durch die Erziehung jener Wenigen, die sie in sich aufnehmen wollen, möglich sein wird, die Flut des Materialismus einzudämmen. Die Vertreter des Materialismus wären sonst ernsthaften Folgen ausgesetzt. Menschen, die lange das Vorhandensein alles Geistigen geleugnet haben, sind nicht imstande, ihr inneres Gleichgewicht zu finden, wenn sie entdecken, daß sie, wenn sie ihres dichten Körpers beraubt worden sind, doch noch am Leben sind. Diesen

  SEITE 511

Menschen kann ein Schicksal zuteil werden, das zu traurig ist, um mit Gleichgültigkeit betrachtet zu werden. Eine der Ursachen der gefürchteten "weißen Plage" ist dieser Materialismus, der vielleicht nicht einmal im gegenwärtigen Leben des Menschen besonders nachweisbar zu sein braucht, der aber das Resultat vergangener materialistischer Anschauungen und Behauptungen ist.

   Wir haben vom Tod Plinius des Älteren, zur Zeit der Zerstörung Pompejis, gesprochen. Es ist interessant, das Schicksal eines solchen Gelehrten zu verfolgen, nicht so sehr des Individuums, als des Lichtes wegen, das es auf die Art und Weise wirft, wie die Okkultisten im Gedächtnis der Natur lesen, wie die Eindrücke darauf hervorgebracht werden, und wie sich die Folgen der Vergangenheit in den gegenwärtigen Bestrebungen äußern.

   Wenn ein Mensch stirbt, so löst sich sein dichter Körper auf. Die Gesamtsumme seiner Kräfte kann aber in der siebten oder widerspiegelnden Erdschicht gefunden werden, von der man sagen kann, daß sie vergangene Formen als Kräfte aufbewahrt. Wenn wir die Todesstunde eines Menschen kennen und dieses Reservoir durchforschen, so ist es möglich, dort seine Form zu finden.

   Man findet sie nicht nur in der siebten Schicht, da die achte oder atomistische Schicht sie vervielfältigt, so daß jeder beliebige Typus von anderen wiederholt und abgeändert werden kann. So wird er wieder und immer wieder zur Bildung anderer Körper benutzt. Die Neigungen eines Gehirns wie Plinius des Älteren können 1000 Jahre später wiederholt und teilweise die Ursache der gegenwärtigen Flut materialistischer Gelehrter geworden sein.

   Für moderne materialistische Gelehrte gibt es noch viel zu lernen und zu verlernen. Obwohl sie bis aufs Äußerste das bekämpfen, was sie als "illusorische Ideen" der okkulten Gelehrten bezeichnen, werden sie doch gezwungen, deren Wahrheiten eine nach der anderen anzuerkennen und anzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie genötigt sein werden, sie alle anzuerkennen.

  SEITE 512

   Mesmer, der von den Älteren Brüdern gesandt wurde, ist restlos verlacht worden. Als aber die Materialisten die von ihm entdeckte Kraft "Hypnotismus" anstatt "Mesmerismus" nannten, wurde sie auf einmal "Wissenschaftlich".

   Im Jahre 1889 sagte Frau H. P. Blavatsky, eine treue Schülerin östlicher Meister, daß die Erde außer den zwei Bewegungen, die Tag und Nacht und die Jahreszeiten hervorbringen, eine dritte Bewegung habe. Sie sagte, daß die Bewegung der Erdachse durch eine Bewegung hervorgebracht wird, die mit der Zeit den Nordpol dorthin bringt, wo jetzt der Äquator ist, und dann dorthin, wo sich jetzt der Südpol befindet. Dieses, sagte sie, sei den alten Ägyptern bekannt gewesen, und die berühmte Planisphäre von Dendera zeige, daß sie Kenntnis von drei Bewegungen hatten. Diese Feststellungen wurden ebenso wie ihr unübertroffenes Werk "Die Geheimlehre" verschrien.

   Vor ein paar Jahren entdeckte ein Astronom, Herr G. E. Sutcliffe aus Bombay, daß Laplace in seinen Berechnungen einen Fehler gemacht habe, was er auch mathematisch nachwies. Die Entdeckung und Richtigstellung dieses Irrtums bestätigte mathematisch das Dasein einer dritten Erdbewegung, wie H. P. Blavatsky sie angeführt hatte. Sie lieferte auch eine Erklärung für die bisher verwirrende Tatsache, daß in der Polarzone die Überreste tropischer Tiere und Pflanzen gefunden wurden. Eine solche Bewegung muß unbedingt in entsprechender Zeit an allen Orten der Erde tropische Perioden und Eiszeiten erzeugen, wie es ihrer wechselnden Stellung der Sonne gegenüber entspricht.

   Herr Sutcliffe schickte der Zeitschrift "Nature" darüber einen Bericht. Diese Zeitschrift weigerte sich jedoch, ihn abzudrucken, und als der Autor seine Entdeckung schließlich in einer Flugschrift veröffentlichte, erregte er einen Sturm von Mißbilligung. Es war bekannt, daß er "Die Geheimlehre" eingehend studiert hatte. Das erklärt die feindliche Annahme und ihre Begleiterscheinungen, die seine Darstellung fand.

   Später aber konstruierte ein Franzose, der ein Mechaniker, aber kein Astronom war, einen Apparat, der die weitgehende

  SEITE 513

Möglichkeit einer solchen Bewegung darstellte. Der Apparat wurde in der Luisiana Purchase Exhibition in St. Louis ausgestellt und von M. Camille Flammarion als der Forschung wert, aufs wärmste begrüßt. Hier lag etwas Greifbares, etwas "Mechanisches" vor, und der Herausgeber des Der Monist, der zwar den Erfinder als einen Mann darstellte, der etwas unter "mystischen Illusionen" leide (er hatte nämlich behauptet, daß die alten Ägypter Kenntnis von dieser dritten Bewegung gehabt hätten), übersah dennoch großmütig diese Entgleisung und sagte, daß er deshalb den Glauben an die Theorie des Herrn Beziau nicht verloren habe. Er veröffentlichte einen Aufsatz und eine Erklärung des Herrn Beziau, worin diese Bewegung und ihre Wirkungen auf die Erde in ähnlichen Ausdrücken beschrieben wurden, wie Frau Blavatzky und Herr Sutcliffe sie angewandt hatten. Herr Beziau ist nicht ausdrücklich als ein Okkultist "deklariert", weshalb seine Entdeckung in Betracht gezogen wird.

