Die Rosenkreuzer-Weltanschauung

von Max Heindel




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Diagramm 15: Die sieben Schöpfungstage und die vier großen Einweihungen

Die gewöhnliche Menschheit folgt dem Pfad der Spirale, der Eingeweihte geht den geraden und schmalen Weg, der ihn führt

                  zu
                 GOTT
                                7
    1                     Vulkanperiode
Saturnperiode               die Woche
(Samstag)             (alle Tage umfassend)
 Violett                      Weiß
                      (enthält alle Farben)
     6                         2
Venusperiode             Sonnenperiode
 (Freitag)                 (Sonntag)
    Rot                     Indigo
      3                       5
 Mondperiode           Jupiterperiode
  (Montag)              (Donnerstag)
    Blau                   Orange
       4                     
     Erd-                -Periode
 Merkurhälfte           Marshälfte
(Mittwoch) gelb       (Dienstag) grün
        Der Weg der Einweihung

  

Es gab keine Einweihung vor dem Ende der Marshälfte der Erdperiode. Die kleineren Mysterien umfassen die menschliche Entwicklung während der Merkurhälfte der Erdperiode

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   Die schwarze Schlange im Diagramm 15 zeigt den sich windenden zyklischen Pfad der Involution an und umfaßt die Saturn-, Sonnen- und Mondperiode, sowie die Marshälfte der Erdperiode, während denen das sich entwikelnde Leben seine Träger aufbaut, sich jedoch der Außenwelt nicht vor der späteren Zeit der atlantischen Epoche bewußt wird.

   Die weiße Schlange bezeichnet den Weg, den die Menschheit in der Merkurhälfte der Erdperiode, in der Jupiter-, Venus- und Vulkanperiode durchmachen wird, während denen sich das Bewußtsein des Menschen in das einer allwissenden schöpferischen Intelligenz verwandeln wird.

   Der Schlangenweg wird von der größten Mehrheit verfolgt, aber der "Merkurstab", um den sich die Schlangen winden, zeigt den "geraden und engen Weg", den Pfad der Einweihung, der diejenigen, die ihn gehen, befähigt, in wenigen Leben das zu erreichen, wofür die Mehrheit der Menschen Millionen von Jahren benötigt.

   Es braucht kaum gesagt zu werden, daß eine Beschreibung des Vorganges der Einweihung nicht gegeben werden kann. Das erste Gelübde des Eingeweihten ist Schweigen. Aber selbst, wenn es gestattet wäre, so ist diese Angelegenheit für uns nicht wichtig. Wenn wir den Evolutionsweg aus der Vogelperspektive betrachten, ist es unsere Aufgabe, das Resultat des Einweihungsvorganges festzustellen.

   Die Gesamtwirkung der Einweihungen ist es, dem geistig Strebenden eine Gelegenheit zu geben, seine höheren Fähigkeiten und Kräfte in kurzer Zeit und durch strenge Übungen zu entwickeln und dadurch eine Bewußtseinserweiterung zu erlangen, welche die ganze Menschheit sicherlich zu ihrer Zeit besitzen wird. Die meisten ziehen es aber vor, sie durch den langsamen Prozeß der normalen Evolution zu erlangen. Wenn der Aspirant durch die aufeinanderfolgenden großen Einweihungen hindurchgeht, so lernt er die Bewußtseinszustände kennen und weiß, was für Kräfte sie bergen.

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   Natürlich müssen wir wissen, wie diese zukünftigen Zustände und Kräfte für die Menschheit im allgemeinen sein werden. Einige Hinweise sind bereits gegeben worden, und einige andere können logischerweise nach dem Gesetz der Entsprechungen aus diesen abgeleitet werden, um ein ziemlich abgerundetes Bild der Evolution zu geben, die uns allen bevorsteht, und um die Erhabenheit der großen Stufen in der Einweihung zu zeigen. Hierzu ist uns ein Rückblick auf die verschiedenen Schritte behilflich, die der Mensch während seiner Entwicklung durch die verschiedenen Perioden gemacht hat.

   Wir erinnern uns, daß während der Saturnperiode das Bewußtsein des Menschen so dumpf war wie das des dichten Körpers, wenn er in den tiefsten Trancezustand versetzt wird. Dem folgte in der Sonnenperiode das Bewußtsein des traumlosen Schlafes. Während der Mondperiode zeigte sich das erste Aufleuchten des Erwachens durch innere Bilder äußerer Dinge. Das gesamte Bewußtsein bestand aus solchen inneren Bildern äußerer Gegenstände, Farben oder Klängen. Endlich, im späteren Teil der atlantischen Epoche, wurde dieses Bildbewußtsein durch das gegenwärtige vollwache Bewußtsein ersetzt. Man konnte nun die Gegenstände außerhalb (seiner selbst) in klaren, deutlichen Umrissen wahrnehmen. Als dieses objektive Bewußtsein der Außenwelt erreicht wurde, begann der Mensch die Außenwelt zu sehen und machte sich zum erstenmal den Unterschied zwischen sich "selbst" und "den anderen" völlig klar. Er erkannte seine Getrenntheit, und von da ab wurde das "Ich"-Bewußtsein, der Egoismus, vorherrschend. Vor dieser Zeit hatten sich keine Gedanken oder Ideen mit der Außenwelt befaßt, daher war keine Erinnerung an Ereignisse zustandegekommen.

   Der Wechsel vom inneren Bildbewußtsein zum objektiven Selbstbewußtsein wurde in einem sehr langsamen Vorgang wirksam, der seiner Erhabenheit entsprach. Er dauerte von dem Dasein auf Globus C im dritten Weltkreislauf der Mondperiode bis in den späteren Teil der atlantischen Periode.

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   Während dieser Zeit ging das sich entwickelnde Leben durch vier große Zustände tier-ähnlicher Entwicklungen hindurch, ehe es die menschliche Stufe erreichte. Diese Schritte der Vergangenheit entsprechen vier Stadien, die schon durchlaufen worden sind, und den vier Einweihungen.

   Innerhalb dieser vier Stadien des Bewußtseins, die vorher durchlaufen wurden, gibt es im ganzen 13 Schritte, und vom gegenwärtigen Zustand des Menschen bis zur Erreichung der letzten großen Einweihung bestehen ebenfalls 13 Einweihungen, und zwar die neun Grade der kleineren Mysterien und die vier großen Einweihungen.

   In unserer gegenwärtigen Tierwelt besteht eine ähnliche Teilung, welche durch die Form verfolgt werden kann. Da die Form der Ausdruck des Lebens ist, muß natürlich jeder Schritt ihrer Entwicklung einem Schritt in der Erweiterung des Bewußtseins entsprechen.

   Cuvier war der erste, der das Tierreich in vier große Hauptklassen teilte, aber seine Einteilung dieser Hauptklassen in Unterabteilungen war nicht so erfolgreich. Der Embryologe Karl Ernst von Baer, auch Professor Agassiz und andere Gelehrte teilten das Tierreich wie folgt in vier Haupt- und dreizehn Unterklassen ein:

   I.   Strahltiere:
        1. Polypen, Seeanemonen und Korallen
        2. Quallen
        3. Seesterne, Seeigel
   II.  Mollusken:
        4. Muscheln (Austern usw.)
        5. Schnecken
        6. Cephalopoden
   III. Gliedertiere:
        7. Würmer
        8. Krustentiere (Hummern usw.)
        9. Insekten

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   IV.  Wirbeltiere:
        10. Fische
        11. Reptilien
        12. Vögel
        13. Säugetiere

   Die ersten drei Abteilungen entsprechen den verbleibenden drei Kreisläufen der Merkur-Hälfte der Erdperiode, und ihre neun Stufen den neun Graden der kleineren Mysterien, die im allgemeinen durch die Menschheit erreicht sein werden, wenn sie in der Mitte des letzten Kreislaufes der Erdperiode angelangt ist.

