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Die
Rosenkreuzer-Weltanschauung
von
Max Heindel
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III. Der Mensch und die Methode seiner Entwicklung
Lebenstätigkeiten, Gedächtnis und Seelenwachstum
Bis hierher hat unser Studium der sieben
Welten (oder Zustände der Materie) uns gezeigt, daß jede einen
bestimm- ten Zweck im Haushalt der Natur erfüllt, und daß Gott
- der große Geist, in dem wir wirklich und wahrhaftig "leben, uns
bewegen und unser Dasein haben" - jene Kraft ist, die das ganze Weltall
mit ihrem Leben durchdringt und erhält. Aber während dieses
Leben in jedes Atom der sechs niederen Welten und in alles, was sie enthalten,
eindringt und in ihnen wirksam ist, waltet in der siebten, der höchsten,
der Dreieini- ge Gott allein.
Die nächsttiefere, sechste Welt ist
die der jungfräulichen Geister. Hier halten sich die Funken der göttlichen
Flamme auf, ehe sie ihre lange Pilgerschaft durch die fünf dichteren
Welten antreten, um schlummernde innere Kräfte zu dynami- schen Kräften
zu entwickeln.
Wie der Same seine verborgenen Möglichkeiten
dadurch offenbart, daß er in die Erde versenkt wird, so werden diese
jungfräulichen Geister im Lauf der Zeit, wenn sie die Materie (die
Schule der Erfahrung) durchwandert haben, auch göttliche Flammen
sein, die aus sich heraus Weltsyste- me erzeugen können.
Die fünf Welten stellen das Feld für
die Evolution des Menschen dar. Die drei niederen oder dichteren sind
der Schauplatz seiner gegenwärtigen Entwicklungsphase. Wir wollen
nun den Menschen und die fünf Welten, zu denen er durch seine Träger
in Beziehung steht, betrachten. Erinnern wir uns, daß zwei dieser
Welten in zwei große Abteilungen aufgespalten sind, und daß
der Mensch für jede dieser Abteilungen einen Träger besitzt.
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Im Wachzustand sind diese Träger alle
beisammen. Sie durchdringen einander so, wie das Blut, die Lymphe und
die anderen Säfte des Körpers einander durchdringen. So kann
das Ego in der physischen Welt handeln. Wir als Ego handeln unmittelbar
in der feinen Substanz der Region der abstrakten Gedanken, die wir in
der Peripherie unserer persönlichen Aura für uns abgesondert
haben. Von hier aus werden wir der Eindrücke der Außenwelt
gewahr, die durch die Sinne auf den Lebensleib einwirken, zugleich aber
auch der Empfindungen und Gefühle, die durch sie im Empfin- dungsleib
erzeugt und im Intellekt gespiegelt werden.
Aus diesen geistigen Bildern ziehen wir
in der Substanz der abstrakten Gedankenregion unsere Schlüsse, die
zu den betreffenden Dingen in Beziehung stehen. Diese Schlüsse sind
Ideen. Vermöge der Willenskraft projizieren wir eine Idee durch den
Intellekt, wo sie als Gedankenform konkrete Gestalt annimmt, indem sie
aus der Region der konkreten Gedanken Intellektstoff um sich zieht. Der
Intellekt ist wie
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Die Sammellinse eines Projektionsapparates. Er projiziert
das Bild in einer der drei Richtungen, je nach dem Willen des Denkers,
der die Gedankenform beseelt.
1. Dieses Bild kann unmittelbar gegen den Empfindungsleib
gerichtet werden, um ein Gefühl zu erzeugen, das zu soforti- gem
Handeln führt.
a,Wenn der Gedanke Interesse erweckt, wird eine der
Zwillingskräfte - Anziehung oder Abstoßung - hervor- gerufen.
Wenn die Zentripetalkraft - die Anziehung - angeregt wird, verstärkt
sie den Gedanken, wirbelt ihn in den Emp- findungsleib, verstärkt
das Leben des Bildes und bekleidet es mit Empfindungsstoff. Dann kann
der Gedanke auf das Äthergehirn wirken und die Lebenskraft durch
die geeigneten Gehirnzentren und Nerven zu den willkürli- chen Muskeln
treiben, welche die notwendigen Tätigkei- ten ausführen. So
wird die Kraft im Gedanken ausgege- ben und das Bild verbleibt im Äther
des Lebensleibes als Erinnerung an die Tätigkeit und an das Gefühl,
das sie hervorrief.
b,Abstoßung ist eine zentrifugale Kraft, und
wenn sie vom Gedanken erweckt wird, entsteht ein Kampf zwischen der geistigen
Kraft (dem Willen des Menschen) in der Ge- dankenform und dem Empfindungsleib.
Dies ist der Kampf zwischen Gewissen und Begierde, zwischen höherer
und niederer Natur. Die geistige Kraft sucht trotz des Widerstandes die
Gedankenform in Empfindungsstoff zu kleiden, der nötig ist, um Gehirn
und Muskeln zu gebrauchen. Die Abstoßungskraft wird bestrebt sein,
das angesammelte Material zu zerstreuen und den Gedanken auszustoßen.
Wenn die geistige Energie stark ist, so kann sie ihren Weg zu den Gehirnzentren
erzwingen und ihre Bekleidung aus Empfindungsstoff erhalten, während
sie sich der Lebenskraft bedient. So erzwingt sie eine Tätigkeit
und wird in diesem Fall im Gedächtnis einen lebhaften Eindruck des
Kampfes und des Sieges zurück-
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lassen. Wenn die geistige Kraft erschöpft ist,
ehe es zur Handlung kam, wird sie durch die Kraft der Abstoßung
überwunden und auch dieses Ergebnis wird - wie alle übrigen
Gedankenformen - im Gedächtnis aufgespeichert, nachdem sie ihre Kraft
ausgegeben hat.
c,Begegnet die Gedankenform hingegen dem tötenden
Gefühl der Gleichgültigkeit, so hängt es von der in ihr
enthaltenen geistigen Kraft ab, ob sie fähig sein wird, eine Handlung
zu erzwingen, oder im rückstrahlenden Äther des Lebensleibes
nur einen schwachen Eindruck zurückläßt, nachdem ihre
bewegende Kraft erschöpft ist.
