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Die
Rosenkreuzer-Weltanschauung
von
Max Heindel
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Die Zahl des Tieres
Dem Blick des geübten Hellsehers,
des Eingeweihten in die verschiedenen Grade der Mysterien, erscheint die
Erde in Schichten gebaut, ähnlich wie eine Zwiebel, eine Schicht
legt sich über die andere. Die Erde hat neun solcher Lagen und das
innere Herz, was im ganzen zehn macht. Diese Schichten werden dem Eingeweihten
nach und nach enthüllt. Bei jeder Einweihung wird ihm eine Schicht
zugänglich, so daß er am Ende der neun kleineren Einweihungen
Meister aller Schichten ist, jedoch noch immer keinen Zutritt zu den Geheimnissen
des Herzens (des Kerns) besitzt.
In der alten Redeart heißen diese
neun Schritte die "kleineren Mysterien". Sie führen den Neophyten
(Neuling) bewußt
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durch alles, was sich auf seine vergangene Entwicklung
und auf die Tätigkeit der Existenz während der Zeit der Involution
bezieht, so daß er die Art und den Sinn der Arbeit verstehen lernt,
die er damals unbewußt verrichtete. Er erfährt, wie die gegenwärtige
neunfache Zusammensetzung (der dreifache Körper, die dreifache Seele
und der dreifache Geist) ins Sein traten, wie die großen schöpferischen
Hierarchien an den jungfräulichen Geistern arbeiteten, in ihnen das
Ego erweckten und ihnen halfen den Körper zu bilden, und auch welche
Arbeit der Mensch geleistet hat, um aus dem dreifachen Körper so
viel von der dreifachen Seele herauszuziehen, wie er gegenwärtig
besitzt. Einen Schritt nach dem andern wird er durch die neun Stufen der
kleineren Mysterien, durch die neun Schichten der Erde hindurchgeführt.
Die Zahl 9 ist die Grundzahl unseres gegenwärtigen
Entwicklungszustandes. Sie hat eine besondere Bedeutung in unserem System,
die keine andere Zahl hat. Sie ist die Zahl Adams, des Lebens, das den
menschlichen Zustand während der Erdperiode erreichte. Im Hebräischen
sowie im Griechischen gibt es keine Zahlenzeichen, doch hat ein jeder
Buchstabe auch einen Zahlenwert. Im Hebräischen heißt Adam
"ADM". Der Wert von "A" ist eins, von "D" vier und von "M" vierzig. Zählen
wir diese Zahlen zusammen, so erhalten wir: 1 + 4 + 4 + 0 = 9, die Zahl
Adams oder der Menschheit.
Wenn wir uns von der Genesis (1. Mose),
die sich mit der Erschaffung des Menschen in grauer Vergangenheit befaßt,
dem Buch der Offenbarungen zuwenden, das seine künftigen Vervollkommnungen
behandelt, so finden wir als Zahl des Tieres, "dem gegeben ward zu streiten"
(Off. Joh. 13,7): 666. Zählen wir diese Ziffern zusammen, 6 + 6 +
6 = 18, und weiter: 1 + 8 = 9, dann erhalten wir wieder die Zahl der Menschheit,
die selbst Ursache allen Übels ist, das sie an ihrem eigenen Fortschritt
hindert. Gehen wir zur Zahl derer über, die gerettet werden sollen,
so finden wir, daß sie 144.000 ist. Wenn man wie früher zusammenzählt,
so
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erhalten wir wieder: 1 + 4 + 4 + 000 = 9, wieder die
Zahl der Menschheit. Dadurch wird praktisch gezeigt, daß sie in
ihrer Ganzheit gerettet werden soll. Die Zahl der für den Fortschritt
in unserer gegenwärtigen Evolution Unfähigen ist im Vergleich
zum großen Ganzen außerordentlich gering, und selbst die,
welche versagen, sind nicht verloren, sondern werden mit einer späteren
Lebenswoge fortschreiten.
Das Bewußtsein der Mineralien und
der Pflanzen ist in Wahrheit Unbewußtheit. Der erste Schimmer des
Bewußtseins beginnt im Tierreich. Wir haben auch gesehen, daß
es im Tierreich nach den modernsten Klassifizierungen 13 Klassen gibt
(1909). Drei Klassen von Strahltieren, drei Klassen der Mollusken, drei
Klassen von Gliedertieren und vier Klassen von Wirbeltieren.
Wenn wir die gewöhnliche Menschheit
als eine Klasse für sich betrachten und uns erinnern, daß 13
Einweihungen zwischen dem Menschen und Gott liegen von der Zeit an, in
der er begann, eine selbstbewußte, schöpferische Intelligenz
zu sein, so haben wir wieder die Zahl 9: 13 + 1 + 13 = 27, 2 + 7 = 9.
Die Zahl 9 ist auch in dem Alter des Jesus
Christus verborgen; 33: 3 x 3 = 9, und ebenso in den 33 Graden der Freimaurer.
In alten Zeiten war das Freimaurertum ein System der Einweihung in die
kleineren Mysterien, die, wie wir gesehen haben, 9 Grade haben, doch schreiben
die Eingeweihten oft von 33 Graden. Ebenso liest man vom 18. Grad der
Rosenkreuzer, was nur eine "Blendung" der Uneingeweihten war, denn in
keinem kleineren Mysterium sind jemals mehr als 9 Grade. In den Graden
der Freimaurer unserer Tage ist nur noch sehr wenig vom okkulten Ritus
erhalten.
Wir haben auch die 9 Monate der Schwangerschaft.
Während dieser Zeit wird der menschliche Körper bis zu seinem
gegenwärtigen Grad der Brauchbarkeit aufgebaut; auch befinden sich
in unserem Körper neun Öffnungen: zwei
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Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, ein Mund
und die zwei unteren Öffnungen.
Wenn der fortschreitende Mensch durch die
neun kleineren Einweihungen hindurchgegangen ist und dadurch Zugang zu
allen Schichten der Erde gewonnen hat, so muß noch der Zutritt in
das Innerste der Erde erlangt werden. Dieses eröffnet sich ihm bei
der ersten großen Einweihung, in der er das Mysterium des Intellekts
kennenlernt, jenen Teil seines Wesens, der auf der Erde begann. Wenn er
für die erste große Einweihung bereit ist, so hat er seinen
Intellekt in einem solchen Grad entwikelt, wie ihn zu erreichen die Bestimmung
aller Menschen während der Erdperiode ist. In dieser Einweihung erhält
er den Schlüssel zur folgenden, und alle Arbeit, die er von hier
an leistet, wird im allgemeinen auch von der Menschheit während der
Jupiterperiode geleistet werden und betrifft uns gegenwärtig nicht.
Nach seiner ersten großen Einweihung
ist er ein Adept. Die zweite, dritte und vierte Einweihung gehören
der Entwicklungsstufe an, die von der allgemeinen Menschheit während
der Jupiter-, Venus- und Vulkanperiode erreicht werden wird.
Diese dreizehn Einweihungen werden symbolisch
durch Christus und seine zwölf Apostel dargestellt. Judas Ischariot
symbolisiert das verräterische Streben der niederen Natur des Neophyten
(Neulings). Der Lieblingsjünger Johannes ist die Venuseinweihung,
und Christus selbst stellt den göttlichen Eingeweihten der Vulkanperiode
dar.
In den verschiedenen Schulen der okkulten
Wissenschaft sind auch die Riten der Einweihung verschieden, ebenso die
Feststellungen über die Zahl der Einweihungen. Das ist aber lediglich
eine Angelegenheit der Klassifikation. Man wird bemerken, daß unbestimmte
Beschreibungen, die gegeben werden können, immer unbestimmter und
allgemeiner werden, je höher man steigt. Wo man von sieben und mehr
Graden spricht, wird von der sechsten Einweihung beinahe nichts gesagt,
und überhaupt nichts von den darüberstehen-
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den. Das beruht auf einer anderen Einteilung, die sechs
Schritte der "Vorbereitung" und vier Einweihungen angibt, die den Kandidaten
am Ende der Erdperiode zum Adepten- tum bringen. Außerdem muß
es, wenn die Philosophie der jeweiligen Schule so weit geht, immer noch
drei weitere geben. Der Verfasser weiß aber von niemandem als den
Rosenkreuzern, die etwas von den drei Perioden, die der Erdperiode vorangingen,
zu sagen hätten, außer der Feststellung, daß es solche
Perioden gab. Sie werden ziemlich unbestimmt mit unserer gegenwärtigen
Daseinsphase in Beziehung gebracht.
Gleicherweise stellen andere okkulte Lehren
einfach fest, daß noch weitere Evolutionspläne folgen werden,
geben aber keine Einzelheiten. Selbstverständlich werden unter solchen
Umständen die drei letzten Einweihungen nicht erwähnt.
Diagramm 18 wird eine Vorstellung von der
Anordnung der Erdschichten geben. Der innere Kern ist ausgelassen, um
die Schleifenlinienbildung in der neunten Erdschicht deutlicher darzustellen.
Im Diagramm werden die Schichten in gleicher Dicke dargestellt, obwohl
in Wirklichkeit manche viel dünner als andere sind. Mit der Außenseite
beginnend, erscheinen sie in folgender Anordnung:
1. Die mineralische Erde: Das ist die steinige Erdrinde,
mit der sich die Geologie befaßt, soweit sie einzudringen vermag.