   Die vierte Abteilung des Tierreiches hat vier Unterabteilungen: Fische, Reptilien, Vögel und Säugetiere. Die so angezeigten Bewußtseinsschritte entsprechen ähnlichen Fortschrittsstufen, die von der Menschheit am Ende der Erd-, in der Jupiter-, Venus- und Vulkanperiode erreicht werden sollen, und die jeder dazu befähigte Mensch jetzt durch die Einweihung erreichen kann. Die erste der großen Einweihun- gen vermittelt den Bewußtseinszustand der gewöhnlichen Menschheit am Ende der Erdperiode, die zweite den am Ende der Jupiterperiode, die dritte gibt uns die Erweiterung des Bewußtseins, welche am Ende der Venusperiode erreicht sein wird. Die vierte und letzte bringt dem Eingeweihten die Macht und Allwissenheit, die von der Mehrheit erst am Ende der Vulkanperiode errungen sein wird.

   Das objektive Bewußtsein, durch das wir Kenntnis von der Außenwelt erlangen, hängt davon ab, was wir auf dem Weg unserer Sinne wahrnehmen. Dies nennen wir "wirklich" im Gegensatz zu den Gedanken und Ideen, die durch unser inneres Bewußtsein zu uns gelangen. Deren Wirklichkeit wird uns nicht so offenbar wie die Wirklichkeit eines Buches oder eines Tisches oder irgend eines anderen im Raum sichtbaren oder greifbaren Gegenstandes. Die Gedanken und Ideen scheinen unklar und unwirklich zu sein, darum sprechen wir von einem "bloßen" Gedanken oder von "nur" einer Idee.

   Die Gedanken und Ideen von heute haben jedoch eine Evolution vor sich. Es ist ihnen bestimmt, ebenso wirklich,

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klar und greifbar zu werden wie irgend ein Gegenstand der Außenwelt, den wir gegenwärtig durch die physischen Sinne wahrnehmen. Gegenwärtig ist der Gedanke an einen Gegenstand oder an eine Farbe, deren Bild uns durch das Gedächtnis zugeführt wird, nur ein trüber und schattenhafter Abglanz der Wirklichkeit.

   Mit dem Beginn der Jupiterperiode wird in dieser Hinsicht eine deutliche Veränderung erfolgen. Dann werden die Traumbilder der Mondperiode wiederkehren, sie werden dann aber dem Ruf des Denkers gehorchen und nicht nur Nachbildungen der äußeren Gegenstände sein. So wird eine Verquickung der Bilder der Mondperiode und der Gedanken und Ideen stattfinden, die während der Erdperiode bewußt entwikelt wurden, d.h. wir werden dann ein selbst-bewußtes Bild-Bewußtsein besitzen.

   Wenn ein Mensch der Jupiterperiode "rot" sagt oder den Namen eines Dinges ausspricht, entsteht eine klare und genaue Wiedergabe der besonderen Schattierungen von rot, an die er denkt, oder es wird der Gegenstand, auf den er sich bezieht, seinem inneren Gesicht erscheinen und auch dem Zuhörer völlig sichtbar sein. Es wird kein Mißverstehen des gesprochenen Wortes mehr geben. Die Gedanken und Ideen werden lebendig und sichtbar sein, und darum werden Heuchelei und Schmeichelei vollkommen ausgeschaltet sein. Man wird die Menschen genau so sehen können, wie sie sind. Es wird sowohl gute als auch böse Menschen geben, doch werden sich diese beiden Eigenschaften nicht in einem Menschen mischen. Es werden die beiden Typen des vollkommen guten Menschen und des vollkommen bösen Menschen bestehen, und eine der Hauptaufgaben dieser Zeit wird die Lösung des Problems sein, wie die letzteren behandelt werden müssen. Die Manichäer, ein Orden von höherer Geistigkeit als die Rosenkreuzer, studieren gegenwärtig dieses verwickelte Problem. Ein Begriff des angedeuteten Zustandes kann aus einer kurzen Wiedergabe ihrer Legende gewonnen werden. (Alle mystischen Orden haben eine Legende, die für ihre Ideale und Bestrebungen symbolhaft ist.)

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   Die Legende der Manichäer erzählt von zwei Königreichen, dem der Lichtelfen und dem der Nachtelfen. Diese greifen die Lichtelfen an, werden besiegt und müssen bestraft werden. Aber da die Lichtelfen vollkommen gut, wie die Nachtelfen schlecht sind, können sie ihren Feinden nichts Böses antun, sondern müssen sie mit Gutem bestrafen. Darum wird ein Teil des Reiches der Lichtelfen in das der Nachtelfen einverleibt, da auf diese Weise das Böse mit der Zeit überwunden wird. Haß beugt sich nicht dem Haß, der Liebe aber muß er unterliegen.

   Die inneren Bilder der Mondperiode waren ein gewisser Ausdruck der äußeren Umgebung des Menschen. In der Jupiterperiode werden sich die Bilder aus dem Inneren heraus ausdrücken. Sie werden ein Ergebnis des Innenlebens des Menschen sein. Auch wird er die in der Erdperiode erworbene Fähigkeit besitzen, Dinge außerhalb seiner selbst zu sehen. Während der Mondperiode sah er keine konkreten Gegenstände, sondern nur deren Seeleneigenschaften. In der Jupiterperiode wird er beides sehen können und dadurch eine vollkommene Wahrnehmung und ein vollkommenes Verstehen seiner Umgebung haben. In einem späteren Stadium dieser Periode wird dieser Wahrnehmungsfähigkeit ein noch höherer Zustand folgen. Sein Vermögen, sich klare, geistige Vorstellungen von Farben, Tönen und Dingen zu machen, wird es ihm ermöglichen, mit übersinnlichen Wesen verschiedener Ordnungen in Verbindung zu treten, sie zu beeinflussen, sich ihren Gehorsam zu sichern und ihre Kräfte nach seinem Willen einzusetzen. Er wird unfähig sein, aus sich selbst heraus Kräfte zu entsenden, um seine Absichten auszuführen. Er wird dann auf die Hilfe dieser übersinnlichen Wesen angewiesen sein, die dann in seinen Diensten stehen werden.

   Am Ende der Venusperiode wird er die Fähigkeit besitzen, seinen Bildern aus eigener Kraft Leben zu geben und sie als Gegenstände außerhalb seiner selbst in den Raum zu setzen. Er wird dann ein objektives, selbst-bewußtes, schöpferisches Bewußtsein haben.

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   Über das hochgeistige Bewußtsein, welches in der Vulkanperiode erreicht werden wird, kann sehr wenig gesagt werden. Es liegt völlig außerhalb unseres Verständnisses.

Spiralen in den Spiralen

   Man darf nicht glauben, daß diese Bewußtseinszustände mit dem Beginn der Periode einsetzen, zu der sie gehören, und mit ihrem Ende aufhören. Es gibt immer Wiederholungen, und es muß daher entsprechende Bewußtseinszustände in aufsteigender Reihe geben. Der Saturnkreislauf jeder Periode, der Zustand auf Globus A und die erste Epoche eines jeden Globus sind Wiederholungen der Entwicklungszustände der Saturnperiode. Der Sonnenkreislauf, der Aufenthalt auf Globus B und die zweite Epoche auf einem Globus sind Wiederholungen des Zustandes der Sonnenperioden-Entwicklung und so weiter, die ganze Reihe hindurch (Mondperiode, Erdperiode etc.). So wird man erkennen können, daß sich das Bewußtsein, welches das besondere Ergebnis einer jeden Periode ist, nicht eher zu entwickeln beginnt, bevor nicht alles in der Wiederholung durchlaufen ist. Das Wachbewußtsein der Erdperiode setzte nicht vor dem vierten Weltkreislauf ein, als die Lebenswoge den vierten Globus (D) erreichte und in der vierten oder atlantischen Epoche auf diesem Globus war.