2. Wo die mentalen Bilder äußerlicher Einwirkungen
keine unmittelbare Handlung erfordern, können sie sofort in den rückstrahlenden
Äther projiziert werden, was gleichzeitig mit den Gedanken geschieht,
die sie erzeugt haben und die nun zu einem späteren Gebrauch aufbewahrt
werden. Der Geist, der durch den Intellekt wirkt, hat unmittelbaren Zutritt
zum Speicher des bewußten Gedächtnisses und kann zu jeder Zeit
jedes beliebige der dort vorhandenen Bilder erstehen lassen, um es mit
neuer geistiger Kraft zu versehen, auf den Empfindungsleib zu projizieren
und Handlungen zu ver- anlassen. Sooft nun ein solches Bild benötigt
wird, gewinnt es an Lebhaftigkeit, Stärke und Wirksamkeit; es hinterläßt
in uns Kraftlinien, welche die betreffenden Handlungen rascher als bei
den vorhergehenden Gelegenheiten erzwingen. So entsteht die Erscheinung
der Verstärkung und des Anwach- sens der Gedanken durch Wiederholung.
3. Eine dritte Art, Gedankenformen zu verwenden, ist
ihre Projektion auf einen anderen Intellekt, um als Suggestion zu wirken,
Nachrichten usw. zu übermitteln, wie dies bei der unmittelbaren Gedankenübertragung
geschieht. Die Gedanken können auch auf den Empfindungsleib eines
anderen Men- schen gerichtet werden, um ihn zu Handlungen zu ver- anlassen,
wie dies bei der Fernhypnose der Fall ist. Sie wirken dann genauso, als
ob sie die eigenen Gedanken des Opfers wären. Stimmen sie mit seinen
Neigungen überein,
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wird das Gedankenbild wie unter Punkt 1.a wirken; sind
sie seiner Natur widersprechend, wirken sie so, wie in 1.b oder
1.c beschrieben.
Wenn die - für eine solche projizierte
Gedankenform be- stimmte - Arbeit vollendet ist, oder wenn ihre Kraft
in einem vergeblichen Kampf ihr Ziel zu erreichen ausgegeben wurde, strebt
sie zu ihrem Urheber zurück und bringt ihm den unauslöschlichen
Bericht ihrer Reise mit. Ihr Erfolg oder Mißerfolg prägt sich
den negativen Atomen des rückstrahlen- den Äthers im Lebensleib
ihres Schöpfers ein, wo sie den Teil der Aufzeichnungen über
Leben und Handeln des Denkers bildet, den wir gelegentlich Unterbewußtsein
nennen.
Dieser Teil ist bedeutend wichtiger als
das Gedächtnis, zu dem wir bewußten Zutritt haben, denn dieses
ist aus unvoll- kommenen und trügerischen Sinneswahrnehmungen zusam-
mengesetzt, es ist das willkürliche Gedächtnis oder der be-
wußte Verstand.
Das unwillkürliche Gedächtnis
oder Unterbewußtsein tritt auf andere Weise in Erscheinung, obwohl
es jetzt noch nicht unter unserer Herrschaft steht. So wie der Äther
dem lichtempfindlichen Film im Fotoapparat ein genaues Abbild der umgebenden
Landschaft übermittelt und die kleinste Einzelheit festhält,
ohne Rücksicht darauf, ob sie der Fotograf wahrgenommen hat oder
nicht, so führt der Äther in der Luft, die wir einatmen, ein
genaues und ausführliches Bild unserer ganzen Umgebung mit sich;
und zwar nicht nur von materiellen Gegenständen, sondern auch von
den Zuständen, wie sie zu jedem Augenblick in unserer Aura bestehen.
Die leisesten Gedanken, Gefühle und Empfin- dungen werden den Lungen
vermittelt, die sie ins Blut weiterbefördern. Das Blut ist eines
der höchsten Produkte des Lebensleibes, da es der Träger der
Ernährung für jeden Teil des Körpers und der unmittelbare
Träger des Ego ist. Die Bilder, die es enthält, werden den negativen
Atomen des Lebensleibes eingeprägt, um als Schiedsrichter über
das Schicksal des Menschen im Zustand nach dem Tod zu dienen.
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Das Gedächtnis, das bewußte
wie das unterbewußte, bezieht sich vollständig auf die Erfahrungen
dieses Lebens. Es besteht aus Eindrücken der Ereignisse auf den Lebensleib.
Diese können geändert oder sogar ausgetilgt werden, wie in der
Erklärung über die Vergebung der Sünden bemerkt wird, die
einige Seiten weiter hinten folgt. Diese Änderung oder Austilgung
hängt von der Entfernung der Eindrücke aus dem Äther des
Lebensleibes ab.
Es gibt auch ein überbewußtes
Gedächtnis. Es ist der Spei- cher, in dem alle in vergangenen Leben
erworbenen Fähig- keiten und Kenntnisse aufbewahrt werden, selbst
wenn sie in diesem Leben latent sein sollten. Diese Aufzeichnungen sind
dem Lebensgeist unauslöschlich eingegraben. Es äußert
sich gewöhnlich - jedoch nicht im vollen Maß - als Gewissen
und Charakter, die alle Gedankenformen beseelen. Manchmal wirkt das überbewußte
Gedächtnis auch als Ratgeber und erzwingt oft mit unwiderstehlicher
Kraft Handlungen, sogar der Vernunft und der Empfindung zuwider.