2. Die Flüssigkeitsschicht: Die Materie dieser
Schicht ist flüssiger als die äußere Rinde, jedoch nicht
wäßrig, sie gleicht eher einem dicken Teig. Sie hat die Eigentümlichkeit
der Ausdehnung gleich einem sehr explosiven Gas und wird nur durch den
ungeheuren Druck der äußeren Erdrinde zusammengehalten.
Würde man diese entfernen, so verschwände
die ganze flüssige Schicht im Raum mit einer furchtbaren Explosion.
Diese Schicht entspricht der chemischen Region und der Ätherregion
der physischen Welt.
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3. Die Dampfschicht: In der ersten und zweiten Schicht
besteht kein wirklich bewußtes Leben. In dieser Schicht ist aber
ein immer flutendes und pulsierendes Leben, so wie in der Empfindungswelt,
die unsere Erde durchdringt und umgibt.
4. Die Wasserschicht: In dieser Schicht sind die Keimmöglichkeiten
für alles, was auf dieser Erde lebt und webt. Hier sind die Urtypenkräfte,
die im Hintergrund der Gruppengeister stehen, auch die Urtypenkräfte
der Mineralien, denn diese Schicht ist der unmittelbare physische Ausdruck
der Region der konkreten Gedanken.
5. Die Keimschicht: Die materiellen Wissenschaftler
sind in ihren Bestrebungen, den Ursprung des Lebens, das Entstehen der
ersten lebenden Dinge aus der vorher toten Materie zu erforschen, oft
getäuscht worden.
In Wirklichkeit sollte bezüglich der
okkulten Erklärung der Evolution die Frage lauten, wie denn die "toten"
Dinge entstanden. Das Leben bestand, ehe die toten Formen da waren. Es
baute seine Körper aus der verdünnten, nebelhaften Substanz,
lange ehe diese sich zu der dichten Kruste der Erde zusammenzog. Erst
als das Leben die Formen verlassen hatte, konnten sie sich kristallisieren,
konnten hart und tot werden.
Die Kohlen sind nur kristallisierte Pflanzenkörper.
Die Koralle ist ebenfalls die Kristallisation tierischer Formen. Das Leben
verläßt die Formen, und die Formen sterben. Das Leben kam niemals
in eine Form, um sie zum Leben zu erwecken. Das Leben verließ die
Form, und sie starb. So kamen die "toten" Dinge in die Welt.
In dieser fünften Schicht ist die
Urquelle des Lebens, aus welcher der Anstoß kam, alle Formen der
Erde aufzubauen. Sie entspricht der Region der abstrakten Gedanken.
6. Die Feuerschicht: So sonderbar es erscheinen mag,
diese Schicht ist mit Empfindung begabt. Vergnügen und Schmerz, Sympathie
und Antipathie beeinflussen von hier aus die
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Erde. Man setzt im allgemeinen voraus, daß die
Erde unmöglich irgendwelche Empfindungen haben kann. Wenn aber der
Okkultist im Herbst die Ernte der reifen Frucht von den Bäumen oder
das Pflücken der Blumen wahrnimmt, so nimmt er gleichzeitig auch
das Wohlgefühl wahr, das die Erde dabei selbst empfindet. Es ist
dem Wohlgefühl einer Kuh ähnlich, wenn ihre strotzenden Euter
vom saugenden Kalb erleichtert werden. Die Erde empfindet Freude, Nahrung
für ihre Nachkommenschaft in der Natur hervorgebracht zu haben, und
diese Freude erreicht zur Erntezeit ihren Höhepunkt.
Werden die Pflanzen andererseits mit der
Wurzel ausgerissen, so weiß der Okkultist, daß die Erde einen
Schmerzensstich empfängt. Daher genießt er die Pflanzennahrung
nicht, die unter der Erde wächst. In erster Linie ist sie voller
Erdkraft, ihr mangelt es an Sonnenenergie. Außerdem wird sie vergiftet,
indem sie mit der Wurzel herausgezogen wird. Die einzige Ausnahme ist
die Kartoffel, die er sparsam genießen kann, da sie ursprünglich
auf der Oberfläche der Erde wuchs und erst vor verhältnismäßig
kurzer Zeit unter der Erde zu wachsen begann. Die Okkultisten sind bestrebt,
ihren Körper durch Früchte zu ernähren, die sich zur Sonne
strecken, weil sie mehr Sonnenkraft enthalten und der Erde keinen Schmerz
verursachen.
Man könnte vermuten, daß der
Bergbau für die Erde sehr schmerzlich ist. Gerade das Gegenteil ist
der Fall, jede Durchbrechung der Erdkruste verursacht ein Gefühl
der Befreiung und jede Verdichtung ist eine Quelle des Schmerzes. Wo ein
Gebirgsstrom das Erdreich fortspült und ihn zur Ebene trägt,
fühlt sich die Erde freier. Wo die gelöste Materie wieder abgelagert
wird, wie in den Sandbänken an der Mündung großer Flüsse,
besteht ein entsprechendes Gefühl des Unbehagens.
Wie die Menschen und Tiere ihre Sinneswahrnehmung
ihrem gesonderten Lebensleib verdanken, so ist das Gefühl der Erde
besonders in der sechsten Schicht tätig, die der
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Welt des Lebensgeistes entspricht. Um das Wohlbehagen
zu verstehen, das verspürt wird, wenn Bergarbeiten den starren Felsen
durchbrechen, und den Schmerz, wenn sich Schwemmprodukte ablagern, müssen
wir uns daran erinnern, daß die Erde der dichte Körper eines
großen Geistes (spirit) ist. Um uns passende Lebensmöglichkeiten
zum Sammeln unserer Erfahrungen bereitstellen zu können, mußte
er seinen Körper in den gegenwärtigen festen Zustand kristallisieren.
Mit dem Fortschritt der Evolution, in der
sich der Mensch die Lehren aneignet, die auf diesem Höhepunkt der
Verdichtung gegeben werden können, wird die Erde immer weicher und
ihr Geist immer freier werden. Das meinte Paulus, als er von der ganzen
Schöpfung sprach, die seufzend und arbeitend dem Tag der Befreiung
entgegengehe.
7. Die widerspiegelnde Schicht: Dieser Teil der Erde
entspricht der Welt des göttlichen Geistes. Dort befindet sich das,
was man in der okkulten Wissenschaft als die "sieben unaussprechlichen
Geheimnisse" bezeichnet. Denen, die mit diesen Geheimnissen nicht bekannt
sind und die keine Ahnung von ihrer Bedeutung haben, müssen die Eigenschaften
dieser Schicht besonders absurd und grotesk erscheinen. In ihr bestehen
all die Kräfte, die uns als die "Naturgesetze" bekannt sind, als
moralische oder besser gesagt, als unmoralische Kräfte.
Zu Beginn der bewußten Laufbahn des
Menschen waren sie viel schlimmer, als sie es jetzt sind. Es scheint aber,
daß diese Kräfte sich ebenfalls verbessern, wenn die Menschheit
an Moral zunimmt. Jeder Verstoß gegen die Moral führt dazu,
diese Naturkräfte loszulassen und auf der Erde Verwüstungen
anzurichten. Das Streben nach höheren Idealen mildert ihre feindliche
Einstellung zur Menschheit.
So sind die Kräfte in dieser Schicht
zu jeder Zeit eine genaue Spiegelung des moralischen Zustandes der Menschheit.
Vom okkulten Standpunkt aus war die "Hand Gottes", die Sodom und Gomorrah
verwarf, kein törichter Aber-
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glaube. Denn so sicher wie jeder einzelne die guten
und schlechten Früchte seiner Handlungen, entsprechend seiner persönlichen
Verantwortung dem Gesetz der Ursache und Wirkung gegenüber erntet,
so gibt es auch eine Verantwortlichkeit für die Gemeinschaften der
Völker. Gemeinsame Handlungen ganzer Menschengruppen rufen entsprechende
Wirkungen hervor.
Die Naturkräfte sind die ausübenden
Organe dieser wiedervergeltenden Gerechtigkeit. Sie veranlassen Fluten,
Erdbeben oder wohltätige Ansammlungen von Öl oder Kohle, die
einzelnen Volksteilen ihren Verdiensten entsprechend zugute kommen.
8. Die Atomistische Schicht: Das ist der Name, den
die Rosenkreuzer dieser achten Schicht gegeben haben, welche der Ausdruck
der Welt der jungfräulichen Geister (spirits) ist. Sie scheint die
Fähigkeit zu haben, die Dinge in sich zu vervielfältigen. Dies
gilt jedoch nur für diese Dinge, die fest umrissen geformt worden
sind. Ein ungeformter Holzklotz oder ein unbehauener Stein hat hier keine
Existenz, aber auf alles, was geformt wurde, was Leben oder Form hat (wie
eine Blume oder ein Bild), übt diese Schicht ihre Wirkung aus, um
es in einem erstaunlichen Grad zu vervielfältigen.
9. Der Materielle Ausdruck des Erdgeistes: Hier befinden
sich die schleifenförmigen (Lemniskate) Ströme, die innig mit
dem Gehirn, dem Herzen und den Geschlechtsorganen der menschlichen Rasse
verbunden sind. Diese Schicht entspricht der Welt Gottes.