   Man könnte viele Beispiele dafür anführen, daß okkulte Belehrungen später von der materialistischen Wissenschaft bestätigt wurden. Eine davon ist die Atomtheorie, die in den griechischen Philosophien und später in der "Geheimlehre" vertreten wird. Sie wurde dann 1897 angeblich von Professor Thomson "entdeckt".

   In Herrn A. P. Sinnett's wertvollem Werk "Das Wachstum der Seele", das 1896 veröffentlicht wurde, stellte der Autor fest, daß sich außerhalb der Bahn des Neptun zwei Planeten befinden, von denen jedoch seiner Ansicht nach nur einer von den Astronomen entdeckt werden würde. In der Zeitschrift Nature, August 1906, wird die Feststellung gemacht, daß Professor Barnard durch den 36zölligen (ca. 91 cm) Lick-Refractor (Lick Sternwarte in den USA) im Jahre 1892 einen solchen Planeten entdeckt habe. Er hatte sich darin durchaus nicht geirrt, hatte aber mit der Veröffentlichung der Entdeckung vierzehn Jahre gewartet. Darüber braucht man nicht bekümmert zu sein. Die Hauptsache ist, daß der Planet da ist, und daß A. P. Sinnett zehn Jahre zuvor, als Professor

  SEITE 514

Barnard den Anspruch erhob, ihn entdeckt zu haben, bereits in seinem Buch darüber geschrieben hatte. Vermutlich hätte vor 1906 die Ankündigung des neuentdeckten Planeten Unordnung in einige allgemein anerkannte Theorien gebracht!

   Es gibt viele solcher Theorien. Die Kopernikanische Theorie ist nicht absolut richtig, auch gibt es viele Tatsachen, die durch die bekannte Nebeltheorie allein nicht geklärt werden können. Der berühmte dänische Astronom Tycho Brahe wies die Kopernikanische Theorie zurück. Er hatte gute Gründe, dem Ptolemäischen System treu zu bleiben, weil die Bewegungen der Planeten darin durchaus richtig berechnet wurden, während die Kopernikanische Theorie eine Korrekturtabelle erforderte. Das Ptolemäische System ist vom Standpunkt der Empfindungswelt aus richtig und enthält manches in der physischen Welt Verwendbare.

   Von vielen werden die Feststellungen, die in den vorhergehenden Seiten gemacht wurden, als phantastisch angesehen. Sei dem so! Die Zeit wird allen die Kenntnis der hier dargestellten Tatsachen bringen. Dieses Buch ist nur für die wenigen geschrieben, die ihren Verstand von den Fesseln der orthodoxen Wissenschaft und der orthodoxen Religion befreit haben und die bereit sind, diese Lehren solange anzunehmen, bis bewiesen wurde, daß sie falsch sind.

  SEITE 515

  

XIX. Christian Rosenkreuz und der Orden der Rosenkreuzer

Alte Wahrheiten in modernem Kleid

   Da im Publikum ein weitverbreitetes Verlangen gefunden wurde, etwas über den Orden der Rosenkreuzer zu erfahren, und da die wichtige Stellung, welche die Brüder vom Rosenkreuz in der westlichen Zivilisation einnehmen, selbst bei unseren Schülern wenig verstanden wird, scheint es angezeigt, authentische Informationen zu diesem Thema zu geben.

   Alles in der Welt unterliegt Gesetzen, selbst unsere Evolution wird gesetzmäßig gelenkt. Geistige und körperliche Entwicklung gehen Hand in Hand. Die Sonne ist die physische Lichtquelle, und wie wir wissen, bewegt sie sich anscheinend von Ost nach West, um einem Teil der Erde nach dem anderen Licht und Wärme zu spenden. Die sichtbare Sonne ist aber nur ein Teil der Sonne, so wie der sichtbare Körper nur ein kleiner Teil des zusammengesetzten Menschen ist. Es gibt sowohl eine unsichtbare wie auch eine spirituelle Sonne, deren Strahlen das Seelenwachstum auf einem Teil der Erde nach dem andern fördern, so wie die physische Sonne das Wachstum der Form fördert. Die spirituellen Impulse bewegen sich in derselben Richtung wie die physische Sonne, von Ost nach West.

   Sechs oder sieben Jahrhunderte vor Christus wurde nahe den östlichen Ufern des stillen Ozeans eine neue Woge der Geistigkeit in Bewegung gesetzt, um den Chinesen Aufklärung zu bringen. Die Religion des Konfuzius hat bis auf unsere Tage viele Millionen Anhänger. Später finden wir diese Woge in der Religion Buddhas, einer Lehre, die dazu bestimmt war, das geistige Streben der Hindus und der westlichen Chinesen wachzurütteln. In ihrem westlichen Lauf erscheint sie unter den mehr intellektuellen Griechen in Form

  SEITE 516

der hohen Philosophie eines Pythagoras und Plato und dehnt sich endlich über die westliche Welt unter den Wegbereitern der menschlichen Rasse aus, wo sie die erhabene Form des Christentums annimmt.

   Die christliche Religion hat ihren Weg nach Westen bis zu den Ufern des stillen Ozeans genommen, wo die geistigen Bestrebungen gesammelt und verdichtet werden. Dort werden sie ihren Höhepunkt erreichen, ehe sie einen neuen Sprung über den Ozean tun, um im Orient ein höheres und erhabeneres geistiges Erwachen zu veranlassen, als es jetzt in irgendeinem Teil der Erde besteht.

   So wie sich Tag und Nacht, Sommer und Winter, Ebbe und Flut in ungebrochener Folge nach dem Gesetz der abwechselnden Kreisläufe ablösen, so wird auch einer Periode geistiger Hochflut in jedem Teil der Welt eine Periode materiellen Rückschlags folgen, so daß unsere Entwicklung nicht einseitig werden wird.

   Religion, Kunst und Wissenschaft sind die drei wichtigsten Mittel der menschlichen Erziehung. Sie sind eine Dreiheit in der Einheit, die nicht getrennt werden kann, ohne unseren Gesichtspunkt in irgendeinem Forschungsgebiet zu verschieben. Wahre Religion umfaßt sowohl Kunst als auch Wissenschaft, denn sie lehrt ein schönes Leben in Harmonie mit den Naturgesetzen.