Bei vielen Frauen, deren Lebensleib positiv
ist, sowie bei fortgeschrittenen Menschen beiderlei Geschlechts, deren
Lebensleib durch ein reines und heiliges Leben, durch Gebete und Konzentration
empfänglich gemacht wurde, steht das dem Lebensgeist innewohnende,
überbewußte Gedächtnis zuweilen bis zu einem gewissen
Maß über der Notwendig- keit, sich in Gedanken- und Empfindungsstoff
zu kleiden, um Handlungen zu erzwingen. Es muß sich nicht immer
der Gefahr aussetzen, der Vernunft unterworfen und von ihr vielleicht
unterdrückt zu werden. Manchmal drückt es sich in Form von Intuitionen
oder innerer Belehrung unmittelbar durch den rückstrahlenden Äther
des Lebensleibes aus.
Je bereitwilliger wir lernen, es als solches
zu erkennen und seinen Anordnungen zu folgen, um so öfter wird es
zu unserem ewigen Wohl zu uns sprechen.
Durch ihre Tätigkeit während
des Wachens zerstören der Empfindungsleib und der Intellekt unausgesetzt
den dichten Träger. Jeder Gedanke, jede Bewegung zerstört sein
Gewebe. Andererseits jedoch ist der Lebensleib beständig bestrebt,
die Harmonie wiederherzustellen und aufzubauen, was die anderen Träger
niedergerissen haben. Dennoch ist er nicht
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imstande, dem machtvollen Ansturm der Impulse und Gedanken
vollständig zu widerstehen.
Er verliert nach und nach an Boden und
schließlich kommt eine Zeit, in der er zusammenbricht. Seine "Prismen"
schrumpfen sozusagen ein. Der Lebensstrom fließt nicht länger
in genügender Menge durch die Nerven, der Körper wird schläfrig.
Der Denker wird dadurch in seiner Tätigkeit gehindert und gezwungen,
sich zurückzuziehen. Er nimmt dabei den Empfindungsleib mit sich.
Dieses Zurückziehen der höheren Träger hinterläßt
den vom Lebensleib durch- drungenen dichten Körper in jenem bewußtlosen
Zustand, den wir Schlaf nennen.
Und doch ist der Schlaf keineswegs ein
so untätiger Zustand wie man allgemein annimmt. Wenn es so wäre,
befände sich der Körper beim Erwachen am Morgen in der gleichen
Verfassung wie am Abend beim Einschlafen, seine Müdigkeit wäre
dieselbe. Im Gegenteil, der Schlaf ist eine Zeit intensiver Tätigkeit,
und je lebhafter sie ist, um so größer ist ihr Wert, denn sie
scheidet die Gifte aus, welche sich aus dem Gewebe bilden, das durch die
intellektuelle und physische Tätigkeit des Wachzustandes zerstört
wurde. Die Gewebe werden wieder aufgebaut und der Rhythmus des Körpers
erneuert. Je vollständiger diese Arbeit getan wird, desto größer
ist die Wohltat, die dem Schlaf entspringt.
Die Empfindungswelt ist ein Ozean der Weisheit
und Harmonie. In sie bringt das Ego zunächst den Intellekt und den
Empfindungsleib, wenn die niederen Träger im Schlaf verlassen wurden.
Die erste Bemühung des Ego ist, die Harmonie und den Rhythmus des
Intellekts und des Empfin- dungsleibes wiederherzustellen. Diese Wiederherstellung
vollzieht sich nach und nach, sobald sie die harmonischen Schwingungen
der Empfindungswelt durchfluten. In der Empfindungswelt gibt es eine Essenz,
die dem Lebensstrom entspricht, der den dichten Körper vermittels
des Lebens- leibes durchflutet. Die höheren Träger tauchen sozusagen
in diesem Lebenselixier unter. Wenn sie wieder gestärkt sind, beginnen
sie ihre Tätigkeit am Lebensleib, der beim schla- fenden dichten
Körper zurückgelassen wurde. Dann beginnt der Lebensleib die
Sonnenenergie aufs neue abzusondern und
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baut den dichten Körper wieder auf, wobei er sich
beim Wiederherstellungsprozeß hauptsächlich des chemischen
Äthers als seines Vermittlers bedient.
Diese Tätigkeit der verschiedenen
Träger während des Schlafes ist es, welche die Grundlage für
die Arbeit des folgenden Tages bildet. Ohne sie gäbe es kein Wieder-
erwachen, denn das Ego müßte seine Träger verlassen, die
wegen ihrer Müdigkeit nutzlos geworden sind. Würde die Arbeit,
diese Müdigkeit zu beseitigen, nicht getan, so blieben die Körper
schlafend, wie dies manchmal im natürlichen Trancezustand der Fall
ist. Gerade wegen dieser ausgleichen- den, wiederaufbauenden Tätigkeit
bewahrt der Schlaf die Gesundheit besser als der Arzt oder die Arznei.
Ein bloßes Ausruhen läßt sich nicht mit dem Schlaf vergleichen.
Nur während die höheren Träger in der Empfindungswelt weilen,
erfolgt eine völlige Ausscheidung der Abfälle und ein Einströmen
der wiederaufbauenden Kraft. Es ist wahr, daß während der Ruhe
der Lebensleib in seiner Arbeit nicht durch Gewebe gehindert wird, die
durch tätige Bewegung und gespannte Muskeln zerstört werden,
aber immerhin muß er noch mit der verwüstenden Kraft der Gedanken
kämpfen und erhält auch nicht die durch den Empfindungsleib
von außen kommende, wiederaufbauende Kraft, wie es während
des Schlafes geschieht.
Es kommt jedoch öfter vor, daß
sich der Empfindungsleib nicht völlig zurückzieht, so daß
ein Teil von ihm mit dem Lebensleib - dem Träger der Sinneseindrücke
und des Gedächtnisses - in Verbindung bleibt. Das Ergebnis ist, daß
die Wiederherstellung nur teilweise vor sich geht und daß die Szenen
und Handlungen der Empfindungswelt als Träume in unser physisches
Bewußtsein eintreten. Natürlich sind die meisten Träume
verworren, da die Achse der Wahrnehmung verschoben ist durch die unkorrekte
Ver- bindung der beiden Körper. Auch das Gedächtnis wird durch
das nicht übereinstimmende Verhältnis der Träger zueinander
verwirrt, und als Folge des Mangels der wiederherstellenden Kraft ist
ein traumerfüllter Schlaf ruhelos, so daß sich der Körper
beim Erwachen müde fühlt.