10. Das Zentrum des Seins des Erdgeistes: Darüber
kann gegenwärtig nicht mehr gesagt werden, als daß es der allerletzte
Keimgrund all dessen ist, was in und auf der Erde besteht, und daß
es dem Absoluten entspricht.
Von der sechsten oder der Feuerschicht
führen eine Anzahl von Mündungen zur Oberfläche der Erde,
deren äußere Endungen "vulkanische Krater" genannt werden.
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Wenn die Naturkräfte in der siebten
Schicht entfesselt werden, so daß sie in vulkanischen Ausbrüchen
hervorstürzen können, setzen sie die feurige (sechste) Schicht
in Bewegung. Diese Bewegung setzt sich bis zum Mund des Kraters fort.
Die Masse der ausströmenden Materie wird der zweiten Schicht entnommen,
denn sie ist der dichtere Doppelgänger der sechsten Schicht, so wie
der Lebensleib, der zweite Träger des Menschen, das dichtere Ebenbild
des Lebensgeistes, des sechsten Prinzipes, ist.
Diese flüssige Schicht, der Ausdehnbarkeit
und Explosivkraft zu eigen ist, sichert den Eruptionen einen unbegrenzten
Vorrat an Material. Die Berührung mit der Außenwelt verhärtet
den Teil des Materials, der nicht in den Raum hinausgewirbelt wird und
bildet Lava und Staub, bis endlich, so wie das gerinnende Blut einer Wunde,
das Fließen sich selbst hemmt und stillt und die Lava die Öffnung
der inneren Erdteile versiegelt.
Wie man schon aus der Tatsache schließen
kann, daß es die widergespiegelten unmoralischen und ungeistigen
Tendenzen des Menschen sind, welche die Naturkräfte in der siebten
Erdschicht zu vernichtender Tätigkeit erweken, so unterliegen gewöhnlich
auch lasterhafte und entartete Menschen diesen Katastrophen. Sie werden
durch übermenschliche Kräfte zusammen mit denen, deren selbsterzeugtes
Schicksal unter dem Gesetz der Ursache und Wirkung einen gewaltsamen Tod
erfordert, aus verschiedenen Ländern an der Ausbruchsstelle versammelt.
Die Ausbrüche des Vesuv z.B. werden für den Nachdenkenden eine
Bestätigung dieser Feststellung sein.
Eine Liste der Ausbrüche, die seit
den letzten 2000 Jahren stattfanden (bis 1909) zeigt, daß ihre Zahl
mit der Zunahme des Materialismus wuchs. Besonders in den letzten 60 Jahren
haben, in dem Maß, wie die Anmaßung der materialistischen
Wissenschaft wuchs, die alles Geistige verneint und leugnet, die Zahl
der Ausbrüche zugenommen.
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Während in den ersten 1000 Jahren
nach Christus nur 6 Ausbrüche stattfanden, haben sich die letzten
5, wie gezeigt werden wird, innerhalb von 51 Jahren ereignet (Stand 1909).
Der erste Ausbruch während der christlichen
Zeitrechnung vernichtete Herkulanum und Pompeji und brachte Plinius den
Älteren (79 n. Chr.) ums Leben. Die anderen Eruptionen folgten in
den Jahren 203, 472, 512, 652, 982, 1036, 1158, 1500, 1631, 1737, 1794,
1822, 1855, 1872, 1885, 1891, 1906.
In den ersten 1000 Jahren waren 6 Ausbrüche,
in den zweiten 1000 Jahren waren es 12, von denen die letzten 5 innerhalb
der letzten 51 Jahre erfolgten, wie bereits festgestellt wurde.
Von den gesamten 18 Ausbrüchen fanden
die ersten neun im sogenannten "dunklen Zeitalter" statt. Das waren die
1600 Jahre, während derer die westliche Welt von denen beherrscht
wurde, die gewöhnlich "Heiden" hießen, oder von der römisch-katholischen
Kirche. Der Rest hat während der letzten 300 Jahre stattgefunden,
während derer der Beginn und der Ausbau der modernen Wissenschaft
mit ihren materialisierenden Tendenzen fast die ganze Geistigkeit aus
der Welt vertrieben hat, besonders in der letzten Hälfte des 19.Jahrhunderts.
Daher fiel beinahe ein Drittel der gesamten Ausbrüche in diese Zeit.
Um diesem entsittlichenden Einfluß
entgegenzuarbeiten, wurde an die Menschheit während dieser Zeit von
den Älteren Brüdern der Weisheit, die immer zum Segen der Menschheit
arbeiten, ein großer Teil okkulter Belehrungen ausgegeben. Man hofft,
daß es durch die Offenbarung dieser Erkenntnisse und durch die Erziehung
jener Wenigen, die sie in sich aufnehmen wollen, möglich sein wird,
die Flut des Materialismus einzudämmen. Die Vertreter des Materialismus
wären sonst ernsthaften Folgen ausgesetzt. Menschen, die lange das
Vorhandensein alles Geistigen geleugnet haben, sind nicht imstande, ihr
inneres Gleichgewicht zu finden, wenn sie entdecken, daß sie, wenn
sie ihres dichten Körpers beraubt worden sind, doch noch am Leben
sind. Diesen
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Menschen kann ein Schicksal zuteil werden, das zu traurig
ist, um mit Gleichgültigkeit betrachtet zu werden. Eine der Ursachen
der gefürchteten "weißen Plage" ist dieser Materialismus, der
vielleicht nicht einmal im gegenwärtigen Leben des Menschen besonders
nachweisbar zu sein braucht, der aber das Resultat vergangener materialistischer
Anschauungen und Behauptungen ist.
Wir haben vom Tod Plinius des Älteren,
zur Zeit der Zerstörung Pompejis, gesprochen. Es ist interessant,
das Schicksal eines solchen Gelehrten zu verfolgen, nicht so sehr des
Individuums, als des Lichtes wegen, das es auf die Art und Weise wirft,
wie die Okkultisten im Gedächtnis der Natur lesen, wie die Eindrücke
darauf hervorgebracht werden, und wie sich die Folgen der Vergangenheit
in den gegenwärtigen Bestrebungen äußern.
Wenn ein Mensch stirbt, so löst sich
sein dichter Körper auf. Die Gesamtsumme seiner Kräfte kann
aber in der siebten oder widerspiegelnden Erdschicht gefunden werden,
von der man sagen kann, daß sie vergangene Formen als Kräfte
aufbewahrt. Wenn wir die Todesstunde eines Menschen kennen und dieses
Reservoir durchforschen, so ist es möglich, dort seine Form zu finden.
Man findet sie nicht nur in der siebten
Schicht, da die achte oder atomistische Schicht sie vervielfältigt,
so daß jeder beliebige Typus von anderen wiederholt und abgeändert
werden kann. So wird er wieder und immer wieder zur Bildung anderer Körper
benutzt. Die Neigungen eines Gehirns wie Plinius des Älteren können
1000 Jahre später wiederholt und teilweise die Ursache der gegenwärtigen
Flut materialistischer Gelehrter geworden sein.
Für moderne materialistische Gelehrte
gibt es noch viel zu lernen und zu verlernen. Obwohl sie bis aufs Äußerste
das bekämpfen, was sie als "illusorische Ideen" der okkulten Gelehrten
bezeichnen, werden sie doch gezwungen, deren Wahrheiten eine nach der
anderen anzuerkennen und anzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann
sie genötigt sein werden, sie alle anzuerkennen.
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Mesmer, der von den Älteren Brüdern
gesandt wurde, ist restlos verlacht worden. Als aber die Materialisten
die von ihm entdeckte Kraft "Hypnotismus" anstatt "Mesmerismus" nannten,
wurde sie auf einmal "Wissenschaftlich".
Im Jahre 1889 sagte Frau H. P. Blavatsky,
eine treue Schülerin östlicher Meister, daß die Erde außer
den zwei Bewegungen, die Tag und Nacht und die Jahreszeiten hervorbringen,
eine dritte Bewegung habe. Sie sagte, daß die Bewegung der Erdachse
durch eine Bewegung hervorgebracht wird, die mit der Zeit den Nordpol
dorthin bringt, wo jetzt der Äquator ist, und dann dorthin, wo sich
jetzt der Südpol befindet. Dieses, sagte sie, sei den alten Ägyptern
bekannt gewesen, und die berühmte Planisphäre von Dendera zeige,
daß sie Kenntnis von drei Bewegungen hatten. Diese Feststellungen
wurden ebenso wie ihr unübertroffenes Werk "Die Geheimlehre" verschrien.
Vor ein paar Jahren entdeckte ein Astronom,
Herr G. E. Sutcliffe aus Bombay, daß Laplace in seinen Berechnungen
einen Fehler gemacht habe, was er auch mathematisch nachwies. Die Entdeckung
und Richtigstellung dieses Irrtums bestätigte mathematisch das Dasein
einer dritten Erdbewegung, wie H. P. Blavatsky sie angeführt hatte.
Sie lieferte auch eine Erklärung für die bisher verwirrende
Tatsache, daß in der Polarzone die Überreste tropischer Tiere
und Pflanzen gefunden wurden. Eine solche Bewegung muß unbedingt
in entsprechender Zeit an allen Orten der Erde tropische Perioden und
Eiszeiten erzeugen, wie es ihrer wechselnden Stellung der Sonne gegenüber
entspricht.