   Das Jupiterbewußtsein wird in der Jupiterperiode nicht vor dem fünften Weltkreislauf einsetzen, wenn der fünfte Globus (E) erreicht ist, und auf diesem Globus die fünfte Epoche beginnt.

   Dem entsprechend wird das Venusbewußtsein nicht beginnen, ehe der sechste Kreislauf zum sechsten Globus und zur sechsten Epoche gekommen ist. Die Vulkanarbeit wird schließlich auf den allerletzten Globus und die allerletzte Epoche beschränkt sein, unmittelbar bevor der Manifestationstag endet.

   Die Zeit, welche erforderlich ist, um die betreffenden Perioden zurückzulegen, verläuft höchst mannigfaltig. Je

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weiter sich der jungfräuliche Geist in die Materie senkt, um so langsamer ist sein Fortschritt, und um so zahlreicher werden die Schritte oder Stadien, die er zurücklegen muß.

   Nachdem der Nadir der materiellen Existenz überschritten ist, und der Geist in feinere und beweglichere Bedingungen übergeht, wird der Fortschritt nach und nach beschleunigt. Die Sonnenperiode dauert etwas länger als die Saturnperiode, und die Mondperiode länger als die Sonnenperiode. Die Marshälfte bzw. die erste Hälfte der Erdperiode ist die längste Hälfte aller Perioden. Nach dieser beginnt sich die Zeit wieder zu verkürzen, so daß die Merkurhälfte der Erdperiode, also die letzten dreieinhalb Weltkreisläufe, einen kürzeren Zeitraum einnehmen als die Marshälfte dies tat. Die Jupiterperiode wird in der Folge kürzer sein als die Mondperiode, die Venusperiode noch kürzer als die entsprechende Sonnenperiode und die Vulkanperiode wird die kürzeste von allen sein.

   Die Bewußtseinszustände während der einzelnen Perioden können wie folgt dargestellt werden:

Periode                       entsprechendes Bewußtsein
Saturn . . .Unbewußtheit, dem tiefen Trancezustand entsprechend
Sonne. . . .Unbewußtheit, dem traumlosen Schlaf entsprechend
Mond . . . .Bildbewußtsein, dem Traumzustand entsprechend
Erde . . . .Waches, objektives Bewußtsein
Jupiter. . .Selbstbewußtes Bildbewußtsein
Venus. . . .Objektives, schöpferisches Selbstbewußtsein
Vulkan . . .Höchstes geistiges Bewußtsein

   Nach einem allgemeinen Überblick über die Bewußtseinszustände in den nächsten dreieinhalb Perioden wollen wir uns dem Studium der Mittel, sie zu erreichen, zuwenden.

Alchimie und Seelenwachstum

   Der dichte Körper nahm in der Saturnperiode seinen Anfang, ging während der Sonnen- und Mondperiode durch verschiedene Veränderungen hindurch und wird seine Höchstentwicklung in der Erdperiode erreichen.

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   Der Lebensleib nahm seinen Anfang im zweiten Weltkreislauf der Sonnenperiode, wurde während der Mond- und Erdperiode wiederhergestellt und wird seine Vollendung in der Jupiterperiode erreichen, die sein viertes Stadium ist, so wie die Erdperiode das vierte Stadium des dichten Körpers ist.

   Der Empfindungsleib nahm seinen Anfang in der Mondperiode, wurde in der Erdperiode wiederhergestellt, wird während der Jupiterperiode weitere Veränderungen erfahren und in der Venusperiode seine Vollkommenheit erlangen.

   Der Intellekt nahm in der Erdperiode seinen Anfang, wird in der Jupiter- und Venusperiode umgestaltet werden und in der Vulkanperiode seine Vollkommenheit erlangen.

   Ein Blick auf Diagramm 8 wird zeigen, daß sich der niederste Globus der Jupiterperiode in der Ätherregion befindet. Hier wäre es daher nicht möglich, den dichten physischen Körper zu verwenden, da in der Ätherregion nur der Lebensleib gebraucht werden kann. Man darf jedoch nicht annehmen, daß dieser Körper einfach weggeworfen wird und der Mensch in einem "höheren" Träger arbeitet, nachdem die Zeit vom Beginn der Saturnperiode bis zum Ende der Erdperiode für seine Vervollkommnung verwendet wurde.

   Nichts in der Natur geht verloren. In der Jupiterperiode werden die Kräfte des dichten Körpers auf den Lebensleib übertragen werden, der dann seine Vollendung erfährt. Dieser Träger wird zu den physischen Kräften des dichten Körpers noch seine eigenen Fähigkeiten besitzen, und daher ein viel wertvolleres Instrument für den Ausdruck des dreifachen Geistes sein, als wenn er nur aus seinen eigenen Kräften aufgebaut worden wäre.

   Globus D der Venusperiode liegt in der Empfindungswelt (siehe Diagramm 8), und so könnte sich das Bewußtsein dort weder durch einen dichten Körper noch durch einen Lebensleib ausdrücken. Die Essenzen des vervollkommneten dichten Körpers und des Lebensleibes werden daher in den Empfin-

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dungsleib eingebettet, wodurch dieser ein Träger von überragender Eigenschaft wird, wunderbar anpassungsfähig; er wird sich auf bewundernswerte Weise dem leisesten Wunsch des ihn bewohnenden Geistes fügen, und zwar auf eine Art, die jenseits unseres fernsten Vorstellungsvermögens liegt.

   Doch wird die Wirksamkeit dieses großartigen Trägers noch übertroffen werden, wenn in der Vulkanperiode die Essenz dieses Körpers - in Verbindung mit der Essenz des Lebensleibes und des dichten Körpers - dem Intellekt eingefügt wird, welcher dann der höchste Träger des Menschen sein wird und dann in sich die Quintessenz des Besten aller anderen Träger enthalten wird. Bereits der Träger der Venusperiode übersteigt unser gegenwärtiges Vorstellungsvermögen. Um wie viel mehr noch der Träger, welcher dem Dienst der göttlichen Wesen in der Vulkanperiode zugeeignet sein wird.

   Während der Involution halfen die schöpferischen Hierarchien dem Menschen seinen dreifachen Geist, das Ego, in Tätigkeit zu setzen, den dreifachen Körper aufzubauen und das Bindeglied, den Intellekt, zu erwerben. Jetzt, am siebten Tage (um die Sprache der Bibel zu verwenden), ruht Gott. Der Mensch muß nun selbst an seiner Erlösung arbeiten. Der dreifache Geist muß die Ausarbeitung des Planes vollenden, der von den Göttern begonnen wurde.

   Der menschliche Geist, der während der Involution in der Mondperiode erweckt wurde, wird während der Jupiterperiode der vorherrschendste der drei Aspekte des Geistes sein, denn sie entspricht in der sich erhebenden Spirale der Mondperiode. Der Lebensgeist, welcher in der Sonnenperiode in Tätigkeit gesetzt wurde, wird seine Haupttätigkeit in der Venusperiode offenbaren, die der Sonnenperiode entspricht, und die besonderen Einflüsse des göttlichen Geistes werden in der Vulkanperiode am stärksten sein, weil er in der Saturnperiode belebt wurde.