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Während des Lebens wirkt der dreifache
Geist, das Ego, durch und im dreifachen Körper, mit dem er durch
das Bindeglied des Intellekts verbunden ist. Diese Tätigkeit bringt
die dreifache Seele ins Dasein, denn sie ist das vergeistigte Produkt
des Körpers. So wie geeignete Nahrung den Körper im materiellen
Sinn aufbaut, befördert die Tätigkeit des Geistes, die als richtiges
Handeln zutage tritt, im dichten Körper das Wachstum der Bewußtseinsseele.
So wie die Kräfte der Sonne im Lebensleib tätig sind und ihn
ernähren, damit er auf den dichten Körper einwirken kann, so
fördert die Erinnerung an Taten des dichten Körpers, an Empfindungen
und Gefühle des Empfindungsleibes sowie an Gedanken und Ideen im
Intellekt, das Wachstum der Ver- standesseele. Ebenso formen die höchsten
Empfindungen und Erregungen des Empfindungsleibes die Empfindungsseele.
Diese dreifache Seele steigert das Bewußtsein
des dreifa- chen Geistes.
Die Empfindungsseele als Extrakt des Empfindungsleibes
vermehrt die Wirksamkeit des menschlichen Geistes, der das geistige Doppelbild
des Empfindungsleibes ist.
Die Verstandesseele vermehrt die Kraft
des Lebensgeistes, weil sie dem Lebensleib entzogen wird, der das materielle
Doppelbild des Lebensgeistes ist.
Die Bewußtseinsseele vermehrt das
Bewußtsein des gött- lichen Geistes, weil sie der Extrakt des
dichten Körpers ist, dem Doppelbild des göttlichen Geistes.
Tod und Fegefeuer
So sät und baut der Mensch, bis der
Augenblick des Todes naht. Dann ist die Zeit zu säen, zu wachsen
und zu reifen vorüber. Die Erntezeit ist angebrochen und die Skelettgestalt
des Todes erscheint mit Stundenglas und Hippe. Das ist ein treffliches
Sinnbild. Das Skelett symbolisiert den relativ dauernden Teil des Körpers.
Die Sense repräsentiert die Tatsache, daß dieser dauernde Teil,
der jetzt vom Geist geerntet werden soll, die Frucht des Lebens ist, das
nun
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seinem Ende zugeht. Das Stundenglas in seiner Hand zeigt
an, daß die Stunde nicht schlägt, bevor die Zeit in Überein-
stimmung mit unabänderlichen Gesetzen erfüllt ist.
Wenn dieser Augenblick eintritt, findet
eine Trennung der Träger statt. Da für die gegenwärtige
Zeit das Leben in der physischen Welt beendet ist, braucht der Mensch
seinen dichten Körper nicht mehr länger zurückzubehalten.
Der Lebensleib, der, wie wir erklärt haben, auch der physischen Welt
angehört, tritt durch den Kopf aus dem Körper aus und läßt
den dichten Körper unbelebt zurück.
Man kann beobachten, wie die höheren
Träger - der Lebensleib, der Empfindungsleib und der Intellekt -
den dichten Körper in spiralförmiger Bewegung verlassen. Mit
ihnen geht die Seele eines dichten Atoms. Es ist nicht das Atom selbst,
sondern die Kräfte, die durch es wirkten. In dieses besondere Atom
wurden die Erfahrungen eingeprägt, die während des eben beendeten
Lebens gemacht wurden. Während alle anderen Atome des menschlichen
Körpers immerfort erneuert wurden, ist dieses eine Atom unverändert
geblieben. Es hat nicht nur diesem Leben standgehalten, sondern es hat
einen beständigen Teil jedes dichten Körpers gebildet, dessen
sich ein einzelnes Ego jemals bediente. Es wird beim Tod nur zurückgezogen,
um beim Anbruch eines neuen physischen Lebens wieder als Kern zu dienen,
um den sich ein neuer dichter Körper zur Benutzung für dasselbe
Ego bildet.
Darum heißt es "Keimatom" (seed-atom).
Während des Lebens sitzt das Keimatom in der linken Herzkammer, nahe
der Spitze. Beim Tod steigt es auf dem Weg des pneumo- gastrischen Nervs
zum Gehirn und verläßt den dichten Körper zusammen mit
den höheren Trägern durch die Nähte zwischen dem Scheitel-
(os parietale) und Hinterhauptbein.
Wenn die höheren Träger den dichten
Körper verlassen haben, so sind sie mit ihm noch durch eine dünne,
glän- zende, silbrige Schnur verbunden, die zwei geschriebenen
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Sechsen sehr ähnlich ist, von denen eine aufrecht,
die andere verkehrt steht und die am Ende ihrer Haken aneinanderhän-
gen.
Ein Ende ist durch das Keimatom mit dem Herzen ver-
bunden. Beim Brechen des Keimatoms hört das Herz auf zu schlagen.
Die Schnur selbst wird nicht abgeschnitten, ehe nicht das Panorama des
vergangenen Lebens, das im Lebens- leib enthalten ist, überblickt
wurde. Es ist wichtig darauf zu achten, daß der Körper nicht
früher als drei Tage nach dem Tod verbrannt oder einbalsamiert wird.
Solange der Lebens- leib in Verbindung mit den höheren Trägern
ist, und sie mit dem dichten Körper noch durch die Silberschnur zusammen-
hängen, wird jede Leichensektion oder Verletzung des dichten Körpers
nach dessen Ableben noch in gewissem Grad vom Menschen empfunden.