Herr Sutcliffe schickte der Zeitschrift
"Nature" darüber einen Bericht. Diese Zeitschrift weigerte sich jedoch,
ihn abzudrucken, und als der Autor seine Entdeckung schließlich
in einer Flugschrift veröffentlichte, erregte er einen Sturm von
Mißbilligung. Es war bekannt, daß er "Die Geheimlehre" eingehend
studiert hatte. Das erklärt die feindliche Annahme und ihre Begleiterscheinungen,
die seine Darstellung fand.
Später aber konstruierte ein Franzose,
der ein Mechaniker, aber kein Astronom war, einen Apparat, der die weitgehende
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Möglichkeit einer solchen Bewegung darstellte.
Der Apparat wurde in der Luisiana Purchase Exhibition in St. Louis ausgestellt
und von M. Camille Flammarion als der Forschung wert, aufs wärmste
begrüßt. Hier lag etwas Greifbares, etwas "Mechanisches" vor,
und der Herausgeber des Der Monist, der zwar den Erfinder als einen Mann
darstellte, der etwas unter "mystischen Illusionen" leide (er hatte nämlich
behauptet, daß die alten Ägypter Kenntnis von dieser dritten
Bewegung gehabt hätten), übersah dennoch großmütig
diese Entgleisung und sagte, daß er deshalb den Glauben an die Theorie
des Herrn Beziau nicht verloren habe. Er veröffentlichte einen Aufsatz
und eine Erklärung des Herrn Beziau, worin diese Bewegung und ihre
Wirkungen auf die Erde in ähnlichen Ausdrücken beschrieben wurden,
wie Frau Blavatzky und Herr Sutcliffe sie angewandt hatten. Herr Beziau
ist nicht ausdrücklich als ein Okkultist "deklariert", weshalb seine
Entdeckung in Betracht gezogen wird.
Man könnte viele Beispiele dafür
anführen, daß okkulte Belehrungen später von der materialistischen
Wissenschaft bestätigt wurden. Eine davon ist die Atomtheorie, die
in den griechischen Philosophien und später in der "Geheimlehre"
vertreten wird. Sie wurde dann 1897 angeblich von Professor Thomson "entdeckt".
In Herrn A. P. Sinnett's wertvollem Werk
"Das Wachstum der Seele", das 1896 veröffentlicht wurde, stellte
der Autor fest, daß sich außerhalb der Bahn des Neptun zwei
Planeten befinden, von denen jedoch seiner Ansicht nach nur einer von
den Astronomen entdeckt werden würde. In der Zeitschrift Nature,
August 1906, wird die Feststellung gemacht, daß Professor Barnard
durch den 36zölligen (ca. 91 cm) Lick-Refractor (Lick Sternwarte
in den USA) im Jahre 1892 einen solchen Planeten entdeckt habe. Er hatte
sich darin durchaus nicht geirrt, hatte aber mit der Veröffentlichung
der Entdeckung vierzehn Jahre gewartet. Darüber braucht man nicht
bekümmert zu sein. Die Hauptsache ist, daß der Planet da ist,
und daß A. P. Sinnett zehn Jahre zuvor, als Professor
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Barnard den Anspruch erhob, ihn entdeckt zu haben,
bereits in seinem Buch darüber geschrieben hatte. Vermutlich hätte
vor 1906 die Ankündigung des neuentdeckten Planeten Unordnung in
einige allgemein anerkannte Theorien gebracht!
Es gibt viele solcher Theorien. Die Kopernikanische
Theorie ist nicht absolut richtig, auch gibt es viele Tatsachen, die durch
die bekannte Nebeltheorie allein nicht geklärt werden können.
Der berühmte dänische Astronom Tycho Brahe wies die Kopernikanische
Theorie zurück. Er hatte gute Gründe, dem Ptolemäischen
System treu zu bleiben, weil die Bewegungen der Planeten darin durchaus
richtig berechnet wurden, während die Kopernikanische Theorie eine
Korrekturtabelle erforderte. Das Ptolemäische System ist vom Standpunkt
der Empfindungswelt aus richtig und enthält manches in der physischen
Welt Verwendbare.
Von vielen werden die Feststellungen, die
in den vorhergehenden Seiten gemacht wurden, als phantastisch angesehen.
Sei dem so! Die Zeit wird allen die Kenntnis der hier dargestellten Tatsachen
bringen. Dieses Buch ist nur für die wenigen geschrieben, die ihren
Verstand von den Fesseln der orthodoxen Wissenschaft und der orthodoxen
Religion befreit haben und die bereit sind, diese Lehren solange anzunehmen,
bis bewiesen wurde, daß sie falsch sind.
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XIX. Christian Rosenkreuz und der Orden der Rosenkreuzer
Alte Wahrheiten in modernem Kleid
Da im Publikum ein weitverbreitetes Verlangen
gefunden wurde, etwas über den Orden der Rosenkreuzer zu erfahren,
und da die wichtige Stellung, welche die Brüder vom Rosenkreuz in
der westlichen Zivilisation einnehmen, selbst bei unseren Schülern
wenig verstanden wird, scheint es angezeigt, authentische Informationen
zu diesem Thema zu geben.
Alles in der Welt unterliegt Gesetzen,
selbst unsere Evolution wird gesetzmäßig gelenkt. Geistige
und körperliche Entwicklung gehen Hand in Hand. Die Sonne ist die
physische Lichtquelle, und wie wir wissen, bewegt sie sich anscheinend
von Ost nach West, um einem Teil der Erde nach dem anderen Licht und Wärme
zu spenden. Die sichtbare Sonne ist aber nur ein Teil der Sonne, so wie
der sichtbare Körper nur ein kleiner Teil des zusammengesetzten Menschen
ist. Es gibt sowohl eine unsichtbare wie auch eine spirituelle Sonne,
deren Strahlen das Seelenwachstum auf einem Teil der Erde nach dem andern
fördern, so wie die physische Sonne das Wachstum der Form fördert.
Die spirituellen Impulse bewegen sich in derselben Richtung wie die physische
Sonne, von Ost nach West.
Sechs oder sieben Jahrhunderte vor Christus
wurde nahe den östlichen Ufern des stillen Ozeans eine neue Woge
der Geistigkeit in Bewegung gesetzt, um den Chinesen Aufklärung zu
bringen. Die Religion des Konfuzius hat bis auf unsere Tage viele Millionen
Anhänger. Später finden wir diese Woge in der Religion Buddhas,
einer Lehre, die dazu bestimmt war, das geistige Streben der Hindus und
der westlichen Chinesen wachzurütteln. In ihrem westlichen Lauf erscheint
sie unter den mehr intellektuellen Griechen in Form
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der hohen Philosophie eines Pythagoras und Plato und
dehnt sich endlich über die westliche Welt unter den Wegbereitern
der menschlichen Rasse aus, wo sie die erhabene Form des Christentums
annimmt.
Die christliche Religion hat ihren Weg
nach Westen bis zu den Ufern des stillen Ozeans genommen, wo die geistigen
Bestrebungen gesammelt und verdichtet werden. Dort werden sie ihren Höhepunkt
erreichen, ehe sie einen neuen Sprung über den Ozean tun, um im Orient
ein höheres und erhabeneres geistiges Erwachen zu veranlassen, als
es jetzt in irgendeinem Teil der Erde besteht.
So wie sich Tag und Nacht, Sommer und Winter,
Ebbe und Flut in ungebrochener Folge nach dem Gesetz der abwechselnden
Kreisläufe ablösen, so wird auch einer Periode geistiger Hochflut
in jedem Teil der Welt eine Periode materiellen Rückschlags folgen,
so daß unsere Entwicklung nicht einseitig werden wird.
Religion, Kunst und Wissenschaft sind die
drei wichtigsten Mittel der menschlichen Erziehung. Sie sind eine Dreiheit
in der Einheit, die nicht getrennt werden kann, ohne unseren Gesichtspunkt
in irgendeinem Forschungsgebiet zu verschieben. Wahre Religion umfaßt
sowohl Kunst als auch Wissenschaft, denn sie lehrt ein schönes Leben
in Harmonie mit den Naturgesetzen.
Wahre Wissenschaft ist künstlerisch
und religiös im höchsten Sinn, denn sie lehrt uns, Gesetze,
die unser Wohlbefinden betreffen, zu ehren und zu befolgen. Sie erklärt,
warum ein religiöses Leben der Gesundheit und Schönheit förderlich
ist.
Wahre Kunst ist so erzieherisch und so
erhebend in ihrem Einfluß wie die Religion. In der Architektur finden
wir eine höchst erhabene Darstellung der kosmischen Kraftlinien im
Weltall. Sie erfüllt den geistigen Beschauer mit einer mächtigen
Verehrung und Anbetung, die aus einer ehrfurchtgebietenden Vorstellung
der überwältigenden Größe und Herrlichkeit der Gottheit
entspringt. Die Bildhauerei und die Malerei, die Musik und die Literatur
durchdringen uns mit
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einem Erahnen der überragenden Herrlichkeit Gottes,
der unveränderlichen Quelle und des Zieles dieser wunderschönen
Welt.