   Alle drei Aspekte des Geistes sind durch die ganze Zeit der Evolution hindurch tätig; doch wird sich die Hauptwirksamkeit eines jeden Aspektes in einer besonderen Periode

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entfalten, weil die dort zu verrichtende Arbeit seine besondere Aufgabe ist.

   Als der dreifache Geist den dreifachen Körper entwickelte und die Kontrolle über ihn durch den Brennpunkt des Intellekts gewonnen hatte, begann er die dreifache Seele durch die Arbeit von innen heraus zu entwickeln. Wie viel oder wie wenig Seele ein Mensch hat, hängt von der Arbeit ab, die der Geist in den Körpern bisher geleistet hat. Das wurde in dem Kapitel, das über die Erfahrungen nach dem Tode spricht, behandelt.

   Der Teil des Empfindungsleibes, auf den das Ego eine Wirkung hatte, wird in Empfindungsseele umgesetzt und letztlich vom menschlichen Geist assimiliert, dessen besonderer Träger der Empfindungsleib ist.

   Der Teil des Lebensleibes, auf den vom Lebensgeist eingewirkt werden konnte, wird zur intellektuellen Seele und gestaltet den Lebensgeist, denn dieser Aspekt des dreifachen Geistes hat sein Ebenbild im Lebensleib.

   Der Teil des dichten Körpers, auf den der Göttliche Geist eine Wirkung hatte, wird Bewußtseinsseele genannt und schließlich mit dem Göttlichen Geist verschmolzen; denn der dichte Körper ist seine materielle Ausstrahlung.

   Die Bewußtseinsseele wächst durch Handlungen, äußere Einwirkungen und Erfahrungen.

   Die Empfindungsseele wächst durch Gefühle und Erregungen, die durch Handlungen und Erfahrungen hervorgerufen wurden.

   Die intellektuelle Seele, die Mittlerin zwischen den beiden anderen, wächst durch die Übung des Gedächtnisses, durch das sie vergangene und gegenwärtige Erfahrungen verbindet. Die dadurch erzeugten Gefühle rufen so "Sympathie" und "Antipathie" hervor, die außerhalb des Gedächtnisses nicht bestehen könnten, weil Gefühle, die nur aus der Erfahrung hervorgingen, vergänglich wären.

   Während der Involution entwickelte sich der Geist durch das Wachsen der Körper. Die Evolution hingegen hängt vom

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Seelenwachstum ab, von der Umformung der Körper in Seele. Die Seele ist sozusagen die Quintessenz, die Kraft oder Macht des Körpers, und wenn ein Körper vollkommen aufgebaut ist und zu seiner Vollendung gelangte, wozu er die oben beschriebenen Perioden und Stadien benötigte, wird die Seele aus ihm vollkommen extrahiert und von dem der drei Aspekte des Geistes aufgesogen, der den betreffenden Körper an erster Stelle erzeugte, und zwar wie folgt:

   Die Bewußtseinsseele wird vom göttlichen Geist im siebten Weltkreislauf der Jupiterperiode absorbiert.

   Die Verstandesseele wird vom Lebensgeist im sechsten Weltkreislauf der Venusperiode absorbiert.

   Die Empfindungsseele wird im fünften Weltkreislauf der Vulkanperiode vom menschlichen Geist absorbiert.

Das schöpferische Wort

   Der Intellekt ist das wichtigste Instrument, das der Geist besitzt. Es ist sein besonderes Instrument beim Schöpfungswerk. Der vergeistigte und vervollkommnete Kehlkopf wird das schöpferische Wort sprechen, der vervollkommnete Intellekt wird jedoch über die besondere Form und das Maß der Schwingungen entscheiden und so zum bestimmenden Faktor werden. Die Vorstellungskraft (Imagination) wird die vergeistigte Fähigkeit sein, welche die schöpferische Arbeit leitet.

   In der heutigen Zeit besteht ein starker Hang, die Fähigkeit des Vorstellungsvermögens (Imagination) mißachtend zu betrachten, und doch ist sie einer der maßgebenden Faktoren unserer Zivilisation. Wäre die Vorstellungskraft (Imagination) nicht wirksam, gingen wir noch als unbekleidete Wilde herum. Die Vorstellungskraft entwarf unsere Häuser, unsere Kleidung und unsere Verkehrs- und Transportmittel.

   Hätten die Erfinder mit Hilfe des Intellekts und der Vorstellungskraft (Imagination) keine mentalen Bilder formen können, so wären diese Verbesserungen nie Wirklichkeit

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geworden. In unserem materialistischen Zeitalter wird dem Vorstellungsvermögen (Imagination) vielfach offene Verachtung entgegengebracht (1909). Niemand fühlt die Wirkung davon stärker als die Erfinder. Gewöhnlich werden diese für "überspannt" gehalten, und sie sind doch die Hauptfaktoren in der Unterwerfung der physischen Welt geworden und haben die soziale Umgebung zu dem gemacht, was sie heute ist. Jede Verbesserung geistiger oder physischer Bedingungen muß zuerst als Möglichkeit vorgestellt (imagined) werden, ehe sie verwirklicht werden kann.

   An Hand von Diagramm 1 wird dem Schüler diese Tatsache klar werden. Im Vergleich, der hier zwischen den Tätigkeiten der einzelnen menschlichen Träger und den Teilen des Projektionsapparates gezogen wird, entspricht der Intellekt der Linse. Er ist der sammelnde Mittelpunkt, durch den die vom Geist ausgearbeiteten Ideen in die materielle Welt projiziert werden. Zuerst sind sie nur Gedankenformen, wenn aber der Wunsch, die vorgestellten Möglichkeiten zu verwirklichen, den Menschen bewogen hat, in der physischen Welt zu arbeiten, so werden sie zu dem, was wir konkret "Wirklichkeit" nennen.

   In der gegenwärtigen Zeit ist der Intellekt nicht zur Wiedergabe eines klaren und wahren Bildes dessen, was der Geist entwirft, fähig. Sein Brennpunkt ist nicht scharf eingestellt, und er gibt uns keine scharfen Bilder, sondern nur nebelhafte und trübe. Daher die Notwendigkeit der Versuche, die Fehlerhaftigkeit der ersten Entwürfe aufzuzeigen und neue Vorstellungsmöglichkeiten und Ideen hervorzurufen, bis das vom Geist in mentaler Substanz erzeugte Bild in die physische Substanz übertragen ist.

   Mit dem Intellekt können wir höchstens solche Bilder gestalten, die mit der Form zu tun haben, da der Intellekt des Menschen erst in der Erdperiode seinen Anfang nahm und daher jetzt in seinem Formzustand oder "mineralischen" Zustand ist. Wir sind daher in unserer Wirksamkeit auf die Formseite und auf das Mineralische beschränkt. Wir können durch die Einbildungskraft (Imagination) Mittel und Wege finden, um mit den mineralischen Formen in den drei

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niederen Reichen zu arbeiten, wir können aber wenig oder gar nicht auf lebende Körper einwirken. Wir können allerdings einem lebenden Baum einen lebenden Zweig aufpfropfen oder den lebenden Teil eines Menschen oder Tieres transplantieren, doch arbeiten wir hier nicht mit dem Leben, sondern nur mit der Form. Wir schaffen verschiedene Lebensbedingungen, doch das Leben selbst, das die Form bewohnt, bleibt davon unberührt. Leben zu schaffen liegt solange außerhalb des menschlichen Vermögens, bis der Intellekt belebt worden ist.

   In der Jupiterperiode wird der Intellekt in gewissem Maße belebt werden, und der Mensch kann dann durch die Vorstellungskraft (Imagination) Formen hervorrufen, welche wie die Pflanzen leben und wachsen.