Besonders die Verbrennung sollte in den
ersten drei Tagen nach dem Tod vermieden werden, weil sie den Lebensleib
zerstört, der solange unverletzt bleiben sollte, bis das Pano- rama
des vergangenen Lebens in den Empfindungsleib eingraviert wurde.
Die Silberschnur bricht an der Stelle,
an der sich die beiden Sechsen vereinigen. Die eine Hälfte verbleibt
beim dichten
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Körper und die andere bei den höheren Trägern.
Erst von dem Augenblick an, wo die Schnur reißt, ist der dichte
Körper ganz tot.
Anfang 1906 machte Dr. McDougall im General
Hospital of Massachusetts eine Reihe von Versuchen, um - wenn möglich
- festzustellen, ob etwas für gewöhnlich nicht Sicht- bares
den Körper beim Tod verlasse. Zu diesem Zweck konstruierte er eine
Waage, die auf Unterschiede von etwa 3 g reagierte.
Der Sterbende und sein Bett wurden auf
eine Seite der Waage gebracht und auf die andere die entsprechenden Ge-
wichte. In jedem einzelnen Fall konnte man feststellen, daß im Augenblick,
als der Sterbende seinen letzten Seufzer tat, die Waagschale mit den Gewichten
überraschend schnell sank, wogegen die Waagschale mit dem Bett und
dem Toten sich hob. Es zeigte sich dadurch, daß etwas Unsichtbares,
jedoch Wägbares, den Körper verlassen hatte. Daraufhin verkündeten
alle Zeitungen, daß McDougall "die Seele abgewogen" habe.
Die Okkultisten begrüßen jede
Entdeckung der modernen Wissenschaft mit Freuden, da sie unabänderlich
bestätigt, was die okkulte Wissenschaft schon lange lehrt. Die Expe-
rimente Dr. McDougalls wiesen endgültig nach, daß beim Tod
irgendetwas, dem gewöhnlichen Auge Unsichtbares, den Körper
verläßt, so wie dies die geübten Hellseher geschaut hatten
und wie es, Jahre vor der Entdeckung Dr. McDou- galls, in Vorträgen
und in der Fachliteratur gelehrt wurde.
Aber dieses unsichtbare "Etwas" ist nicht
die Seele, son- dern etwas davon Grundverschiedenes. Die Berichterstatter
unterliegen einem Trugschluß, wenn sie annehmen, daß es der
Wissenschaft gelang, die Seele abzuwägen. Die Seele gehört höheren
Reichen an und kann nicht gewogen werden, selbst wenn die Waage auf Unterschiede
von einem Million- stel Getreidekorn reagieren würde und nicht nur
auf 3 g. Es war der Lebensleib, den der Gelehrte abwog. Der Lebensleib
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besteht aus vier Ätherarten und diese gehören
der physischen Welt an.
Wie wir gesehen haben, wird eine gewisse
Menge dieser Ätherarten dem Äther "überlagert", der die
Atome des menschlichen Körpers umhüllt; er ist hier während
des phy- sischen Lebens gefesselt, wobei er in ganz geringem Maß
das Gewicht der Pflanzen, Tiere und Menschen vergrößert. Beim
Tod entflieht er. Daher auch die Gewichtsverminde- rung, die Dr. McDougall
feststellte, nachdem der Mensch verschied, mit dem er experimentierte.
Dr. McDougall versuchte seine Waage-Experimente
auch an sterbenden Tieren. Es ergab sich keine Verminderung des Gewichts,
obwohl einer der Hunde ein großer Bernhardiner war. Daraus schloß
man, daß Tiere keine Seele haben. Aber ein wenig später experimentierte
Prof. La V. Twinigg, Vorstand der wissenschaftlichen Abteilung der Politechni-
schen Schule in Los Angeles, mit Mäusen und Küken, die er in
hermetisch versiegelte Glasflaschen einschloß. Seine Waage war die
empfindlichste, die man seinerzeit kon- struieren konnte. Sie war sogar
in einem Glaskasten einge- schlossen, aus dem jede Feuchtigkeit entfernt
wurde. Dabei fand man, daß alle beobachteten Tiere beim Tod an Gewicht
verloren.
Eine Maus von ziemlicher Größe,
die 12,886 Gramm wog, verlor beim Tod plötzlich 3,1 Milligramm an
Gewicht. Bei einem anderen Experiment verlor ein Küken 100 Milli-
gramm, und bei seinem letzten Hauch plötzlich nochmals 60 Milligramm.
Nachher verlor es langsam durch Verdunstung an Gewicht.
So wurden die Lehren der okkulten Wissenschaft
in bezug auf den Lebensleib der Tiere ebenfalls bestätigt, durch
die Verwendung entsprechend feiner Waagen; und jener Fall, bei dem der
auf der verhältnismäßig groben Waage gewogene Bernhardiner
bei seinem Sterben nicht an Gewicht verlor, beweist nur, daß Tiere
einen entsprechend leichteren Lebens- leib als Menschen haben.
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Wenn die "Silberschnur" im Herzen gebrochen
ist und der Mensch von seinem dichten Körper erlöst wurde, kommt
für das Ego ein Augenblick von höchster Wichtigkeit. Man kann
es den Verwandten eines sterbenden Menschen nicht ernst genug einprägen,
daß es ein großes Verbrechen gegen die Hinscheidenden ist,
sich in lautem Kummer und Wehklagen zu ergehen, denn gerade dann ist der
Sterbende mit einer Angelegenheit von größter Wichtigkeit beschäftigt.
Ein großer Teil des Wertes, den ein vergangenes Leben hat, hängt
davon ab, wie viel Aufmerksamkeit die Seele dieser Angelegenheit zuwenden
kann. Das wird klarer werden, wenn wir das Leben des Menschen in der Empfindungswelt
betrachten.