Nur eine solche allumfassende Lehre wird
dem Verlangen der Menschheit dauerhaft entsprechen. In einer so späten
Epoche wie der griechischen gab es eine Zeit, in der Religion, Kunst und
Wissenschaft vereint in den Mysterientempeln gelehrt wurden. Aber zur
besseren Entwicklung jeder einzelnen wurde es notwendig, sie zeitweilig
zu trennen.
Im sogenannten "finsteren Mittelalter"
hatte die Religion die Alleinherrschaft. Während dieser Zeit band
sie sowohl Kunst als auch Wissenschaft an Händen und Füßen.
Dann kam die Periode der Renaissance, und die Kunst erhielt in allen ihren
Zweigen die Vorherrschaft. Die Religion war aber noch sehr stark, und
nur zu oft wurde die Kunst im Dienst der Religion entwürdigt. Zuletzt
kam die Woge der modernen Wissenschaft, welche die Religion mit eiserner
Hand unterdrückte.
Die Fesselung der Wissenschaft durch die
Religion brachte der Welt einen Rückgang. Unwissenheit und Aberglaube
verursachten unsagbares Leid, dennoch pflegte die Menschheit religiöse
Ideen und hoffte auf ein höheres und besseres Leben. Viel verderblicher
aber wirkte der vernichtende Einfluß der Wissenschaft auf die Religion,
denn sogar die Hoffnung, die einzige Gabe, welche die Götter in der
Büchse der Pandora zurückgelassen hatten, verblaßte vor
dem Materialismus und Agnostizismus.
Ein solcher Zustand kann nicht andauern.
Die Reaktion muß wieder eintreten. Tritt sie nicht ein, so müßte
Anarchie das Weltall zerreißen. Um dem zu begegnen, müssen
Religion, Kunst und Wissenschaft sich in einem noch höheren Ausdruck
des Guten, des Wahren und des Schönen, als sie ihn vor der Trennung
erzielt hatten, wiedervereinigen.
Kommende Ereignisse werfen ihre Schatten
voraus. Als die großen Führer der Menschheit die Neigung zum
Ultramaterialismus bemerkten, der jetzt die westliche Welt umkrampft,
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ergriffen sie gewisse Maßnahmen, um ihm in dieser
gefährlichen Zeit entgegenzuarbeiten und ihn umzuformen. Sie wünschten
nicht, die knospende Wissenschaft auf die gleiche Art zu töten, wie
diese die Religion erwürgt hatte, denn sie sahen das endlich Gute,
das entstehen muß, wenn eine fortgeschrittene Wissenschaft die Mitarbeiterin
der Religion geworden ist.
Eine spirituelle Religion kann sich mit
einer materiellen Wissenschaft nicht verschmelzen, so wenig wie sich Öl
mit Wasser zu verbinden vermag. Daher wurden Schritte unternommen, die
Wissenschaft zu vergeistigen und die Religion wissenschaftlicher zu gestalten.
Im 13. Jahrhundert erschien ein hoher geistiger
Lehrer, der den symbolischen Namen Christian Rosenkreuz (das christliche
Rosenkreuz) trug, um diese Arbeit zu beginnen. Er gründete den Geheimorden
der Rosenkreuzer mit dem Endziel, okkultes Licht auf die mißverstandene
christliche Religion zu werfen und die Geheimnisse des Lebens und des
Seins vom wissenschaftlichen Standpunkt in Harmonie mit der Religion zu
erklären.
Viele Jahrhunderte sind seit seiner Geburt
als Christian Rosenkreuz und Begründer der Rosenkreuzer-Mysterien-
Schule verstrichen und von vielen wird sein Dasein sogar als Mythos betrachtet.
Doch bezeichnet seine Geburt als Christian Rosenkreuz den Beginn einer
neuen Epoche im geistigen Leben der westlichen Welt. Dieses besondere
Ego hat seither ununterbrochen physisch in dem einen oder anderen europäischen
Land gewirkt. Wenn seine alten Träger verbraucht waren, nahm er einen
neuen Körper an, oder wenn es die Umstände erforderten, daß
er den Ort seiner Wirksamkeit wechselte. Er ist auch heute als ein Eingeweihter
hohen Grades verkörpert und in allen Angelegenheiten des Westens
ein tätiger Faktor, obwohl die Welt nichts davon weiß.
Er arbeitete Jahrhunderte vor dem Erwachen
der modernen Wissenschaft im Kreis der Alchimisten und inspirierte durch
einen Vermittler die jetzt verstümmelten Werke des Bacon.
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Jakob Böhme und andere erhielten durch ihn die
Inspiration, die ihre Werke so geistig erleuchtend macht. In den Werken
des unsterblichen Goethe und in den Meisterkompositionen Richard Wagners
begegnet uns derselbe Einfluß. Alle unerschrockenen Geister, die
sich weder von orthodoxer Wissenschaft noch von orthodoxer Religion fesseln
lassen, die die Hüllen wegwerfen und ohne Rücksicht auf Bosheit
oder Schmeichelei zum geistigen Kern durchdringen, hatten und haben ihre
Inspirationen aus derselben Quelle wie der große Geist, der Christian
Rosenkreuz beseelte.
Schon sein Name ist eine Verkörperung
der Art und der Mittel, durch die der Mensch unserer Tage in den göttlichen
Übermenschen transformiert wird.
Dieses Symbol: "Christian Rosen-Kreuz" (das christliche Rosen-Kreuz),
zeigt uns Zweck und Ziel der menschlichen Entwicklung,
den Weg, der beschritten werden muß und die Mittel, durch die dieses
Ziel erreicht werden kann. Das schwarze Kreuz, in dem grünen, das
Kreuz umrankenden Stamm der Pflanze, in den Dornen, den blutroten Rosen,
liegt die Lösung des Weltmysteriums verborgen: die vergangene Entwicklung,
die gegenwärtige Zusammensetzung und vor allem das Geheimnis der
künftigen Entwicklung.
Es verbirgt sich dem Laien, enthüllt
aber dem Eingeweihten um so klarer, wie er Tag für Tag zu arbeiten
hat, um jenen seltensten aller Edelsteine, den Stein der Weisen (der wertvoller
ist als der Kohinor, nein, als alle Schätze der Welt) durch tägliche
treue Arbeit für sich selbst herzustellen. Es erinnert ihn daran,
wie die Menschheit in ihrer Unwissenheit stündlich das vorhandene
Material verwüstet, das zur Bildung dieses unbezahlbaren Schatzes
verwendet werden könnte.
Damit der Mensch standhaft und treu in
allen Widerwärtigkeiten des Lebens bleibe, weist das Rosenkreuz gleich
einer
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Erleuchtung auf die glorreiche Vollendung dessen hin,
der überwindet. Es weist auf Christus als den Stern der Hoffnung,
auf die "ersten Früchte" durch ihn, der diesen wunderbaren Stein
schuf, als er den Körper Jesu bewohnte.
Forschungen haben erwiesen, daß alle
religiösen Systeme eine Lehre enthielten, die nur für die Priesterschaft
reserviert war, und die der Menge vorenthalten wurde. Auch Christus sprach
zum Volk in Gleichnissen. Er erklärte seinen Jüngern den inneren
Sinn dieser Gleichnisse, um in ihnen ein tiefes Verständnis zu wecken,
das ihrem entwickelten Geist entsprach.
Paulus gab den Säuglingen oder jüngeren
Gliedern der Gemeinde "Milch", aber den Starken, die tiefer eingedrungen
waren, "Fleisch". So gab es zu allen Zeiten innere und äußere
Lehren. Diese inneren Lehren wurden in den sogenannten Mysterienschulen
erteilt, die je nach Zeitalter verschieden waren, um sich den Bedürfnissen
des Volkes anzupassen, unter dem sie zu wirken bestimmt waren.
Der Orden der Rosenkreuzer ist nicht allein
eine Geheimgesellschaft. Er ist eine der Mysterienschulen. Die Brüder
sind Hierophanten der kleineren Mysterien, Wächter der geheiligten
Lehren. Sie sind eine geistige Kraft, die mächtiger im Leben der
westlichen Welt ist als irgendeine der sichtbaren Regierungen, obwohl
sie nicht auf eine solche Art auf die Menschheit einwirken dürfen,
daß sie ihres freien Willens beraubt wird.
Da der Entwicklungsweg immer vom Charakter
des Strebenden abhängt, gibt es zwei Wege, den mystischen und den
intellektuellen. Der Mystiker ist gewöhnlich ohne intellektuelles
Wissen. Er folgt den Geboten seines Herzens und ist bestrebt, den Willen
Gottes zu erfüllen, wie er ihn erfühlt. Er erhebt sich, ohne
sich irgend eines bestimmten Zieles bewußt zu sein, und gelangt
am Ende zur Erkenntnis. Im Mittelalter waren die Völker nicht so
intellektuell, wie wir es heutzutage sind, und die, welche den Ruf eines
höheren Lebens fühlten, schlugen gewöhnlich den mystischen
Pfad ein. Aber während der letzten Jahrhunderte, seit dem Aufschwung
der modernen
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Wissenschaft, wurde die Erde von einer mehr intellektuellen
Menschheit bevölkert. Der Kopf hat vollständig die Oberherrschaft
über das Herz gewonnen, der Materialismus dagegen hat alle vergeistigenden
Impulse unterjocht. Die meisten Menschen glauben das, was sie greifen,
schmecken oder fühlen. Es ist daher Zeit für einen Appell an
den Intellekt. Das Herz muß glauben dürfen, was es gutheißt.