   Wahre Wissenschaft ist künstlerisch und religiös im höchsten Sinn, denn sie lehrt uns, Gesetze, die unser Wohlbefinden betreffen, zu ehren und zu befolgen. Sie erklärt, warum ein religiöses Leben der Gesundheit und Schönheit förderlich ist.

   Wahre Kunst ist so erzieherisch und so erhebend in ihrem Einfluß wie die Religion. In der Architektur finden wir eine höchst erhabene Darstellung der kosmischen Kraftlinien im Weltall. Sie erfüllt den geistigen Beschauer mit einer mächtigen Verehrung und Anbetung, die aus einer ehrfurchtgebietenden Vorstellung der überwältigenden Größe und Herrlichkeit der Gottheit entspringt. Die Bildhauerei und die Malerei, die Musik und die Literatur durchdringen uns mit

  SEITE 517

einem Erahnen der überragenden Herrlichkeit Gottes, der unveränderlichen Quelle und des Zieles dieser wunderschönen Welt.

   Nur eine solche allumfassende Lehre wird dem Verlangen der Menschheit dauerhaft entsprechen. In einer so späten Epoche wie der griechischen gab es eine Zeit, in der Religion, Kunst und Wissenschaft vereint in den Mysterientempeln gelehrt wurden. Aber zur besseren Entwicklung jeder einzelnen wurde es notwendig, sie zeitweilig zu trennen.

   Im sogenannten "finsteren Mittelalter" hatte die Religion die Alleinherrschaft. Während dieser Zeit band sie sowohl Kunst als auch Wissenschaft an Händen und Füßen. Dann kam die Periode der Renaissance, und die Kunst erhielt in allen ihren Zweigen die Vorherrschaft. Die Religion war aber noch sehr stark, und nur zu oft wurde die Kunst im Dienst der Religion entwürdigt. Zuletzt kam die Woge der modernen Wissenschaft, welche die Religion mit eiserner Hand unterdrückte.

   Die Fesselung der Wissenschaft durch die Religion brachte der Welt einen Rückgang. Unwissenheit und Aberglaube verursachten unsagbares Leid, dennoch pflegte die Menschheit religiöse Ideen und hoffte auf ein höheres und besseres Leben. Viel verderblicher aber wirkte der vernichtende Einfluß der Wissenschaft auf die Religion, denn sogar die Hoffnung, die einzige Gabe, welche die Götter in der Büchse der Pandora zurückgelassen hatten, verblaßte vor dem Materialismus und Agnostizismus.

   Ein solcher Zustand kann nicht andauern. Die Reaktion muß wieder eintreten. Tritt sie nicht ein, so müßte Anarchie das Weltall zerreißen. Um dem zu begegnen, müssen Religion, Kunst und Wissenschaft sich in einem noch höheren Ausdruck des Guten, des Wahren und des Schönen, als sie ihn vor der Trennung erzielt hatten, wiedervereinigen.

   Kommende Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Als die großen Führer der Menschheit die Neigung zum Ultramaterialismus bemerkten, der jetzt die westliche Welt umkrampft,

  SEITE 518

ergriffen sie gewisse Maßnahmen, um ihm in dieser gefährlichen Zeit entgegenzuarbeiten und ihn umzuformen. Sie wünschten nicht, die knospende Wissenschaft auf die gleiche Art zu töten, wie diese die Religion erwürgt hatte, denn sie sahen das endlich Gute, das entstehen muß, wenn eine fortgeschrittene Wissenschaft die Mitarbeiterin der Religion geworden ist.

   Eine spirituelle Religion kann sich mit einer materiellen Wissenschaft nicht verschmelzen, so wenig wie sich Öl mit Wasser zu verbinden vermag. Daher wurden Schritte unternommen, die Wissenschaft zu vergeistigen und die Religion wissenschaftlicher zu gestalten.

   Im 13. Jahrhundert erschien ein hoher geistiger Lehrer, der den symbolischen Namen Christian Rosenkreuz (das christliche Rosenkreuz) trug, um diese Arbeit zu beginnen. Er gründete den Geheimorden der Rosenkreuzer mit dem Endziel, okkultes Licht auf die mißverstandene christliche Religion zu werfen und die Geheimnisse des Lebens und des Seins vom wissenschaftlichen Standpunkt in Harmonie mit der Religion zu erklären.

   Viele Jahrhunderte sind seit seiner Geburt als Christian Rosenkreuz und Begründer der Rosenkreuzer-Mysterien- Schule verstrichen und von vielen wird sein Dasein sogar als Mythos betrachtet. Doch bezeichnet seine Geburt als Christian Rosenkreuz den Beginn einer neuen Epoche im geistigen Leben der westlichen Welt. Dieses besondere Ego hat seither ununterbrochen physisch in dem einen oder anderen europäischen Land gewirkt. Wenn seine alten Träger verbraucht waren, nahm er einen neuen Körper an, oder wenn es die Umstände erforderten, daß er den Ort seiner Wirksamkeit wechselte. Er ist auch heute als ein Eingeweihter hohen Grades verkörpert und in allen Angelegenheiten des Westens ein tätiger Faktor, obwohl die Welt nichts davon weiß.

   Er arbeitete Jahrhunderte vor dem Erwachen der modernen Wissenschaft im Kreis der Alchimisten und inspirierte durch einen Vermittler die jetzt verstümmelten Werke des Bacon.

  SEITE 519

Jakob Böhme und andere erhielten durch ihn die Inspiration, die ihre Werke so geistig erleuchtend macht. In den Werken des unsterblichen Goethe und in den Meisterkompositionen Richard Wagners begegnet uns derselbe Einfluß. Alle unerschrockenen Geister, die sich weder von orthodoxer Wissenschaft noch von orthodoxer Religion fesseln lassen, die die Hüllen wegwerfen und ohne Rücksicht auf Bosheit oder Schmeichelei zum geistigen Kern durchdringen, hatten und haben ihre Inspirationen aus derselben Quelle wie der große Geist, der Christian Rosenkreuz beseelte.

   Schon sein Name ist eine Verkörperung der Art und der Mittel, durch die der Mensch unserer Tage in den göttlichen Übermenschen transformiert wird.