   In der Venusperiode, wenn sein Intellekt "Gefühl" erworben hat, kann er lebende, wachsende und empfindende Dinge schaffen.

   Hat er am Ende der Vulkanperiode Vollkommenheit erreicht, so wird er fähig sein, durch die "Vorstellungskraft" (Imagination) Wesen, die leben, wachsen, fühlen und denken können, ins Dasein treten zu lassen.

   In der Saturnperiode begann die Lebenswoge ihre Evolution, die jetzt den menschlichen Zustand erreicht hat. Damals waren die Herren des Intellekts menschlich. Sie arbeiteten mit dem Menschen, der in jener Periode mineralisch war. Sie haben jetzt mit den niederen Reichen nichts zu tun, sondern sind nur mit unserer menschlichen Entwicklung beschäftigt.

   Unsere gegenwärtigen Tiere begannen ihr mineralisches Dasein in der Sonnenperiode, in der die Erzengel menschlich waren, diese sind daher die Herrscher und Führer dessen, was jetzt auf der Tierstufe seiner Entwicklung angelangt ist, haben aber mit Pflanzen oder Mineralien nichts zu tun.

   Die gegenwärtigen Pflanzen durchliefen ihren mineralischen Zustand in der Mondperiode. Die Engel waren damals menschlich. Sie haben daher eine besondere Beziehung zum Leben der gegenwärtigen Pflanzen, um es dem menschlichen Zustand entgegenzuführen, haben jedoch kein Interesse an den Mineralien.

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   Unsere gegenwärtige Menschheit wird mit der neuen Lebenswoge zu arbeiten haben, die ihren Evolutionsweg in der Erdperiode begann und jetzt die Mineralien beseelt. Gegenwärtig arbeiten wir mit ihr mit Hilfe unserer Vorstellungskraft (Imagination). Wir geben ihr Form, wir verarbeiten das Mineral zu Schiffen, Brücken, Eisenbahnen, Häusern usw.

   In der Jupiterperiode werden wir die Evolution des Pflanzenreiches lenken, denn das, was jetzt mineralisch ist, wird dann eine pflanzenähnliche Daseinsform haben, und wir müssen dann daran arbeiten wie die Engel jetzt an unserem Pflanzenreich. Unsere Vorstellungskraft (Imagination) wird dann so entwickelt sein, daß wir fähig sind, mit ihrer Hilfe nicht nur Formen zu schaffen, sondern diese Formen auch mit Leben auszustatten.

   In der Venusperiode wird unsere gegenwärtige mineralische Lebenswoge noch um einen Schritt weiter fortgeschritten sein, und wir werden für die Tiere jener Zeit so wirken wie die Erzengel heute an unseren Tieren tätig sind. Wir werden ihnen dann lebende und empfindende Formen geben.

   Endlich, in der Vulkanperiode, wird es unser Vorrecht sein, ihnen einen keimenden Intellekt zu geben, so wie ihn uns die Herren des Intellekts schenkten. Die gegenwärtigen Mineralien werden dann die Menschheit der Vulkanperiode geworden sein, und wir werden Zustände durchschritten haben, die jetzt von den Engeln und Erzengeln durchschritten werden. Dann werden wir in der Evolution einen Punkt erreicht haben, der etwas höher ist als jener der gegenwärtigen Herren des Intellekts, denn, wie man sich erinnern wird, besteht nirgends eine genaue Wiederholung. Es gibt immer nur eine fortschreitende Verbesserung, entsprechend dem spiralförmigen Entwicklungsweg.

   Der göttliche Geist wird am Ende der Jupiterperiode den menschlichen Geist aufnehmen, den Lebensgeist am Ende der Venusperiode und der vervollkommnete Intellekt, der alles umfaßt, was während der Wanderschaft durch die

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sieben Perioden erworben wurde, wird am Ende der Vulkanperiode vom göttlichen Geist assimiliert werden (dies widerspricht nicht der früheren Feststellung, daß die Empfindungsseele vom menschlichen Geist im fünften Weltkreislauf der Vulkanperiode aufgesogen werden wird, weil der letztere dann innerhalb des göttlichen Geistes sein wird).

   Dann wird das lange Intervall der subjektiven Tätigkeit folgen, während dem der jungfräuliche Geist alle Früchte der siebenfachen Perioden der tätigen Manifestationen aufnehmen wird. Er taucht dann in der Gottheit, aus der er hervorging, unter, um in der Dämmerung eines neuen Schöpfungstages als einer ihrer glorreichen Helfer wieder hervorzutreten. Während seiner vergangenen Entwicklung sind seine latenten Möglichkeiten in bewegende Kräfte umgesetzt worden. Als Frucht seiner Pilgerschaft durch die Materie hat er Seelenkraft und einen schöpferischen Intellekt erworben. Unvermögen hat sich in Allmacht, Unwissenheit in Allwissenheit verwandelt.

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XVII. Die Methode, Kenntnisse aus erster Hand zu erwerben

Die ersten Schritte

   Die Zeit ist nun reif, und allen Individuen kann der Weg gewiesen werden, um durch eigene Forschung alle Fakten zu erfahren, von denen in diesem Buch bisher die Rede war. Wie bereits zu Anfang festgestellt wurde, gibt es keine besonderen "Gaben", die nur einem Menschen zuteil würden. Alle können in sich selbst die Wahrheit über die Pilgerschaft der Seele, über die vergangene Entwicklung und die künftige Bestimmung der Welt erfahren, ohne gezwungen zu sein, sich auf die Wahrhaftigkeit eines anderen zu verlassen. Es gibt eine Methode, durch welche diese wertvolle Fähigkeit erlangt wird, und durch die der ernsthaft Strebende fähig wird, forschend in die überphysischen Gebiete einzudringen. Wenn man diese Methode beharrlich anwendet, können die Kräfte eines Gottes entwickelt werden.

   Ein einfaches Beispiel kann die ersten Schritte zeigen. Der allerbeste Mechaniker ist nahezu hilflos ohne das entsprechende Handwerkszeug seines Gewerbes. Es ist das Kennzeichen eines guten Handwerkers, daß er die Qualität und den Zustand seiner Werkzeuge betreffend sehr wählerisch ist, denn er weiß, daß das Werk ebensosehr von deren Güte wie von seiner eigenen Geschicklichkeit abhängt.

   Das Ego hat verschiedene Instrumente: Einen dichten Körper, einen Lebensleib, einen Empfindungsleib und einen Intellekt. Diese sind sein Handwerkszeug, und von ihren Eigenschaften und ihrem Zustand hängt es ab, wie viel oder wie wenig das Ego von seiner Aufgabe, in jedem Leben Erfahrungen zu sammeln, ausführen kann. Wenn die Instrumente mangelhaft und stumpf sind, wird nur geringes geistiges Wachstum stattfinden können, und das Leben wird in bezug auf das Geistige fruchtlos sein.

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   Generell beurteilen wir den "Erfolg" eines Lebens nach dem Bankkonto, nach der erlangten Stellung oder nach dem Glück, welches das Resultat einer sorgenfreien Existenz und einer geschützten Umgebung ist.

   Wenn man das Leben auf diese Weise betrachtet, wird alles, was Ewigkeitswert hat, vergessen. Der Mensch wird vom Vergänglichen und von Illusionen geblendet. Ein Bankkonto scheint ein so großer Erfolg zu sein, daß darüber die Tatsache ganz vergessen wird, daß das Ego vom Augenblick an, in dem es seine irdische Hülle verläßt, keinen Anteil mehr am Gold oder an irgendeinem anderen irdischen Schatz nimmt. Es kann sogar für die Art und Weise, in der es dieses Gut erwarb, zur Verantwortung gezogen werden. Es kann schwer darunter leiden, wenn es sieht, wie andere es ausgeben. Auch vergißt man, daß die hervorragende gesellschaftliche Stellung ebenfalls verloren geht, sobald die Silberschnur gelöst ist.