Auf diese Forderung hin versuchen die Mysterienlehren der Rosenkreuzer,
wissenschaftliche Tatsachen mit spirituellen Wahrheiten zu verbinden.
In der Vergangenheit waren diese Lehren
nur wenigen Eingeweihten bekannt, und selbst heute sind sie für die
Welt des Westens noch sehr mysteriös und geheim. Alle sogenannten
"Enthüllungen" der Vergangenheit, die angeblich Rosenkreuzergeheimnisse
preisgaben, waren entweder Betrug oder die Folge von Verrat Außenstehender,
die vielleicht Bruchstücke von Gesprächen aufgefangen haben
können, die allen unverständlich sein müssen, außer
denen, die den Schlüssel dazu haben. Es ist möglich, daß
man mit einem Eingeweihten irgendeiner Schule unter demselben Dach und
im innigsten Verhältnis lebt, das Geheimnis in seiner Brust wird
aber doch verborgen bleiben, bis sein Freund die Stufe erreicht hat, auf
der er ein Bruder-Eingeweihter werden kann. Die Enthüllung der Geheimnisse
hängt nicht vom Willen des Eingeweihten ab, sondern von der Eignung
des Strebenden.
Wie alle andern Geheimorden folgt auch
der Orden der Rosenkreuzer kosmischen Gesetzen. Wenn wir Kugeln von gleicher
Größe nehmen und prüfen, wie vieler wir bedürfen,
um eine zu bedecken, so daß wir sie den Blicken entziehen, dann
werden wir finden, daß zwölf Kugeln erforderlich sind, um eine
dreizehnte zu verbergen. Das letzte Teilungsglied physischen Stoffes,
das wahre Atom, das im interplanetarischen Raum gefunden wird, ist ebenfalls
auf einer Grundlage der Zwölf um die Eins aufgebaut. Die zwölf
Tierkreiszeichen hüllen unser Sonnensystem ein. Die zwölf Halbtöne
der musikalischen Skala umfassen die Oktave. Zwölf Apostel sammelten
sich um Christus. So gibt es noch andere Beispiele, die uns das Gesetz
der Zwölf mit der Eins lehren.
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Auch der Orden der Rosenkreuzer besteht aus zwölf
Brüdern und einem Dreizehnten.
Man kann aber auch andere Teilungen beobachten.
Wir haben gesehen, daß sich aus der himmlischen Schar der Schöpferischen
Hierarchien, die an unserem Evolutionsplan tätig waren, fünf
in die Freiheit zurückgezogen haben und nur sieben zurückblieben,
um sich mit unserem weiteren Fortschritt zu befassen. Dem entspricht es,
daß der heutige Mensch, das innewohnende Ego, der Mikrokosmos, nach
auswärts durch sieben sichtbare Öffnungen in seinem Körper
wirkt: zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher und ein Mund, während
fünf weitere Öffnungen ganz oder teilweise geschlossen sind:
die Brustdrüsen, der Nabel und die zwei Ausscheidungsorgane.
Die sieben Rosen, die unser schönes
Emblem bekränzen, und der fünfeckige, strahlende Stern dahinter,
sind Sinnbilder der zwölf großen schöpferischen Hierarchien,
die dem sich entwickelnden Ego während seiner vorhergehenden Stadien
im mineralischen, pflanzlichen und tierischen Zustand und während
seines unbewußten Zustandes, in dem es unfähig war, für
sich zu sorgen, beistanden. Von diesen zwölf Scharen großer
Wesenheiten arbeiteten drei am Menschen aus eigenem freiem Willen und
ohne irgendeine Verpflichtung.
Diese werden durch die drei aufwärts
weisenden Spitzen des Sterns auf unserem Emblem versinnbildlicht. Weitere
zwei große Hierarchien sind im Begriff sich zurückzuziehen.
Diese werden durch die beiden nach unten weisenden Spitzen dargestellt.
Die sieben Rosen enthüllen die Tatsache, daß noch weitere sieben
große schöpferische Hierarchien an der Entwicklung der Wesen
auf der Erde tätig sind. Da alle diese Wesen, von den kleinsten bis
zu den größten, nur Teile eines großen Ganzen sind, das
wir Gott nennen, so ist das ganze Emblem ein Sinnbild Gottes in Manifestation.
Der hermetische Grundsatz sagt: "Wie oben,
so unten." Die weniger bedeutenden Lehrer der Menschheit sind auch nach
denselben kosmischen Richtlinien von 7, 5 und 1 angeordnet.
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Auf der Erde gibt es sieben Schulen der
kleineren Mysterien und fünf der größeren Mysterien. Das
Ganze untersteht einem gemeinsamen Oberhaupt, das der Befreier (Liberator)
genannt wird.
Der Orden der Rosenkreuzer entsendet, wann
immer es erforderlich ist, sieben Brüder in die Welt. Sie erscheinen
als Menschen unter den Menschen, oder arbeiten in ihren unsichtbaren Trägern
mit oder an anderen, je nachdem es benötigt wird. Man muß sich
aber immer dessen bewußt sein, daß sie niemanden gegen seinen
Willen oder Wunsch beeinflussen, sondern sie bestärken nur das Gute,
wo immer sie es finden.
Die zurückbleibenden fünf Brüder
verlassen den Tempel nie. Obwohl sie dichte Körper besitzen, verrichten
sie alle ihre Arbeit von den inneren Welten aus.
Der Dreizehnte ist das Haupt des Ordens
und das Bindeglied zu einem höheren Zentralrat, der aus Hierophanten
der größeren Mysterien besteht. Dieser Rat befaßt sich
jedoch überhaupt nicht mit der durchschnittlichen Menschheit, sondern
nur mit den Eingeweihten der kleineren Mysterien.
Das Haupt des Ordens wird vor der Welt
durch die zwölf Brüder verborgen, wie die zentrale Kugel, die
in unserem vorhergehenden Gleichnis erwähnt wurde. Sogar die Schüler
der Schulen sehen ihn nie, aber bei den nächtlichen Diensten im Tempel
wird seine Gegenwart, wann immer er eintritt, von allen gefühlt,
was dann auch das Zeichen für den Beginn der Zeremonie bedeutet.
Um die Brüder vom Rosenkreuz schart
sich als deren Schüler eine Anzahl von "Laienbrüdern". Es sind
dies Menschen, die in verschiedenen Teilen der westlichen Welt leben,
die aber fähig sind, ihre Körper bewußt zu verlassen.
Sie wohnen dem Dienst bei und nehmen Anteil an der geistigen Arbeit im
Tempel. Jeder einzelne von ihnen wurde hierin von einem der Älteren
Brüder "eingeweiht". Die meisten von ihnen sind fähig, sich
all dessen, was geschehen ist, zu erinnern. Es gibt aber auch einige wenige
Fälle, in denen die Fähigkeit, den Körper zu verlassen,
in einem der vorherge-
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henden tugendhaften Leben erworben wurde, und bei denen
eine Drogenabhängigkeit oder eine in diesem Leben zugezogene Krankheit
das Gehirn ungeeignet machte, Eindrücke von der Arbeit zu empfangen,
bei der sich der Mensch außerhalb seines dichten Körpers befand.
Einweihung (Initiation)
Im allgemeinen stellt man sich unter einer
Einweihung eine Zeremonie vor, durch die man Mitglied einer geheimen Gesellschaft
wird. Man meint, sie könne jedem zuteil werden, der gewillt ist,
einen gewissen Preis (in den meisten Fällen eine Geldsumme) dafür
zu zahlen.
Das trifft bei den sogenannten Einweihungen
in brüderlichen Verbänden und auch bei den meisten pseudo-okkulten
Orden wohl zu. Diese Auffassung ist aber ganz und gar falsch, wenn es
sich um Einweihungen in die verschiedenen Grade einer wirklich okkulten
Bruderschaft handelt. Etwas Verständnis für die wirklichen Erfordernisse
und ihre Vernünftigkeit wird dies sogleich deutlich machen.
In erster Linie gibt es keinen goldenen
Schlüssel zum Tempel. Der Verdienst zählt und nicht das Geld.
Verdienste erwirbt man nicht an einem Tag, sie sind die gesammelten Früchte
vergangener guter Taten. Der Anwärter zur Einweihung ist sich gewöhnlich
dessen gar nicht bewußt, daß er Anwärter ist. Meist lebt
er sein Leben unter den Menschen und dient durch Tage und Jahre hindurch,
ohne irgendeinen jenseitigen Gedanken, bis eines Tages der Lehrer, ein
Hierophant der kleineren Mysterien, in sein Leben tritt; das geschieht
in einer Weise, die dem Land angepaßt ist, in dem er lebt. Der Kandidat
hatte in sich gewisse Fähigkeiten gepflegt, gewisse Kräfte des
Dienstes und der Hilfe gespeichert, deren er sich für gewöhnlich
nicht bewußt ist, oder von denen er nicht weiß, wie sie richtig
zu verwerten sind. Nun ist die Arbeit des Einweihenden leicht. Er zeigt
dem Kandidaten die schlummernden Fähigkeiten, die schlafenden Kräfte,
und weiht ihn in ihren Gebrauch ein. Er erklärt oder
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zeigt ihm zum ersten Mal, wie der Kandidat seine statische
Energie zu einer dynamischen Kraft erwecken kann.