  

Dieses Symbol: "Christian Rosen-Kreuz" (das christliche Rosen-Kreuz),

zeigt uns Zweck und Ziel der menschlichen Entwicklung, den Weg, der beschritten werden muß und die Mittel, durch die dieses Ziel erreicht werden kann. Das schwarze Kreuz, in dem grünen, das Kreuz umrankenden Stamm der Pflanze, in den Dornen, den blutroten Rosen, liegt die Lösung des Weltmysteriums verborgen: die vergangene Entwicklung, die gegenwärtige Zusammensetzung und vor allem das Geheimnis der künftigen Entwicklung.

   Es verbirgt sich dem Laien, enthüllt aber dem Eingeweihten um so klarer, wie er Tag für Tag zu arbeiten hat, um jenen seltensten aller Edelsteine, den Stein der Weisen (der wertvoller ist als der Kohinor, nein, als alle Schätze der Welt) durch tägliche treue Arbeit für sich selbst herzustellen. Es erinnert ihn daran, wie die Menschheit in ihrer Unwissenheit stündlich das vorhandene Material verwüstet, das zur Bildung dieses unbezahlbaren Schatzes verwendet werden könnte.

   Damit der Mensch standhaft und treu in allen Widerwärtigkeiten des Lebens bleibe, weist das Rosenkreuz gleich einer

  SEITE 520

Erleuchtung auf die glorreiche Vollendung dessen hin, der überwindet. Es weist auf Christus als den Stern der Hoffnung, auf die "ersten Früchte" durch ihn, der diesen wunderbaren Stein schuf, als er den Körper Jesu bewohnte.

   Forschungen haben erwiesen, daß alle religiösen Systeme eine Lehre enthielten, die nur für die Priesterschaft reserviert war, und die der Menge vorenthalten wurde. Auch Christus sprach zum Volk in Gleichnissen. Er erklärte seinen Jüngern den inneren Sinn dieser Gleichnisse, um in ihnen ein tiefes Verständnis zu wecken, das ihrem entwickelten Geist entsprach.

   Paulus gab den Säuglingen oder jüngeren Gliedern der Gemeinde "Milch", aber den Starken, die tiefer eingedrungen waren, "Fleisch". So gab es zu allen Zeiten innere und äußere Lehren. Diese inneren Lehren wurden in den sogenannten Mysterienschulen erteilt, die je nach Zeitalter verschieden waren, um sich den Bedürfnissen des Volkes anzupassen, unter dem sie zu wirken bestimmt waren.

   Der Orden der Rosenkreuzer ist nicht allein eine Geheimgesellschaft. Er ist eine der Mysterienschulen. Die Brüder sind Hierophanten der kleineren Mysterien, Wächter der geheiligten Lehren. Sie sind eine geistige Kraft, die mächtiger im Leben der westlichen Welt ist als irgendeine der sichtbaren Regierungen, obwohl sie nicht auf eine solche Art auf die Menschheit einwirken dürfen, daß sie ihres freien Willens beraubt wird.

   Da der Entwicklungsweg immer vom Charakter des Strebenden abhängt, gibt es zwei Wege, den mystischen und den intellektuellen. Der Mystiker ist gewöhnlich ohne intellektuelles Wissen. Er folgt den Geboten seines Herzens und ist bestrebt, den Willen Gottes zu erfüllen, wie er ihn erfühlt. Er erhebt sich, ohne sich irgend eines bestimmten Zieles bewußt zu sein, und gelangt am Ende zur Erkenntnis. Im Mittelalter waren die Völker nicht so intellektuell, wie wir es heutzutage sind, und die, welche den Ruf eines höheren Lebens fühlten, schlugen gewöhnlich den mystischen Pfad ein. Aber während der letzten Jahrhunderte, seit dem Aufschwung der modernen

  SEITE 521

Wissenschaft, wurde die Erde von einer mehr intellektuellen Menschheit bevölkert. Der Kopf hat vollständig die Oberherrschaft über das Herz gewonnen, der Materialismus dagegen hat alle vergeistigenden Impulse unterjocht. Die meisten Menschen glauben das, was sie greifen, schmecken oder fühlen. Es ist daher Zeit für einen Appell an den Intellekt. Das Herz muß glauben dürfen, was es gutheißt. Auf diese Forderung hin versuchen die Mysterienlehren der Rosenkreuzer, wissenschaftliche Tatsachen mit spirituellen Wahrheiten zu verbinden.

   In der Vergangenheit waren diese Lehren nur wenigen Eingeweihten bekannt, und selbst heute sind sie für die Welt des Westens noch sehr mysteriös und geheim. Alle sogenannten "Enthüllungen" der Vergangenheit, die angeblich Rosenkreuzergeheimnisse preisgaben, waren entweder Betrug oder die Folge von Verrat Außenstehender, die vielleicht Bruchstücke von Gesprächen aufgefangen haben können, die allen unverständlich sein müssen, außer denen, die den Schlüssel dazu haben. Es ist möglich, daß man mit einem Eingeweihten irgendeiner Schule unter demselben Dach und im innigsten Verhältnis lebt, das Geheimnis in seiner Brust wird aber doch verborgen bleiben, bis sein Freund die Stufe erreicht hat, auf der er ein Bruder-Eingeweihter werden kann. Die Enthüllung der Geheimnisse hängt nicht vom Willen des Eingeweihten ab, sondern von der Eignung des Strebenden.

   Wie alle andern Geheimorden folgt auch der Orden der Rosenkreuzer kosmischen Gesetzen. Wenn wir Kugeln von gleicher Größe nehmen und prüfen, wie vieler wir bedürfen, um eine zu bedecken, so daß wir sie den Blicken entziehen, dann werden wir finden, daß zwölf Kugeln erforderlich sind, um eine dreizehnte zu verbergen. Das letzte Teilungsglied physischen Stoffes, das wahre Atom, das im interplanetarischen Raum gefunden wird, ist ebenfalls auf einer Grundlage der Zwölf um die Eins aufgebaut. Die zwölf Tierkreiszeichen hüllen unser Sonnensystem ein. Die zwölf Halbtöne der musikalischen Skala umfassen die Oktave. Zwölf Apostel sammelten sich um Christus. So gibt es noch andere Beispiele, die uns das Gesetz der Zwölf mit der Eins lehren.

  SEITE 522

Auch der Orden der Rosenkreuzer besteht aus zwölf Brüdern und einem Dreizehnten.