Auch ist es dem Sterbenden gegenüber
ein großes Ver- brechen, Reizmittel anzuwenden, welche die höheren
Träger mit einem Ruck in den dichten Körper zurückzwingen
und so dem Menschen einen starken Schlag versetzen. Es ist keine Folterqual
hinzuscheiden, aber es ist tatsächlich eine Folterqual zu fortgesetzten
Leiden zurückgezerrt zu werden. Einige Abgeschiedene erzählten
Forschern, daß sie auf diese Weise stundenlang sterben mußten.
Sie hatten ihre Ver- wandten inständigst gebeten, ihre verfehlte
Güte einzustellen und sie sterben zu lassen.
Sobald der Mensch vom dichten Körper
befreit ist, der wie ein schweres Bleigewicht an seiner geistigen Kraft
hing (so wie in unserem früheren Beispiel der Handschuh an der Hand
des Musikers), kehrt seine geistige Kraft in gewissem Maß zurück
und er kann die Bilder im negativen Pol des rückstrahlenden Äthers
lesen, der einen Teil des Lebensleibes bildet und der Sitz des unterbewußten
Gedächtnisses ist.
Vor seinem Blick zieht sein ganzes vergangenes
Leben wie ein Panorama vorüber, jedoch in umgekehrter Reihenfolge.
Zuerst erscheinen die Ereignisse der Tage, die dem Tod unmittelbar vorangingen,
und so schreitet er zurück durch Mannes- oder Frauenalter, durch
Jugend, Kindheit und Säuglingsalter. Alles ist in diesem Gedächtnis
aufbewahrt.
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Vor diesem Panorama seines vergangenen
Lebens steht der Mensch als Zuschauer. Er sieht die vorübergleitenden
Bilder, die sich seinen höheren Trägern einprägen. Sie
rufen jedoch in diesem Augenblick keine Empfindung in ihm hervor. Das
ist seinem Eintritt in die Empfindungswelt vorbehalten, welche die Welt
der Gefühle und Erregungen ist. Gegen- wärtig befindet er sich
aber in der Ätherregion der physi- schen Welt.
Dieses Panorama dauert von einigen Stunden
bis zu einigen Tagen, was von der Länge der Zeit abhängt, während
derer der Mensch, wenn nötig, wach bleiben kann. Einige Men- schen
können nur 12 Stunden wach bleiben, andere, wenn es sein muß,
mehrere Tage lang. Sein Panorama dauert in jedem Fall so lange, wie er
fähig ist wach zu bleiben.
Dieses Abbild des Lebens nach dem Tod gleicht
dem, das man auch während des Ertrinkens oder des Fallens von einer
Höhe erfährt. In solchen Fällen verläßt der
Lebensleib auch den dichten Körper, und der Mensch sieht sein Leben
blitzartig an sich vorüberziehen, denn er verliert sein Bewußtsein
augenblicklich. Natürlich ist dann die Silber- schnur nicht abgebrochen,
sonst gäbe es kein Wiederaufle- ben.
Wenn der Lebensleib die Grenze seiner Kräfte
erreicht hat, bricht er zusammen, so wie das bei der Erscheinung des Schlafes
beschrieben wurde. Solange das Ego während des physischen Lebens
seine Träger lenkt, ist dieses Zusammen- brechen der Abschluß
des Wachzustandes; nach dem Tod jedoch beschließt dieses Zusammenbrechen
des Lebensleibes das Panorama des Lebens und zwingt den Menschen zum Eintritt
in die Empfindungswelt. Die Silberschnur bricht an der Stelle der Vereinigung
der beiden "Sechsen" (siehe Diagramm 5a) und es erfolgt dieselbe Trennung,
wie sie während des Schlafes stattfindet, nur mit dem wichtigen Unterschied,
daß der Lebensleib - obwohl zum dichten Körper zurückkehrend
- ihn nicht mehr durchdringt, sondern einfach über ihm schwebt. Er
schwebt über dem Grab hin und her und löst sich gleichzeitig
mit dem dichten Körper auf.
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Aus diesem Grund ist für den Hellseher
ein Friedhof ein grauenerregender Anblick. Könnten dies außer
ihm auch noch andere Menschen sehen, so brauchte man nicht viel zu argumentieren,
um die gegenwärtige, unhygienische Metho- de, die Toten zu beerdigen,
mit der viel vernünftigeren des Verbrennens zu vertauschen, welche
die Elemente augen- blicklich in ihren Urzustand zurückführt,
ohne daß sie die widerlichen Begleiterscheinungen des langsamen
Zerfalls hervorruft.
Beim Verlassen des Lebensleibes ist der
Vorgang im großen und ganzen so wie beim Aufgeben des dichten Körpers.
Auch hier werden einem Atom die Lebenskräfte entzogen, um als Kern
für den Lebensleib einer zukünftigen Inkarnation zu dienen.
So bringt der Mensch bei seinem Eintritt in die Empfindungswelt neben
Empfindungsleib und Intellekt das Keimatom des dichten Körpers und
des Lebens- leibes mit.
Könnte der sterbende Mensch all sein
Verlangen zurück- lassen, würde sein Empfindungsleib sehr rasch
von ihm abfallen und ihm die Freiheit geben, um in die himmlische Welt
fortschreiten zu können. Das ist aber im allgemeinen nicht der Fall.
Die meisten Menschen, namentlich solche, die im Frühling ihres Lebens
sterben, werden noch durch viele Bande und Interessen an das Erdenleben
gefesselt. Ihre Empfindungen haben sich durch das Hinscheiden ihres dichten
Körpers nicht verändert. Ja, oftmals verstärken sich ihre
Begierden noch durch ein heftiges Sehnen (in die physische Welt) zurückzukehren.
Das hat zur Folge, daß sie sich dadurch auf eine sehr unangenehme
Weise an die Empfindungswelt binden, obwohl ihnen das unglücklicher-
weise nicht bewußt wird. Alte Menschen aber und solche, die durch
lange Krankheit sehr geschwächt und des Lebens müde sind, gehen
sehr schnell durch die Empfindungswelt hindurch.