   Die Schmeichler von früher können nun höhnen, und selbst jene, die ihm im Leben treu waren, mögen beim Gedanken an eine Stunde erschaudern, die sie alleine in der Gesellschaft des Abgeschiedenen verbrachten. Alles, was nur von diesem Leben ist, ist eitel. Nur das ist von wahrem Wert, was mit uns als geistiger Schatz über die Schwelle treten kann.

   Die Treibhauspflanze sieht in ihrem gedeckten Glashaus wunderschön aus, wenn aber die Feuerung ausginge, müßte sie verwelken und sterben, während die Pflanze, die in Regen und Sonnenschein, in Sturm und Stille wuchs, den Winter überleben kann und jedes Jahr von neuem erblüht. Vom Standpunkt der Seele aus sind irdisches Glück und eine geborgene Umgebung gewöhnlich ungünstige Umstände. Der verhätschelte und verzogene Schoßhund unterliegt Krankheiten, von denen der heimatlose Straßenhund, der um den Abfall aus dem Kehrichtfaß kämpfen muß, nichts weiß. Das Leben des Köters ist hart, er gewinnt aber Erfahrungen, die ihn beweglich, lebhaft und findig machen. Sein Leben ist reich an Ereignissen, und er sammelt sehr viele Erfahrungen,

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während der verhätschelte Schoßhund seine Zeit in schrecklicher Eintönigkeit vertrödelt.

   Die Lage der menschlichen Wesen ist eine ähnliche. Es mag hart sein, gegen Armut und Hunger kämpfen zu müssen. Vom Standpunkt der Seele aus ist dies aber einem trägen, luxuriösen Leben unendlich vorzuziehen. Wenn der Reichtum nur der Handlanger gut gedachter Menschenfreundlichkeit ist, wenn er der Menschheit so hilft, daß er sie wahrhaft hebt, so kann er ein großer Segen sein und seinem Besitzer zum Wachstum verhelfen. Wird er aber zu selbstsüchtigen Zwecken und zur Unterdrückung anderer verwendet, so kann er nur als reiner Fluch betrachtet werden.

   Die Seele ist auf der Erde, um durch ihre Instrumente Erfahrungen zu sammeln. Diese sind die Werkzeuge, die jedem bei seiner Geburt mitgegeben werden. Dieses Werkzeug kann gut, schlecht oder mittelmäßig sein, je nachdem, wie wir durch vergangene Erfahrungen gelernt haben, sie uns zu erbauen. Nun müssen wir sie so gebrauchen, wie sie sind. Sobald wir aus der gewohnten Lethargie aufgerüttelt werden und uns bemühen Fortschritte zu machen, steigt natürlich in uns die Frage auf, was zu tun sei.

   Ohne gut gepflegtes Werkzeug kann der Handwerker keine wirksame Arbeit leisten. Ebenso müssen die Instrumente des Ego gereinigt und geschliffen werden. Dann können wir beginnen, für irgend einen Zweck zu arbeiten. Wenn man mit diesen bewundernswerten Werkzeugen arbeitet, werden sie sogar durch den Gebrauch noch besser. Sie werden zu einer immer wirksameren Hilfe beim Werk. Das Ziel dieser Arbeit ist die Vereinigung mit dem Höheren Selbst.

   Drei Schritte sind es, durch welche diese Arbeit die niedere Natur besiegt, doch werden sie nicht einer nach dem anderen gemacht. Nur in gewissem Sinne folgen sie aufeinander, so daß auf der gegenwärtigen Stufe der erste Schritt am meisten hervortritt, der zweite weniger und der dritte am allerwenigsten. Mit der Zeit, wenn der erste Schritt vollständig gemacht

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sein wird, kann natürlich den beiden anderen mehr Aufmerksamkeit zugewendet werden.

   Zur Erreichung dieser drei Schritte bestehen drei Hilfen. Sie können in der Außenwelt wahrgenommen werden, wo die großen Führer der Menschheit ihnen ihren Platz zuwiesen.

   Die erste Hilfe ist die Rassenreligion. Sie hilft bei der Überwindung des Empfindungsleibes und bereitet ihn für die Vereinigung mit dem Heiligen Geist vor.

   Die volle Wirksamkeit dieser Hilfe zeigte sich am Pfingsttag. Da der Heilige Geist der Rassengott ist, sind alle Sprachen sein Ausdruck. Daher sprachen die Apostel, als sie in der Gemeinschaft versammelt und vom Heiligen Geist erfüllt waren, in verschiedenen Zungen, konnten aber ihre Zuhörer überzeugen. Ihr Empfindungsleib war genügend gereinigt worden, um die gewünschte Vereinigung zustande zu bringen. Das wird auch der Strebende eines Tages sicher erreichen, um dann ebenfalls in allen Zungen zu sprechen. Als historisches Beispiel mag noch angeführt werden, daß der Graf von St. Germain (eine der späteren Inkarnationen von Christian Rosenkreuz, dem Begründer unseres geheiligten Ordens) alle Sprachen sprach, so daß alle, die ihn besuchten, glaubten, er gehöre ihrer Nation an. Auch er hatte bereits die Vereinigung mit dem Heiligen Geist erreicht.

   In der hyperboreischen Epoche, bevor der Mensch einen Empfindungsleib hatte, gab es nur eine allgemeine Sprache zur Verständigung. Wenn der Empfindungsleib genügend gereinigt sein wird, werden alle Menschen wieder fähig werden, sich gegenseitig zu verstehen. Denn dann werden die verschiedenen Rassenunterschiede verschwunden sein.

   Die zweite Hilfe, die sich jetzt der Menschheit bietet, ist die Religion des Sohnes, die Christliche Religion, deren Ziel die Vereinigung mit Christus durch Reinigung und Beherrschung des Lebensleibes ist.

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   Paulus bezieht sich auf diesen zukünftigen Zustand, wenn er sagt: "Bis daß Christus in euch eine Gestalt gewinne." (Gal. 4,19) Er ermahnte seine Zuhörer, sich von jeder Bürde zu befreien, da sie gleich Menschen seien, die einen Wettlauf machen.

   Das grundlegende Prinzip bei der Erbauung des Lebensleibes ist die Wiederholung. Wiederholte Erfahrungen arbeiten an ihm, um das Gedächtnis zu schaffen. Die Führer der Menschheit, die bestrebt waren, uns durch bestimmte Übungen unbewußt Hilfe zu geben, setzten das Gebet als ein Mittel ein, um am Lebensleib reine und erhabene Gedanken arbeiten zu lassen. Sie forderten die Menschen auf, "ohne Unterlaß zu beten". Spötter haben oft höhnisch gefragt, warum es nötig sei, zu beten. Wenn Gott allwissend sei, so kenne er unsere Bedürfnisse, und wenn er es nicht sei, so würden unsere Gebete ihn wahrscheinlich niemals erreichen. Wenn er nicht allwissend sei, könne er auch nicht allmächtig sein und könne daher auch keine Gebete erhören. Mancher ernste Christ mag es als Unrecht empfunden haben, den Thron Gottes immer zu belästigen.