   Man kann aber auch andere Teilungen beobachten. Wir haben gesehen, daß sich aus der himmlischen Schar der Schöpferischen Hierarchien, die an unserem Evolutionsplan tätig waren, fünf in die Freiheit zurückgezogen haben und nur sieben zurückblieben, um sich mit unserem weiteren Fortschritt zu befassen. Dem entspricht es, daß der heutige Mensch, das innewohnende Ego, der Mikrokosmos, nach auswärts durch sieben sichtbare Öffnungen in seinem Körper wirkt: zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher und ein Mund, während fünf weitere Öffnungen ganz oder teilweise geschlossen sind: die Brustdrüsen, der Nabel und die zwei Ausscheidungsorgane.

   Die sieben Rosen, die unser schönes Emblem bekränzen, und der fünfeckige, strahlende Stern dahinter, sind Sinnbilder der zwölf großen schöpferischen Hierarchien, die dem sich entwickelnden Ego während seiner vorhergehenden Stadien im mineralischen, pflanzlichen und tierischen Zustand und während seines unbewußten Zustandes, in dem es unfähig war, für sich zu sorgen, beistanden. Von diesen zwölf Scharen großer Wesenheiten arbeiteten drei am Menschen aus eigenem freiem Willen und ohne irgendeine Verpflichtung.

   Diese werden durch die drei aufwärts weisenden Spitzen des Sterns auf unserem Emblem versinnbildlicht. Weitere zwei große Hierarchien sind im Begriff sich zurückzuziehen. Diese werden durch die beiden nach unten weisenden Spitzen dargestellt. Die sieben Rosen enthüllen die Tatsache, daß noch weitere sieben große schöpferische Hierarchien an der Entwicklung der Wesen auf der Erde tätig sind. Da alle diese Wesen, von den kleinsten bis zu den größten, nur Teile eines großen Ganzen sind, das wir Gott nennen, so ist das ganze Emblem ein Sinnbild Gottes in Manifestation.

   Der hermetische Grundsatz sagt: "Wie oben, so unten." Die weniger bedeutenden Lehrer der Menschheit sind auch nach denselben kosmischen Richtlinien von 7, 5 und 1 angeordnet.

  SEITE 523

   Auf der Erde gibt es sieben Schulen der kleineren Mysterien und fünf der größeren Mysterien. Das Ganze untersteht einem gemeinsamen Oberhaupt, das der Befreier (Liberator) genannt wird.

   Der Orden der Rosenkreuzer entsendet, wann immer es erforderlich ist, sieben Brüder in die Welt. Sie erscheinen als Menschen unter den Menschen, oder arbeiten in ihren unsichtbaren Trägern mit oder an anderen, je nachdem es benötigt wird. Man muß sich aber immer dessen bewußt sein, daß sie niemanden gegen seinen Willen oder Wunsch beeinflussen, sondern sie bestärken nur das Gute, wo immer sie es finden.

   Die zurückbleibenden fünf Brüder verlassen den Tempel nie. Obwohl sie dichte Körper besitzen, verrichten sie alle ihre Arbeit von den inneren Welten aus.

   Der Dreizehnte ist das Haupt des Ordens und das Bindeglied zu einem höheren Zentralrat, der aus Hierophanten der größeren Mysterien besteht. Dieser Rat befaßt sich jedoch überhaupt nicht mit der durchschnittlichen Menschheit, sondern nur mit den Eingeweihten der kleineren Mysterien.

   Das Haupt des Ordens wird vor der Welt durch die zwölf Brüder verborgen, wie die zentrale Kugel, die in unserem vorhergehenden Gleichnis erwähnt wurde. Sogar die Schüler der Schulen sehen ihn nie, aber bei den nächtlichen Diensten im Tempel wird seine Gegenwart, wann immer er eintritt, von allen gefühlt, was dann auch das Zeichen für den Beginn der Zeremonie bedeutet.

   Um die Brüder vom Rosenkreuz schart sich als deren Schüler eine Anzahl von "Laienbrüdern". Es sind dies Menschen, die in verschiedenen Teilen der westlichen Welt leben, die aber fähig sind, ihre Körper bewußt zu verlassen. Sie wohnen dem Dienst bei und nehmen Anteil an der geistigen Arbeit im Tempel. Jeder einzelne von ihnen wurde hierin von einem der Älteren Brüder "eingeweiht". Die meisten von ihnen sind fähig, sich all dessen, was geschehen ist, zu erinnern. Es gibt aber auch einige wenige Fälle, in denen die Fähigkeit, den Körper zu verlassen, in einem der vorherge-

  SEITE 524

henden tugendhaften Leben erworben wurde, und bei denen eine Drogenabhängigkeit oder eine in diesem Leben zugezogene Krankheit das Gehirn ungeeignet machte, Eindrücke von der Arbeit zu empfangen, bei der sich der Mensch außerhalb seines dichten Körpers befand.

Einweihung (Initiation)

   Im allgemeinen stellt man sich unter einer Einweihung eine Zeremonie vor, durch die man Mitglied einer geheimen Gesellschaft wird. Man meint, sie könne jedem zuteil werden, der gewillt ist, einen gewissen Preis (in den meisten Fällen eine Geldsumme) dafür zu zahlen.

   Das trifft bei den sogenannten Einweihungen in brüderlichen Verbänden und auch bei den meisten pseudo-okkulten Orden wohl zu. Diese Auffassung ist aber ganz und gar falsch, wenn es sich um Einweihungen in die verschiedenen Grade einer wirklich okkulten Bruderschaft handelt. Etwas Verständnis für die wirklichen Erfordernisse und ihre Vernünftigkeit wird dies sogleich deutlich machen.

   In erster Linie gibt es keinen goldenen Schlüssel zum Tempel. Der Verdienst zählt und nicht das Geld. Verdienste erwirbt man nicht an einem Tag, sie sind die gesammelten Früchte vergangener guter Taten. Der Anwärter zur Einweihung ist sich gewöhnlich dessen gar nicht bewußt, daß er Anwärter ist. Meist lebt er sein Leben unter den Menschen und dient durch Tage und Jahre hindurch, ohne irgendeinen jenseitigen Gedanken, bis eines Tages der Lehrer, ein Hierophant der kleineren Mysterien, in sein Leben tritt; das geschieht in einer Weise, die dem Land angepaßt ist, in dem er lebt. Der Kandidat hatte in sich gewisse Fähigkeiten gepflegt, gewisse Kräfte des Dienstes und der Hilfe gespeichert, deren er sich für gewöhnlich nicht bewußt ist, oder von denen er nicht weiß, wie sie richtig zu verwerten sind. Nun ist die Arbeit des Einweihenden leicht. Er zeigt dem Kandidaten die schlummernden Fähigkeiten, die schlafenden Kräfte, und weiht ihn in ihren Gebrauch ein. Er erklärt oder

  SEITE 525

zeigt ihm zum ersten Mal, wie der Kandidat seine statische Energie zu einer dynamischen Kraft erwecken kann.