Ein Vergleich mit einem Kern, der sehr
leicht aus der reifen Frucht fällt, wobei nichts vom Fleisch an ihm
haften bleibt, möge die Sache veranschaulichen. Der unreife Kern
hängt mit äußerster Zähigkeit am Fruchtfleisch. Menschen,
die auf der Höhe ihrer physischen Gesundheit und Stärke
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durch einen Unglücksfall gezwungen werden, ihren
Körper zu verlassen, sterben ganz besonders schwer, da sie noch in
zahllose Angelegenheiten des physischen Lebens verwickelt waren und weil
sie durch die Bande der Ehe, der Familie, der Verwandten, der Freunde,
des sich Hingebens an Geschäfte und Vergnügungen gehalten wurden.
Der Selbstmörder, der dem Leben zu
entfliehen sucht, wird nur finden, daß er so lebendig ist wie immer;
sein Zustand ist der bedauernswürdigste. Er ist imstande, die zu
be- obachten, denen er vielleicht durch seine Tat Schande brachte. Das
Schlimmste von allem aber ist, daß er ein unausprechliches Gefühl
des "Ausgehöhltseins" hat. Der Teil seiner eiförmigen Aura,
den sein dichter Körper bisher einnahm, ist leer. Wenn auch der Empfindungsleib
die Form des abgeschiedenen dichten Körpers angenommen hat, hat der
Mensch doch das Gefühl, eine leere Schale zu sein. Das kommt daher,
weil der schöpferische Urtypus des Körpers in der Region der
konkreten Gedanken als leere Hülse so lange fortwirkt, als der physische
Körper gelebt haben würde. Stirbt ein Mensch eines natürlichen
Todes, wenn auch in der Blüte des Lebens, so hört auch die Tätigkeit
des Urtypus auf. Dem paßt sich der Empfindungsleib an und füllt
die Form ganz aus. Im Falle eines Selbstmordes bleibt jedoch das entsetzliche
Gefühl des "Leerseins" bestehen, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der
natürliche Tod eingetreten wäre.
Solange der Mensch seine an der Erde haftenden
Emp- findungen beibehält, muß er in seinem Empfindungsleib
bleiben, und da der Fortschritt des Individuums es erfordert, daß
es in höhere Regionen eingehe, muß der Aufenthalt in der Empfindungswelt
natürlich reinigend wirken; er muß ihn von seinen ihn fesselnden
Begierden befreien. Wie das vor sich geht, wird am besten an einigen Schulbeispielen
erläutert.
Der Geizhals, der auf Erden sein Gold liebte,
liebt es nach dem Tod genauso. Er kann aber nun in der Empfindungswelt
kein weiteres Gold mehr erwerben, da ihm der dichte Körper fehlt,
um es zusammenzuscharren und - was am schlimmsten ist - er kann nicht
einmal das behalten, was er während seines vergangenen Lebens angehäuft
hatte. Vielleicht wird
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er zu seinem Geldschrank gehen, um sich dort hinzusetzen
und sein geliebtes Gold und seine Aktien zu bewachen. Nun kommen aber
die Erben, scherzen über den "geizigen alten Narren" (den sie nicht
sehen, der sie aber sehr wohl sieht und hört), und öffnen seinen
Geldschrank. Er wirft sich zwar über sein Gold, um es zu beschützen,
aber sie stecken ihre Hände durch ihn hindurch, wissen nichts von
seiner Anwe- senheit, kümmern sich auch nicht darum und gehen dann
hin, um seinen Schatz auszugeben, während er in Kummer und ohnmächtiger
Wut leidet.
Er leidet schwer, denn seine Leiden sind
um so schreck- licher, weil sie vollkommen mentaler Art sind. Der dichte
Körper dämpft solche Leiden einigermaßen. In der Empfin-
dungswelt jedoch haben diese Leiden freies Spiel und der Mensch leidet,
bis er zur Einsicht kommt, daß sein Geld ein Fluch sein kann. So
söhnt er sich nach und nach mit seinem Los aus und wird endlich von
seinem Empfindungsleib erlöst. Erst dann ist er bereit, weiterzugehen.
Oder man nehme den Fall eines Trinkers.
Er liebt berau- schende Getränke nach seinem Tod genauso wie vorher.
Nicht der dichte Körper giert nach Getränken, denn er wird durch
den Alkohol nur krank und würde ihn lieber meiden. Vergebens wehrt
er sich auf verschiedene Weise gegen die Aufnahme von Alkohol. Der Empfindungsleib
des Trunken- bolds lechzt nach alkoholischen Getränken und zwingt
den dichten Körper, sie aufzunehmen, damit er das Vergnügen
der erhöhten Schwingungen genießen kann. Die Begierde bleibt
nach dem Tod des dichten Körpers, aber der Empfin- dungsleib des
Trunkenbolds hat nun weder einen Mund zum Trinken noch einen Magen, um
die Getränke zu behalten. Vielleicht - ja gewiß sogar - begibt
sich der Alkoholiker in Wirtshäuser, wo er seine Träger in die
Körper der Trinken- den zwängt, damit er das Lustgefühl
der erhöhten Schwin- gungen wenigstens durch Übertragung genießen
kann. Aber diese Empfindung ist zu schwach, um ihm Vergnügen zu bereiten.
Er begibt sich auch in Whiskyfässer, was aber ebenso nutzlos ist,
weil im Faß nicht dieselben Dünste entstehen, wie sie von den
Verdauungsorganen eines Trin- kers erzeugt werden. Er verspürt keine
Wirkung und gleicht
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einem Mann, der in einem offenen Boot im Ozean schwimmt.
"Wasser, überall Wasser, aber kein Tropfen zum Trinken"; er leidet
Qualen. Mit der Zeit jedoch lernt er die Erfolglosigkeit seines Sehnens
erkennen, und - wie so viele der Begierden in unserem Erdenleben - sterben
diese alle in der Empfindungswelt an der Unmöglichkeit, sie zu befriedi-
gen. Wenn der Trinker sich geläutert hat, so ist er - wenig- stens
was dieses Laster betrifft - bereit, diesen Zustand des "Fegefeuers" zu
verlassen und in die himmlische Welt ein- zugehen.