   Solche Gedanken beruhen auf einem Mißverstehen der Fakten. Gott ist wahrhaftig allwissend. Er braucht nicht an unsere Sorgen erinnert zu werden. Beten wir jedoch in rechter Weise, so erheben wir uns zu Ihm und arbeiten an unserem Lebensleib, den wir reinigen; dies geschieht, wenn wir in rechter Weise beten, doch liegt eben darin die große Schwierigkeit. Wir beschäftigen uns gewöhnlich mehr mit zeitlichen Dingen als mit geistiger Erhebung. Die Kirchen halten Bittgänge ab, um Regen zu erbitten, und die Kaplane feindlicher Armeen beten sogar vor der Schlacht, daß ihren Waffen Erfolg beschieden werde.

   Das ist das Gebet zum Rassengott, der die Schlachten seines Volkes auskämpft, seine Herden vermehrt, seine Speicher füllt und seine irdische Not behebt. Solche Gebete wirken nicht einmal reinigend. Sie entspringen dem Empfindungsleib, der die Lage folgendermaßen erfaßt: "Herr, nun

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halte ich Deine Gebote nach besten Kräften, und ich verlange, daß auch Du dafür das Deine tust."

   Christus gab der Menschheit ein Gebet, das wie er selbst, einheitlich und allumfassend ist. In ihm sind sieben deutliche und gesonderte Gebete enthalten, eines für jedes der sieben Prinzipien im Menschen, den dreifachen Körper, den dreifachen Geist und das Bindeglied des Intellekts. Jedes Gebet ist besonders dazu geeignet, den Teil des zusammengesetzten Menschen, auf den es sich bezieht, zu fördern.

   Der Zweck des Gebetes, das sich auf den dreifachen Körper bezieht, ist dessen Vergeistigung und die Bildung der dreifachen Seele aus diesen Körpern.

   Die Gebete, die sich auf den dreifachen Geist beziehen, bereiten ihn vor, die extrahierte Essenz, die dreifache Seele, aufzunehmen.

   Das Gebet für den Intellekt hat den Zweck, ihn in seiner rechten Aufgabe als Bindeglied der höheren und niederen Natur zu erhalten.

   Die dritte Hilfe, welche die Menschheit erhalten wird, wird die Religion des Vaters sein. Wir wissen sehr wenig von ihr. Wir wissen nur, daß ihr Ideal ein noch höheres sein wird als das der Bruderschaft, und daß der dichte Körper durch sie vergeistigt werden wird.

   Die Religionen des Heiligen Geistes, die Rassenreligionen, dienten zur Hebung der menschlichen Rasse durch ein Gefühl der Verwandtschaft, beschränkt auf eine Gruppe, Familie, Stamm oder Nation.

   Der Zweck der Religion Christi, des Sohnes, ist es, die Erhebung der Menschheit zu fördern bis hin zur Bildung einer universalen Bruderschaft aus getrennten Individuen.

   Das Ideal der Religion des Vaters wird die Ausschaltung aller Getrenntheit sein. Alles wird sich im Einen verschmelzen. Es wird weder ein "Ich" noch ein "Du" geben. Alle werden in Wirklichkeit eine Einheit sein. Dies wird nicht geschehen, solange wir noch Bewohner der physischen Erde

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sind, sondern in einem kommenden Zustand, in dem wir unsere Vereinigung mit allem verwirklichen werden. Dann wird ein jeder Zutritt zu den von jedem Einzelnen errungenen Erkenntnissen haben. So wie die einzelne Facette eines Diamanten Zutritt zu allem Licht hat, das durch jede der anderen Facetten strahlt, so wie sie mit ihnen eins ist und doch durch Linien begrenzt wird, die ihr eine gewisse Individualität ohne Getrenntheit geben, so wird der individuelle Geist das Gedächtnis seiner besonderen Erfahrungen zurückbehalten und gleichzeitig allen anderen die Früchte seiner persönlichen Existenz geben.

   Dies sind die Schritte und Zustände, durch welche die Menschheit unbewußt geführt wird.

   In vergangenen Zeitaltern herrschte der Rassengeist allein. Der Mensch gab sich mit einer patriarchalischen und väterlichen Führung zufrieden, an der er keinen Anteil hatte. Nun sehen wir in der ganzen Welt das Zusammenbrechen des alten Systems. Das Kastensystem, das in Indien für die Engländer ein Bollwerk bedeutete, verfällt. Statt sich in kleine Gruppen zu teilen, stellt das gesamte Volk die Forderung, daß der Unterdrücker abziehen solle (1909).

   Das Volk begehrt Freiheit unter einer Herrschaft, die aus dem Volk und für das Volk gewählt wird. Rußland wird durch Kämpfe um Befreiung von einer diktatorischen und autokratischen Regierung zerrissen. Die Türkei ist erwacht und hat der Freiheit einen großen Schritt entgegen gemacht. Hier in unserem Land, in Nordamerika, wo man vermutet, daß die Völker sich bereits solcher Freiheiten erfreuen, wie sie von anderen erst angestrebt oder erfochten werden, sind wir noch nicht zufrieden.

   Wir erfahren, daß es noch andere Unterdrückungen gibt, als die einer autokratischen Monarchie. Wir sehen, daß es noch industrielle Freiheiten zu erwerben gibt und ächzen unter dem Joch der Trusts und eines ungesunden Konkurrenzsystems. Wir trachten nach einem Zusammenwirken, wie es jetzt von den Trusts innerhalb ihrer eigenen Grenzen und zu ihrem eigenen Nutzen ausgeübt wird. Wir ersehnen einen

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sozialen Zustand, wo "ein jeglicher unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum" wohnen kann und niemand ihn ängstigt.

   So ändern sich die alten Systeme patriarchalischer Herrschaft auf der ganzen Welt. Die Nationen als solche haben ihren Höhepunkt erlebt und arbeiten unbewußt, in Übereinstimmung mit dem Plan der unsichtbaren Führer, auf eine universale Bruderschaft zu. Wenn diese Führer auch nicht im Rat der Nationen sitzen, so wirken sie deshalb doch nicht minder machtvoll an der Gestaltung der Ereignisse.

   Dies sind die langsam wirkenden Mittel, durch welche die verschiedenen Körper der Menschheit als Ganzes gereinigt werden. Wer jedoch nach höherer Erkenntnis strebt, arbeitet nach wohlersonnenen Methoden bewußt an diesem Ziel.

Westliche Methoden für westliche Völker

   In Indien kommen unter den verschiedenen Yogasystemen verschiedene Methoden zur Anwendung. Yoga bedeutet Vereinigung. Das Ziel der Strebenden ist, so wie im Westen, die Vereinigung mit dem Höheren Selbst. Die Methoden, um diese Vereinigung zu erzielen, können, wenn sie wirksam sein sollen, nicht immer die gleichen sein. Die Träger des Hindu sind sehr verschieden von denen des Kaukasiers. Die Hindus haben viele, viele Jahrtausende in einer Umgebung und in einem Klima gelebt, das von dem unseren grundverschieden ist. Sie haben ganz andere Denkmethoden befolgt, und ihre Zivilisation, obwohl sie auf einer hohen Stufe steht, ist in ihrer Wirkung von unserer doch sehr verschieden. Deshalb hat es für uns keinen Wert, ihre Methoden anzunehmen. Wohl sind sie das Resultat höchsten okkulten Wissens und sind diesem Volk vollkommen

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angepaßt, für die Völker des Westens jedoch wären sie so ungeeignet wie für den Löwen eine Haferdiät.