   Einweihung (Initiation) kann durch eine Zeremonie vollzogen werden oder nicht. Es ist besonders zu bemerken, daß die Einweihung, die der unausbleibliche Höhepunkt fortgesetzter geistiger Bemühungen ist, niemals, ob nun bewußt oder unbewußt, im Kandidaten wirklich stattfinden kann, bevor nicht die nötige innere Entwicklung die latenten Kräfte aufgespeichert hat. Diese kraftvoll zu verwerten, lehrt die Einweihung. Das Ziehen eines Hahnes kann in der Flinte keine Explosion hervorrufen, wenn die Flinte nicht vorher geladen wurde.

   Es besteht keine Gefahr, daß der Lehrer irgendjemand übersehen könnte, der die nötige Entwicklung bereits erlangt hat. Jede gute und selbstlose Handlung vermehrt die Leuchtund Schwingungskraft der Aura des Anwärters außerordentlich. So wahr, wie der Magnet die Nadel anzieht, wird auch das Leuchten des aurischen Lichtes den Lehrer bringen.

   Selbstverständlich ist es nicht möglich, in einem Werk, das für die breite Öffentlichkeit bestimmt ist, die Stadien der Einweihungen in die Rosenkreuzerbruderschaft zu behandeln. Das wäre ein Vertrauensbruch, auch wäre es aus Mangel an Worten unmöglich, sich deutlich genug auszudrücken. Es ist aber erlaubt, einen Umriß zu geben und den Zweck der Einweihung aufzuzeigen.

   Die kleineren Mysterien befassen sich nur mit der Entwicklung der Menschheit der Erdperiode. Während der ersten dreieinhalb Kreisläufe der Lebenswoge um die sieben Globen hatten die jungfräulichen Geister noch kein Bewußtsein erlangt. Daher sind wir unwissend darüber, wie wir unseren heutigen Stand erreichten. Der Strebende soll über diesen Punkt aufgeklärt werden. Durch die Formel des Hierophanten während der Einweihung in den ersten Grad wird das Bewußtsein auf die Seite des Naturgedächtnisses gelenkt, welche die Berichte über den ersten Kreislauf enthält, in dem wir die Entwicklung der Saturnperiode wiederholten. Dabei ist er im vollen Besitz seines Wachbewußtseins. Er erinnert sich Tatsachen des Lebens im 20. Jahrhundert, beobachtet jedoch bewußt den Fortschritt der sich entwickelnden Schar

  SEITE 526

der jungfräulichen Geister, denen er in der Saturnentwicklung angehörte. So lernt er, wie die ersten Stufen in der Erdperiode gewonnen wurden. Das Ziel dieser Entwicklung wird ihm durch einen später zu vollziehenden Schritt enthüllt werden.

   Nachdem er die Lehren aufgenommen hat, die in Kapitel 10 beschrieben wurden, hat der Kandidat über diesen Gegenstand seine Erkenntnisse aus erster Hand erworben. Er ist dabei in unmittelbare Berührung mit den schöpferischen Hierarchien und ihrer Arbeit gekommen, die sie an und mit dem Menschen leisteten. Daher ist es nun dem Kandidaten möglich, ihre segensreiche Wirksamkeit in der Welt zu würdigen und sich in gewissem Maß mit ihnen auf eine Linie zu begeben, um auf diese Weise ihr Mitarbeiter zu werden.

   Wenn die Zeit für ihn reif ist, um den zweiten Grad der Einweihung zu erhalten, wird seine Aufmerksamkeit in ähnlicher Weise auf die Ereignisse des zweiten Kreislaufes der Erdperiode gerichtet, der im Gedächtnis der Natur abgebildet ist. Dabei beobachtet er bewußt die Fortschritte, die während dieser Zeit von den jungfräulichen Geistern erzielt wurden. Er tut es wie "Peter Ibbetson", der sein Kinderleben während der Nächte beobachtete, in denen er "Wahrträume" hatte. Im dritten Grad der Einweihung folgt er dem Mondkreislauf, und im vierten Grad sieht er die Fortschritte, die wir in der bereits zurückgelegten Hälfte des vierten oder Erdkreislaufes erreichten.

   In jedem Grad jedoch wird noch ein weiterer Schritt gemacht. Der Schüler sieht außerdem zu der in jedem Kreislauf verrichteten Arbeit noch die, welche in der entsprechenden Epoche während unseres gegenwärtigen Aufenthaltes auf Globus D, auf unserer Erde, geleistet wurde.

   Während des ersten Grades folgt er der Arbeit des Saturnkreislaufes und ihrer letzten Vollendung in der polarischen Epoche.

  SEITE 527

   Im zweiten Grad folgt er der Arbeit des Sonnenkreislaufs und der seines Ebenbildes, der hyperboreischen Epoche.

   Während des dritten Grades beobachtet er die Arbeit, die im Mondkreislauf vollzogen wurde, und sieht, wie sie die Grundlage des Lebens in der lemurischen Epoche war.

   Während des vierten Grades sieht er die Entwicklung des letzten halben Kreislaufes mit der ihm entsprechenden Zeitperiode unseres gegenwärtigen Aufenthaltes auf der Erde, nämlich der ersten Hälfte der atlantischen Epoche, die endete, als die dichte, nebelige Atmosphäre von Atlantis sich löste und die Sonne erstmals über Land und Meer schien. Dann war die Nacht des Unbewußtseins vorüber und die Augen des innewohnenden Ego wurden vollständig geöffnet, wodurch es fähig wurde, das Licht der Vernunft auf das Problem der Welteroberung zu lenken. Dies war die Zeit, wo der Mensch, wie wir ihn jetzt kennen, zum ersten Mal geboren wurde.