Einweihung (Initiation) kann durch eine
Zeremonie vollzogen werden oder nicht. Es ist besonders zu bemerken, daß
die Einweihung, die der unausbleibliche Höhepunkt fortgesetzter geistiger
Bemühungen ist, niemals, ob nun bewußt oder unbewußt,
im Kandidaten wirklich stattfinden kann, bevor nicht die nötige innere
Entwicklung die latenten Kräfte aufgespeichert hat. Diese kraftvoll
zu verwerten, lehrt die Einweihung. Das Ziehen eines Hahnes kann in der
Flinte keine Explosion hervorrufen, wenn die Flinte nicht vorher geladen
wurde.
Es besteht keine Gefahr, daß der
Lehrer irgendjemand übersehen könnte, der die nötige Entwicklung
bereits erlangt hat. Jede gute und selbstlose Handlung vermehrt die Leuchtund
Schwingungskraft der Aura des Anwärters außerordentlich. So
wahr, wie der Magnet die Nadel anzieht, wird auch das Leuchten des aurischen
Lichtes den Lehrer bringen.
Selbstverständlich ist es nicht möglich,
in einem Werk, das für die breite Öffentlichkeit bestimmt ist,
die Stadien der Einweihungen in die Rosenkreuzerbruderschaft zu behandeln.
Das wäre ein Vertrauensbruch, auch wäre es aus Mangel an Worten
unmöglich, sich deutlich genug auszudrücken. Es ist aber erlaubt,
einen Umriß zu geben und den Zweck der Einweihung aufzuzeigen.
Die kleineren Mysterien befassen sich nur
mit der Entwicklung der Menschheit der Erdperiode. Während der ersten
dreieinhalb Kreisläufe der Lebenswoge um die sieben Globen hatten
die jungfräulichen Geister noch kein Bewußtsein erlangt. Daher
sind wir unwissend darüber, wie wir unseren heutigen Stand erreichten.
Der Strebende soll über diesen Punkt aufgeklärt werden. Durch
die Formel des Hierophanten während der Einweihung in den ersten
Grad wird das Bewußtsein auf die Seite des Naturgedächtnisses
gelenkt, welche die Berichte über den ersten Kreislauf enthält,
in dem wir die Entwicklung der Saturnperiode wiederholten. Dabei ist er
im vollen Besitz seines Wachbewußtseins. Er erinnert sich Tatsachen
des Lebens im 20. Jahrhundert, beobachtet jedoch bewußt den Fortschritt
der sich entwickelnden Schar
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der jungfräulichen Geister, denen er in der Saturnentwicklung
angehörte. So lernt er, wie die ersten Stufen in der Erdperiode gewonnen
wurden. Das Ziel dieser Entwicklung wird ihm durch einen später zu
vollziehenden Schritt enthüllt werden.
Nachdem er die Lehren aufgenommen hat,
die in Kapitel 10 beschrieben wurden, hat der Kandidat über diesen
Gegenstand seine Erkenntnisse aus erster Hand erworben. Er ist dabei in
unmittelbare Berührung mit den schöpferischen Hierarchien und
ihrer Arbeit gekommen, die sie an und mit dem Menschen leisteten. Daher
ist es nun dem Kandidaten möglich, ihre segensreiche Wirksamkeit
in der Welt zu würdigen und sich in gewissem Maß mit ihnen
auf eine Linie zu begeben, um auf diese Weise ihr Mitarbeiter zu werden.
Wenn die Zeit für ihn reif ist, um
den zweiten Grad der Einweihung zu erhalten, wird seine Aufmerksamkeit
in ähnlicher Weise auf die Ereignisse des zweiten Kreislaufes der
Erdperiode gerichtet, der im Gedächtnis der Natur abgebildet ist.
Dabei beobachtet er bewußt die Fortschritte, die während dieser
Zeit von den jungfräulichen Geistern erzielt wurden. Er tut es wie
"Peter Ibbetson", der sein Kinderleben während der Nächte beobachtete,
in denen er "Wahrträume" hatte. Im dritten Grad der Einweihung folgt
er dem Mondkreislauf, und im vierten Grad sieht er die Fortschritte, die
wir in der bereits zurückgelegten Hälfte des vierten oder Erdkreislaufes
erreichten.
In jedem Grad jedoch wird noch ein weiterer
Schritt gemacht. Der Schüler sieht außerdem zu der in jedem
Kreislauf verrichteten Arbeit noch die, welche in der entsprechenden Epoche
während unseres gegenwärtigen Aufenthaltes auf Globus D, auf
unserer Erde, geleistet wurde.
Während des ersten Grades folgt er
der Arbeit des Saturnkreislaufes und ihrer letzten Vollendung in der polarischen
Epoche.
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Im zweiten Grad folgt er der Arbeit des
Sonnenkreislaufs und der seines Ebenbildes, der hyperboreischen Epoche.
Während des dritten Grades beobachtet
er die Arbeit, die im Mondkreislauf vollzogen wurde, und sieht, wie sie
die Grundlage des Lebens in der lemurischen Epoche war.
Während des vierten Grades sieht er
die Entwicklung des letzten halben Kreislaufes mit der ihm entsprechenden
Zeitperiode unseres gegenwärtigen Aufenthaltes auf der Erde, nämlich
der ersten Hälfte der atlantischen Epoche, die endete, als die dichte,
nebelige Atmosphäre von Atlantis sich löste und die Sonne erstmals
über Land und Meer schien. Dann war die Nacht des Unbewußtseins
vorüber und die Augen des innewohnenden Ego wurden vollständig
geöffnet, wodurch es fähig wurde, das Licht der Vernunft auf
das Problem der Welteroberung zu lenken. Dies war die Zeit, wo der Mensch,
wie wir ihn jetzt kennen, zum ersten Mal geboren wurde.
Wenn wir von alten Einweihungssystemen
hören, in denen sich der Kandidat dreieinhalb Tage im Trancezustand
befand, so bezieht sich das auf die Zeit der Einweihung, die soeben beschrieben
wurde. Jene dreieinhalb Tage bezeichnen die Stufen, welche durchgemacht
wurden, und sind keineswegs 24 Stundentage. Die Dauer der Entwicklung
ist bei jedem Kandidaten verschieden. Immer wird ihm die unbewußte
Entwicklung der Menschheit während der vergangenen Kreisläufe
gezeigt, und wenn von ihm gesagt wird, daß er mit Sonnenaufgang
des vierten Tages erwache, so ist dies der mystische Ausdruck dafür,
daß die Einweihung in die Arbeit der unwillkürlichen Entwicklung
des Menschen zu dem Zeitpunkt ihren Abschluß fand, als die Sonne
erstmals über der reinen Atmosphäre von Atlantis aufging. Und
dann wird der Kandidat auch als ein "Erstgeborener" begrüßt.
Nachdem der Schüler mit dem Weg vertraut
wurde, den wir in der Vergangenheit durchliefen, führte ihn der fünfte
Grad bis zum Ende der Erdperiode. Dann wird eine glorreiche Menschheit
die Früchte dieser Periode sammeln können und sie von den sieben
Globen, die wir während der Evolution an jedem Offenbarungstag bewohnen,
auf den ersten der fünf dunklen Globen mitnehmen, die während
der kosmi-
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schen Nächte unseren Aufenthaltsort bilden werden.
Der dichteste von ihnen liegt in der Region der abstrakten Gedanken und
ist in Wahrheit das "Chaos", von dem auf Seite 249 und auf den darauf
folgenden Seiten gesprochen wurde. Dieser Globus ist auch der dritte Himmel,
und wenn Paulus davon spricht, daß er in den dritten Himmel erhoben
wurde und dort Dinge sah, die er rechtmäßigerweise nicht offenbaren
dürfe, so sprach er von Erfahrungen, die der fünften Stufe der
Einweihung der gegenwärtigen Rosenkreuzer entsprechen.
Nachdem das Ende des fünften Grades
gezeigt wurde, wird der Kandidat mit den Mitteln bekannt gemacht, durch
die dieses Ziel in den restlichen dreieinhalb Kreisläufen der Erdperiode
erreicht werden kann. Die vier restlichen Einweihungsgrade dienen diesen
Aufklärungen.
Durch die so gewonnene Einsicht ist er
fähig, bewußt mit den Kräften, die für das Gute wirken,
mitzuarbeiten und hilft so mit, unsere Befreiung zu beschleunigen.
Um eine allgemein falsche Auffassung zu
beseitigen, wollen wir dem Schüler klarmachen, daß wir nicht
Rosenkreuzer sind, nur weil wir ihre Lehren studieren. Selbst die Zulassung
in den Tempel berechtigt noch nicht, uns bei diesem Namen zu nennen. Der
Verfasser z.B. ist nur ein Laienbruder, ein Schüler, und würde
sich unter keinen Umständen Rosenkreuzer nennen.