   So verlangen z.B. einige Systeme, daß der Yogi in gewissen Stellungen sitzen muß, damit bestimmte kosmische Ströme auf bestimmte Weise durch seinen Körper fließen und ganz bestimmte Resultate hervorbringen. Diese Anweisung ist für den Kaukasier vollkommen nutzlos, weil er durch seine Lebensweise für diese Ströme absolut unempfindlich ist. Wenn er überhaupt Resultate erzielen will, so muß er in Übereinstimmung mit der Zusammensetzung seiner Träger arbeiten. Darum wurden in verschiedenen Teilen Europas während des Mittelalters die "Mysterien" etabliert. Die Alchimisten waren fortgeschrittene Schüler der höheren okkulten Wissenschaft. Die allgemein verbreitete Ansicht, daß das Ziel ihrer Studien und Experimente die Umsetzung niederer Metalle in Gold gewesen sei, entstand durch ihre symbolische Sprache, die auf diese Weise ihre Bestrebungen, die niedere Natur in Geist umzusetzen, umschrieb.

   Diese Umschreibung wurde gewählt, um den Argwohn der Priester zu besänftigen, ohne aber die Unwahrheit zu sagen. Die Feststellung, daß die Rosenkreuzer eine Gesellschaft gebildet hatten, deren Aufgabe das Finden der Formel zur Herstellung des "Steines der Weisen" wäre, war und ist richtig. Es ist auch richtig, daß die meisten Menschen mit diesem wunderbaren Stein in Berührung kamen und kommen. Er ist Gemeingut, aber nur für den von Nutzen, der ihn sich selbst herstellt. Die Formel wird in der esoterischen Erziehung gegeben, und in dieser Hinsicht unterscheidet sich ein Rosenkreuzer nicht von dem Angehörigen irgend einer andern okkulten Schule. Alle beschäftigen sich damit, diesen heißbegehrten Stein herzustellen, doch wendet ein jeder seine eigene Methode an, da nicht zwei Menschen gleich sind; folglich ist eine wirklich effektive Arbeit innerhalb ihres Bereiches immer individuell.

   Alle okkulten Schulen lassen sich in sieben teilen, wie die "Strahlen" des Lebens, die jungfräulichen Geister. Jede Schule oder jeder Orden gehört einem dieser sieben Strahlen an, genauso wie jede der Einheiten unserer Menschheit.

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Wenn daher ein Individuum sich mit einer dieser okkulten Gruppen verbinden will, deren "Brüder" nicht zu seinem Strahl gehören, so geschieht dies nicht zu seinem Vorteil. Die Glieder dieser Gruppe sind in einem innigeren Sinn Brüder als sie dies zur übrigen Menschheit sind.

   Vielleicht wird die Beziehung der einzelnen zueinander besser verständlich, wenn man die sieben Strahlen mit den sieben Farben des Spektrums vergleicht. Wenn sich z.B. ein roter Strahl mit einem grünen Strahl verbinden sollte, so würde Disharmonie entstehen. Jeder muß mit der Gruppe arbeiten, zu der er während dieser Manifestation gehört, und doch sind sie alle eins. So wie alle Farben im weißen Licht enthalten sind, die strahlenbrechende Eigenschaft unserer Atmosphäre es jedoch in sieben Farben zu teilen scheint, so lassen die täuschenden Bedingungen des konkreten Daseins die jungfräulichen Geister getrennt in Gruppen erscheinen, und diese Gruppierung wird dauern, solange sie in diesem Zustand sind.

   Der Orden der Rosenkreuzer trat hauptsächlich für die ins Leben, deren hohe Stufe intellektueller Entwicklung sie veranlaßte, alles Mitgefühl zurückzuweisen. Der Intellekt verlangt gebieterisch eine vernunftgemäße Erklärung für alles, auch für das Weltgeheimnis und die Fragen des Lebens und Todes. Die Gründe für den modus operandi des Daseins werden durch das priesterliche Gebot "den Mysterien Gottes nicht nachzuforschen", nicht erklärt.

   Es ist von großer Wichtigkeit, daß jeder Mann und jede Frau, die mit einem wissensdurstigen Intellekt gesegnet sind, alle Belehrungen erhalten, nach denen sie sich sehnen, damit das Herz sprechen könne, wenn der Kopf beruhigt ist. Intellektuelle Erkenntnis ist nur ein Mittel zur Erreichung des Zieles, nicht das Ziel selbst. Daher sucht der Rosenkreuzer zuerst den nach Wissen Dürstenden davon zu überzeugen, daß alles in der Welt vernunftgemäß ist. So gewinnt er über den rebellischen Intellekt die Oberhand. Hat er aufgehört zu kritisieren, und ist er bereit, einstweilig zu akzeptieren, daß die Feststellungen wahrscheinlich der Wahrheit entsprechen, die im Moment noch nicht unmittelbar bewiesen werden

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können, dann und erst dann wird das esoterische Training erfolgreich die höheren Fähigkeiten entwikeln, durch die der Mensch vom Glauben zum Wissen aus erster Hand übergeht. Doch selbst dann wird sich zeigen, daß er trotz seiner Fortschritte in der Erlangung von Wissen aus erster Hand und trotz seiner erworbenen Fähigkeit selbst zu forschen, immer wieder Wahrheiten begegnen wird, die über seinem Fassungsvermögen stehen, denen er sich gläubig zuwenden muß, weil er noch nicht fortgeschritten genug ist, um sie selbst zu erforschen.

   Der Schüler sollte sich dessen immer bewußt sein, daß nichts Unlogisches im Weltall bestehen kann, und daß die Logik der sicherste Führer durch alle Welten ist; er darf aber nicht vergessen, daß seine Fähigkeiten beschränkt sind, und daß seine eigene Kraft der Logik oft nicht genügt, um ein gegebenes Problem zu lösen, wenn es auch voll geklärt werden kann. Der Schüler ist auf dieser Stufe seiner Entwicklung noch nicht fähig, die wahren Richtlinien der Schlußfolgerungen einzuhalten. Auch ist ein unerschütterliches Vertrauen in den Lehrer unbedingt erforderlich.

   Das eben Gesagte wird der besonderen Aufmerksamkeit all derer empfohlen, welche die ersten Schritte zur Erlangung höherer Erkenntnisse machen wollen. Wenn man den gegebenen Richtlinien überhaupt folgen will, so muß man ihnen vollen Glauben als wirksame Mittel zur Erfüllung ihres Zweckes schenken. Sie mit halbem Herzen zu befolgen wäre nutzlos. Unglaube tötet die schönste Blume, die jemals aus dem Geist erwuchs.

   Die Arbeit an den verschiedenen Körpern des Menschen erfolgt gleichzeitig. Ein Körper kann nicht beeinflußt werden, ohne daß die anderen dadurch mitberührt würden. Doch kann die Hauptarbeit an irgendeinem von ihnen erfolgen.

   Sorgfalt in Gesundheitspflege und Ernährung gilt hauptsächlich dem dichten Körper. Sie wirken aber auch auf den Lebens- und Empfindungsleib. Je reiner und besser das Material ist, aus dem der dichte Körper aufgebaut wird, in um so reineren planetarischen Äther und Empfindungsstoff werden auch die Partikelchen eingehüllt, wodurch die planetarischen Teile des Lebens- und Empfindungsleibes

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reiner werden. Wenn man nur auf Nahrung und auf Hygiene achtet, bleiben der persönliche Lebens- und Empfindungsleib beinahe so unrein wie vorher. Es ist jedoch dem Menschen ein wenig leichter, mit dem Guten in Berührung zu kommen, als wenn schwere Nahrung verwendet würde.

   Wenn man trotz aller Verstimmungen ein gleichmäßiges Temperament kultiviert und den literarischen und künstlerischen Geschmack pflegt, so wird der Lebensleib ein Gefühl der Empfindsamkeit und der Erhebung über physische Angelegenheiten erzeugen und so auch im Empfindungsleib veredelnde Gefühle hervorrufen.

   Wenn man danach trachtet seine Gefühle und Emotionen zu zügeln, so wirkt das auch auf die anderen Körper zurück und hilft sie zu verbessern.


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