   Wenn wir von alten Einweihungssystemen hören, in denen sich der Kandidat dreieinhalb Tage im Trancezustand befand, so bezieht sich das auf die Zeit der Einweihung, die soeben beschrieben wurde. Jene dreieinhalb Tage bezeichnen die Stufen, welche durchgemacht wurden, und sind keineswegs 24 Stundentage. Die Dauer der Entwicklung ist bei jedem Kandidaten verschieden. Immer wird ihm die unbewußte Entwicklung der Menschheit während der vergangenen Kreisläufe gezeigt, und wenn von ihm gesagt wird, daß er mit Sonnenaufgang des vierten Tages erwache, so ist dies der mystische Ausdruck dafür, daß die Einweihung in die Arbeit der unwillkürlichen Entwicklung des Menschen zu dem Zeitpunkt ihren Abschluß fand, als die Sonne erstmals über der reinen Atmosphäre von Atlantis aufging. Und dann wird der Kandidat auch als ein "Erstgeborener" begrüßt.

   Nachdem der Schüler mit dem Weg vertraut wurde, den wir in der Vergangenheit durchliefen, führte ihn der fünfte Grad bis zum Ende der Erdperiode. Dann wird eine glorreiche Menschheit die Früchte dieser Periode sammeln können und sie von den sieben Globen, die wir während der Evolution an jedem Offenbarungstag bewohnen, auf den ersten der fünf dunklen Globen mitnehmen, die während der kosmi-

  SEITE 528

schen Nächte unseren Aufenthaltsort bilden werden. Der dichteste von ihnen liegt in der Region der abstrakten Gedanken und ist in Wahrheit das "Chaos", von dem auf Seite 249 und auf den darauf folgenden Seiten gesprochen wurde. Dieser Globus ist auch der dritte Himmel, und wenn Paulus davon spricht, daß er in den dritten Himmel erhoben wurde und dort Dinge sah, die er rechtmäßigerweise nicht offenbaren dürfe, so sprach er von Erfahrungen, die der fünften Stufe der Einweihung der gegenwärtigen Rosenkreuzer entsprechen.

   Nachdem das Ende des fünften Grades gezeigt wurde, wird der Kandidat mit den Mitteln bekannt gemacht, durch die dieses Ziel in den restlichen dreieinhalb Kreisläufen der Erdperiode erreicht werden kann. Die vier restlichen Einweihungsgrade dienen diesen Aufklärungen.

   Durch die so gewonnene Einsicht ist er fähig, bewußt mit den Kräften, die für das Gute wirken, mitzuarbeiten und hilft so mit, unsere Befreiung zu beschleunigen.

   Um eine allgemein falsche Auffassung zu beseitigen, wollen wir dem Schüler klarmachen, daß wir nicht Rosenkreuzer sind, nur weil wir ihre Lehren studieren. Selbst die Zulassung in den Tempel berechtigt noch nicht, uns bei diesem Namen zu nennen. Der Verfasser z.B. ist nur ein Laienbruder, ein Schüler, und würde sich unter keinen Umständen Rosenkreuzer nennen.

   Wir wissen wohl, daß ein Knabe, der das Gymnasium absolviert hat, deswegen noch nicht zum Lehrer befähigt ist. Er muß zuerst die Hochschule erfolgreich beenden und fühlt sich vielleicht auch dann noch nicht zum Lehrer berufen. Genau so verhält es sich in der Schule des Lebens. Selbst wenn jemand die Mysterienschule der Rosenkreuzer beendet hat, ist er noch lange kein Rosenkreuzer. Erfolgreiche Schüler der verschiedenen Schulen der kleineren Mysterien rücken in die fünf Schulen der größeren Mysterien vor. In den ersten vier legen sie die vier großen Einweihungen ab und erreichen zum Schluß den Befreier (Liberator). Hier erst erhalten sie Erkenntnisse, die andere Entwicklungsreihen betreffen. Es wird ihnen freigestellt, hier zu bleiben und ihren Brüdern zu helfen oder in andere Evolutionsreihen als

  SEITE 529

Helfer einzutreten. Diejenigen, die sich zum Bleiben entscheiden, erhalten verschiedene Stellungen, je nach ihren Begabungen und ihrem natürlichen Hang. Unter diesen Mitleidvollen befinden sich auch die Brüder vom Rosenkreuz, und es ist eine Frevel, den Rosenkreuzernamen in den Staub zu ziehen, indem wir ihn auf uns selbst anwenden, solange wir nur Schüler ihrer erhabenen Lehren sind.

   Während der wenigen vergangenen Jahrhunderte haben die Brüder für die Menschheit im Geheimen gearbeitet. Jedesmal zu Mitternacht findet im Tempel ein Dienst statt. Die Älteren Brüder - unterstützt von den Laienbrüdern, denen es möglich ist, ihre weltliche Arbeit zu verlassen (denn viele von ihnen leben in Ländern, in denen es Tag ist, wenn es in der Gegend des Rosenkreuzertempels Mitternacht ist) - sammeln von überall in der westlichen Welt alle Gedanken der Sinnlichkeit, der Gier, der Selbstsucht und des Materialismus. Diese versuchen sie nun in reine Liebe, Wohlwollen, Altruismus und geistige Bestrebungen umzuwandeln, um sie wieder in die Welt zurückzusenden und dadurch alles Gute zu heben und zu ermutigen. Bestünde nicht diese mächtige Quelle geistiger Schwingungen, so hätte der Materialismus schon längst alle geistigen Bestrebungen erstickt, denn vom geistigen Standpunkt aus gab es niemals ein dunkleres Zeitalter, als die letzten 300 Jahre des Materialismus.

   Nun aber ist die Zeit gekommen, in der die Methode geheimer Bemühungen durch eine mehr direkte Anstrengung und die Verbreitung einer klaren, logischen und folgerichtigen Lehre - den Ursprung, die Entwicklung und die weitere Entfaltung der Welt und des Menschen betreffend - ergänzt werden soll. Darin soll beides, die geistige wie auch die wissenschaftliche Seite aufgezeigt werden: Eine Lehre, die nichts behauptet, das nicht durch Vernunft und Logik unterstützt wird und die den Verstand befriedigt, indem sie ihm eine annehmbare Lösung aller Geheimnisse anbietet. Sie fordert keine Fragen heraus, vermeidet sie aber auch nicht, und ihre Erklärungen sind sowohl tief als auch klar.