Wir wissen wohl, daß ein Knabe, der
das Gymnasium absolviert hat, deswegen noch nicht zum Lehrer befähigt
ist. Er muß zuerst die Hochschule erfolgreich beenden und fühlt
sich vielleicht auch dann noch nicht zum Lehrer berufen. Genau so verhält
es sich in der Schule des Lebens. Selbst wenn jemand die Mysterienschule
der Rosenkreuzer beendet hat, ist er noch lange kein Rosenkreuzer. Erfolgreiche
Schüler der verschiedenen Schulen der kleineren Mysterien rücken
in die fünf Schulen der größeren Mysterien vor. In den
ersten vier legen sie die vier großen Einweihungen ab und erreichen
zum Schluß den Befreier (Liberator). Hier erst erhalten sie Erkenntnisse,
die andere Entwicklungsreihen betreffen. Es wird ihnen freigestellt, hier
zu bleiben und ihren Brüdern zu helfen oder in andere Evolutionsreihen
als
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Helfer einzutreten. Diejenigen, die sich zum Bleiben
entscheiden, erhalten verschiedene Stellungen, je nach ihren Begabungen
und ihrem natürlichen Hang. Unter diesen Mitleidvollen befinden sich
auch die Brüder vom Rosenkreuz, und es ist eine Frevel, den Rosenkreuzernamen
in den Staub zu ziehen, indem wir ihn auf uns selbst anwenden, solange
wir nur Schüler ihrer erhabenen Lehren sind.
Während der wenigen vergangenen Jahrhunderte
haben die Brüder für die Menschheit im Geheimen gearbeitet.
Jedesmal zu Mitternacht findet im Tempel ein Dienst statt. Die Älteren
Brüder - unterstützt von den Laienbrüdern, denen es möglich
ist, ihre weltliche Arbeit zu verlassen (denn viele von ihnen leben in
Ländern, in denen es Tag ist, wenn es in der Gegend des Rosenkreuzertempels
Mitternacht ist) - sammeln von überall in der westlichen Welt alle
Gedanken der Sinnlichkeit, der Gier, der Selbstsucht und des Materialismus.
Diese versuchen sie nun in reine Liebe, Wohlwollen, Altruismus und geistige
Bestrebungen umzuwandeln, um sie wieder in die Welt zurückzusenden
und dadurch alles Gute zu heben und zu ermutigen. Bestünde nicht
diese mächtige Quelle geistiger Schwingungen, so hätte der Materialismus
schon längst alle geistigen Bestrebungen erstickt, denn vom geistigen
Standpunkt aus gab es niemals ein dunkleres Zeitalter, als die letzten
300 Jahre des Materialismus.
Nun aber ist die Zeit gekommen, in der
die Methode geheimer Bemühungen durch eine mehr direkte Anstrengung
und die Verbreitung einer klaren, logischen und folgerichtigen Lehre -
den Ursprung, die Entwicklung und die weitere Entfaltung der Welt und
des Menschen betreffend - ergänzt werden soll. Darin soll beides,
die geistige wie auch die wissenschaftliche Seite aufgezeigt werden: Eine
Lehre, die nichts behauptet, das nicht durch Vernunft und Logik unterstützt
wird und die den Verstand befriedigt, indem sie ihm eine annehmbare Lösung
aller Geheimnisse anbietet. Sie fordert keine Fragen heraus, vermeidet
sie aber auch nicht, und ihre Erklärungen sind sowohl tief als auch
klar.
Aber, und das ist ein sehr wichtiges "Aber":
Die Rosenkreuzer betrachten ein intellektuelles Verständnis Gottes
und des Weltalls nicht als Ziel für sich. Weit gefehlt! Je größer
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der Intellekt, umso größer die Gefahr seines
Mißbrauches. Darum wird diese wissenschaftliche, logische und erschöpfende
Lehre gegeben, damit der Mensch in seinem Herzen glaube, was sein Kopf
gutgeheißen hat, und beginne ein religiöses Leben zu leben.
The Rosicrucian Fellowship (RCC)
Um diese Lehre zu verbreiten, ist die Rosicrucian
Fellowship gegründet worden, und jeder, der nicht ein HYPNOTISEUR,
ein berufsmäßiges(r) MEDIUM, HELLSEHER, HANDLESER oder ASTROLOGE
ist, kann sich als ein Schüler für den Einführungskurs
eintragen lassen, indem er an den esoterischen Sekretär der Rosicrucian
Fellowship, Box 713, Oceanside, 92049, CA, in den USA schreibt (siehe
auch Seite 616). Hier gibt es keine Gebühr für die Einweihung
oder Abgaben. Mit Geld kann man unsere Lehren nicht kaufen, der Fortschritt
hängt von Verdiensten ab.
Wenn ein Schüler der Rosenkreuzerlehren
so von ihrer Wahrheit durchdrungen ist, daß er bereit ist, seine
Verbindung mit allen anderen okkulten oder religiösen Orden aufzugeben
- die christlichen Kirchen und Brüderorden sind davon ausgenommen
- so kann er die Verpflichtung einge- hen, die ihn in den Grad eines Prüflings
zuläßt (nach frühestens zwei Jahren Schülerschaft
- d.Ü.).
Wir beabsichtigen nicht, durch die vorhergehende
Klausel den Gedanken wachzurufen, daß alle anderen okkulten Schulen
nicht zählen, denn viele Wege führen nach Rom. Wir erreichen
die Vollendung jedoch mit bedeutend weniger Anstrengung, indem wir einer
Mysterienschule folgen, als wenn wir im Zickzack von einem Pfad zu anderen
wechseln. In erster Linie sind unsere Zeit und Energie beschränkt,
weiter werden wir durch Familie, gesellschaftliche Pflichten etc. zusätzlich
gehemmt, die wir auf keinen Fall zum Vorteil unserer eigenen Selbstentwicklung
vernachlässigen dürfen! Um dem Minimum an Energie, das wir auf
uns selbst verwenden können, entgegenzukommen und um der Verzettelung
der wenigen Augenblicke, die zu unserer freien Ver-
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fügung stehen, vorzubeugen, wird von unseren Lehrern
verlangt, daß wir allen anderen Orden entsagen.
Die Welt ist ein Sammelplatz von Möglichkeiten.
Um aber den Vorteil irgendeiner davon wahrzunehmen, müssen wir unseren
Einsatz in eine bestimmte Richtung unserer Bemühungen lenken. Die
Entwicklung unserer geistigen Kräfte befähigt uns, unseren schwächeren
Mitmenschen zu helfen oder ihnen zu schaden. Sie ist aber nur gerechtfertigt,
wenn das Ziel ein Wirken im Dienste der Menschheit ist.
Die Methode der Rosenkreuzer zwecks Erlangung
der Vervollkommnung unterscheidet sich von anderen Systemen durch eine
Besonderheit. Vom ersten Anfang an ist sie darauf ausgerichtet, den Schüler
von der Abhängigkeit anderer frei zu machen, ihm im höchsten
Grad Selbstvertrauen einzuflößen und ihn zu befähigen,
im täglichen Leben unter allen Umständen allein zu stehen und
mit allen Zuständen fertig zu werden. Nur jemand, der auf diese Weise
Stärke und Ausgeglichenheit erlangt hat, kann den Schwächeren
helfen.
Wenn sich eine Anzahl von Menschen in einem
Kreis für Selbstentwicklung treffen, die negativen Richtlinien folgen,
so werden auf Grund ihres Prinzipes innerhalb relativ kurzer Zeit Erfolge
erzielt, da es leichter ist, sich mit dem Strom zu bewegen als dagegen.
Doch ist das Medium dabei nicht Herr seiner Handlungen, vielmehr der Sklave
einer geistigen Kontrolle. Daher sollten solche Versammlungen von Novizen
gemieden werden.
Selbst Gruppen, die sich in positiver Geisteshaltung
begegnen, werden von den Älteren Brüdern nicht empfohlen, da
bei solchen Versammlungen die schlummernden Kräfte aller Mitglieder
vereinigt werden und Visionen der inneren Welten, die durch irgendeinen
dort Anwesenden empfangen werden, zum Teil den Fähigkeiten anderer
dort anwesenden Personen zu verdanken sind. Die Wärme einer Kohle
in einem Ofen wird durch die sie umgebenden Kohlen erhöht und der
Hellseher, der in einem solchen Kreis hervorgebracht wird, auch wenn dieser
noch so positiv ist, gleicht einer Treibhauspflanze, die selbst zu abhängig
ist, um anderen helfen zu können.
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Darum vollbringt jeder Prüfling (Novize)
der Rosicrucian Fellowship seine Übungen in der Abgeschiedenheit
seines Zimmers. Durch dieses System werden Erfolge vielleicht langsamer
erzielt, doch wenn sie erscheinen, werden sie sich als selbsterworbene
Kräfte zeigen, die unabhängig von anderen verwendet werden können.
Außerdem erbauen die Methoden der Rosenkreuzer im Gleichklang mit
der geistigen Entwicklung auch den Charakter und bewahren in späterer
Folge den Schüler davor, in die Versuchung zu verfallen, göttliche
Kräfte um weltlicher Vorteile willen zu mißbrauchen.
Wenn der Prüfling mit den nötigen
Erfordernissen ausgestattet ist und die Bedingungen der Probezeit (die
mindestens fünf Jahre dauert - d.Ü.) erfüllt hat, kann
er über das esoteri- sche Sekretariat der Weltzentrale der Rosicrucian
Fellowship eine Bitte um persönliche Belehrungen an die Älteren
Brüder richten. (Wird dieser Bitte entsprochen, so steigt der Prüfling
zum Jünger auf und erlangt nach und nach die Befähigung, um
als unsichtbarer Helfer zu wirken - d.Ü.)
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