   Aber, und das ist ein sehr wichtiges "Aber": Die Rosenkreuzer betrachten ein intellektuelles Verständnis Gottes und des Weltalls nicht als Ziel für sich. Weit gefehlt! Je größer

  SEITE 530

der Intellekt, umso größer die Gefahr seines Mißbrauches. Darum wird diese wissenschaftliche, logische und erschöpfende Lehre gegeben, damit der Mensch in seinem Herzen glaube, was sein Kopf gutgeheißen hat, und beginne ein religiöses Leben zu leben.

The Rosicrucian Fellowship (RCC)

   Um diese Lehre zu verbreiten, ist die Rosicrucian Fellowship gegründet worden, und jeder, der nicht ein HYPNOTISEUR, ein berufsmäßiges(r) MEDIUM, HELLSEHER, HANDLESER oder ASTROLOGE ist, kann sich als ein Schüler für den Einführungskurs eintragen lassen, indem er an den esoterischen Sekretär der Rosicrucian Fellowship, Box 713, Oceanside, 92049, CA, in den USA schreibt (siehe auch Seite 616). Hier gibt es keine Gebühr für die Einweihung oder Abgaben. Mit Geld kann man unsere Lehren nicht kaufen, der Fortschritt hängt von Verdiensten ab.

   Wenn ein Schüler der Rosenkreuzerlehren so von ihrer Wahrheit durchdrungen ist, daß er bereit ist, seine Verbindung mit allen anderen okkulten oder religiösen Orden aufzugeben - die christlichen Kirchen und Brüderorden sind davon ausgenommen - so kann er die Verpflichtung einge- hen, die ihn in den Grad eines Prüflings zuläßt (nach frühestens zwei Jahren Schülerschaft - d.Ü.).

   Wir beabsichtigen nicht, durch die vorhergehende Klausel den Gedanken wachzurufen, daß alle anderen okkulten Schulen nicht zählen, denn viele Wege führen nach Rom. Wir erreichen die Vollendung jedoch mit bedeutend weniger Anstrengung, indem wir einer Mysterienschule folgen, als wenn wir im Zickzack von einem Pfad zu anderen wechseln. In erster Linie sind unsere Zeit und Energie beschränkt, weiter werden wir durch Familie, gesellschaftliche Pflichten etc. zusätzlich gehemmt, die wir auf keinen Fall zum Vorteil unserer eigenen Selbstentwicklung vernachlässigen dürfen! Um dem Minimum an Energie, das wir auf uns selbst verwenden können, entgegenzukommen und um der Verzettelung der wenigen Augenblicke, die zu unserer freien Ver-

  SEITE 531

fügung stehen, vorzubeugen, wird von unseren Lehrern verlangt, daß wir allen anderen Orden entsagen.

   Die Welt ist ein Sammelplatz von Möglichkeiten. Um aber den Vorteil irgendeiner davon wahrzunehmen, müssen wir unseren Einsatz in eine bestimmte Richtung unserer Bemühungen lenken. Die Entwicklung unserer geistigen Kräfte befähigt uns, unseren schwächeren Mitmenschen zu helfen oder ihnen zu schaden. Sie ist aber nur gerechtfertigt, wenn das Ziel ein Wirken im Dienste der Menschheit ist.

   Die Methode der Rosenkreuzer zwecks Erlangung der Vervollkommnung unterscheidet sich von anderen Systemen durch eine Besonderheit. Vom ersten Anfang an ist sie darauf ausgerichtet, den Schüler von der Abhängigkeit anderer frei zu machen, ihm im höchsten Grad Selbstvertrauen einzuflößen und ihn zu befähigen, im täglichen Leben unter allen Umständen allein zu stehen und mit allen Zuständen fertig zu werden. Nur jemand, der auf diese Weise Stärke und Ausgeglichenheit erlangt hat, kann den Schwächeren helfen.

   Wenn sich eine Anzahl von Menschen in einem Kreis für Selbstentwicklung treffen, die negativen Richtlinien folgen, so werden auf Grund ihres Prinzipes innerhalb relativ kurzer Zeit Erfolge erzielt, da es leichter ist, sich mit dem Strom zu bewegen als dagegen. Doch ist das Medium dabei nicht Herr seiner Handlungen, vielmehr der Sklave einer geistigen Kontrolle. Daher sollten solche Versammlungen von Novizen gemieden werden.

   Selbst Gruppen, die sich in positiver Geisteshaltung begegnen, werden von den Älteren Brüdern nicht empfohlen, da bei solchen Versammlungen die schlummernden Kräfte aller Mitglieder vereinigt werden und Visionen der inneren Welten, die durch irgendeinen dort Anwesenden empfangen werden, zum Teil den Fähigkeiten anderer dort anwesenden Personen zu verdanken sind. Die Wärme einer Kohle in einem Ofen wird durch die sie umgebenden Kohlen erhöht und der Hellseher, der in einem solchen Kreis hervorgebracht wird, auch wenn dieser noch so positiv ist, gleicht einer Treibhauspflanze, die selbst zu abhängig ist, um anderen helfen zu können.

  SEITE 532

   Darum vollbringt jeder Prüfling (Novize) der Rosicrucian Fellowship seine Übungen in der Abgeschiedenheit seines Zimmers. Durch dieses System werden Erfolge vielleicht langsamer erzielt, doch wenn sie erscheinen, werden sie sich als selbsterworbene Kräfte zeigen, die unabhängig von anderen verwendet werden können. Außerdem erbauen die Methoden der Rosenkreuzer im Gleichklang mit der geistigen Entwicklung auch den Charakter und bewahren in späterer Folge den Schüler davor, in die Versuchung zu verfallen, göttliche Kräfte um weltlicher Vorteile willen zu mißbrauchen.

   Wenn der Prüfling mit den nötigen Erfordernissen ausgestattet ist und die Bedingungen der Probezeit (die mindestens fünf Jahre dauert - d.Ü.) erfüllt hat, kann er über das esoteri- sche Sekretariat der Weltzentrale der Rosicrucian Fellowship eine Bitte um persönliche Belehrungen an die Älteren Brüder richten. (Wird dieser Bitte entsprochen, so steigt der Prüfling zum Jünger auf und erlangt nach und nach die Befähigung, um als unsichtbarer Helfer zu wirken - d.Ü.)


[ Seite 532 - 551 ]