Hieraus ersehen wir, daß es kein
rächender Gott ist, der Fegefeuer oder Hölle für uns schafft,
sondern daß es unsere eigenen üblen Gewohnheiten und Taten
sind. Der Heftigkeit unserer Begierden entspricht auch die Länge
der Zeit und die Intensität der Leiden, die wir zu ihrer Austilgung
benötigen. Im erwähnten Fall wäre es für den Trunkenbold
kein Leid gewesen, seinen weltlichen Besitz zu verlieren. Selbst wenn
er Schätze besaß, hing er nicht an ihnen. Es hätte auch
den Geizhals nicht geschmerzt, keine berauschenden Getränke genießen
zu können. Man kann mit Sicherheit behaupten, daß ihn der Mangel
jedes trinkbaren Tropfens auf der Erde gleichgültig gelassen hätte.
Der Geizhals sorgte sich um sein Gold, der Trunkenbold gierte nach berauschenden
Getränken, und darum gab das unfehlbare Gesetz jedem, was zur Befreiung
von seinen Begierden und Lastern dienlich war.
Dies ist das Gesetz, das durch die Sense
des Schnitters Tod symbolisiert wird, jenes Gesetz, das da sagt: "Was
immer der Mensch sät, das soll er auch ernten." Es ist das Gesetz
der Ursache und Wirkung, das alle Dinge der drei Welten beherrscht, dem
jedes Naturreich unterworfen ist: das physische, das moralische und das
geistige. Überall wirkt es unerbittlich, es gleicht alles aus, es
stellt das Gleichgewicht wieder her, wo auch immer die kleinste Handlung
eine Störung hervorgerufen hat, wie es ja schließlich eine
jede Handlung tun muß. Die Wirkung kann sich unmittelbar zeigen,
sie kann nach Jahren oder erst nach Leben eintreten, aber irgendwann und
irgendwo erfolgt gerechte und aus- gleichende Wiedervergeltung.
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Der Schüler muß besonders darauf
achten, daß die Tätig- keit dieses Gesetzes vollkommen und
unpersönlich ist. In der Natur gibt es weder Lohn noch Strafe, alles
ist die Folge eines unabänderlichen Gesetzes. Die Wirkungsweise dieses
Gesetzes wird im nächsten Kapitel eingehender erklärt werden,
wo wir es in Verbindung mit einem anderen großen, kosmischen Gesetz
finden, das auch in die Entwicklung des Menschen eingreift. Das Gesetz,
das wir jetzt betrachten, heißt: das Gesetz der Ursache und Wirkung.
In der Empfindungswelt reinigt es den Menschen
von seinen Begierden, gleicht seine Schwächen und Laster aus, die
ihn am Fortschritt hindern, und läßt ihn zu diesem Zweck in
der Art leiden, die diesen Erfolg am ehesten herbeiführt. Wenn er
andere leiden ließ oder ungerecht behandelte, wird mit ihm ebenso
verfahren werden.
Es muß aber bemerkt werden, daß
ein lasterhafter oder ungerechter Mensch, der seine Laster überwand
oder bereute, und seine Ungerechtigkeit so weit als möglich wieder-
gutgemacht hat, durch solche Reue, Besserung oder Wieder- gutmachung sich
von diesen besonderen Lastern und bösen Taten befreit hat. Das Gleichgewicht
ist wiederhergestellt, und die Lehre ist in diesem Erdenleben aufgenommen
worden, wodurch nach dem Tod die Ursache zum Leiden fehlt.
In der Empfindungswelt vergeht das Leben
ungefähr dreimal so schnell wie in der physischen Welt. Ein Mensch,
der in der physischen Welt fünfzig Jahre alt geworden ist, würde
dieselben Ereignisse in der Empfindungswelt in ungefähr 16 Jahren
durchleben. Dies ist jedoch nur allgemein der Fall. Es gibt Menschen,
die in der Empfindungswelt viel länger leben, als die ihnen zugemessene
Spanne an Zeit in der physischen Welt betrug. Andere, deren Leben von
weni- gen groben Begierden erfüllt war, durchlaufen die Empfin- dungswelt
in viel kürzerer Zeit, aber das oben angegebene Maß stimmt
fast für alle Durchschnittsmenschen der Ge- genwart.
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Erinnern wir uns, daß beim Verlassen
des dichten Körpers das vergangene Leben in Bildern vorüberzieht,
der Mensch aber in diesem Augenblick kein Empfinden dafür besitzt.
Auch während des Lebens in der Empfindungswelt
laufen diese Lebensbilder wie vorher in umgekehrter Reihenfolge ab. Dabei
aber hat nun der Mensch soviele Gefühle, wie er nur haben kann, während
die Szenen eine nach der anderen vorüberziehen. Er durchlebt nun
jeden Augenblick seines Lebens nochmals. Wenn er zu einem Punkt kommt,
an dem er einem Menschen Unrecht getan hat, so empfindet er dieses Unrecht
ebenso, wie der betreffende Mensch es empfand. Er durchlebt allen Kummer
und Schmerz, den er anderen verursachte, und lernt dabei, wie schmerzlich
die Verletzung und wie schwer zu ertragen der Kummer war, den er schuf.
Dazu kommt noch, daß das Leiden - wie bereits erwähnt - schärfer
empfunden wird, da der dichte Körper den Schmerz nicht mehr dämpfen
kann. Vielleicht ist deshalb die Schnelligkeit des Lebens verdreifacht,
damit die Leiden durch die Verkürzung das verlieren, was sie an Stärke
gewinnen. Das Maß der Natur ist wunderbar gerecht und wahr.
Es gibt noch ein anderes Charakteristikum,
das mit dieser Phase des Zustandes nach dem Tod zusammenhängt. Es
ist die Tatsache, daß in der Empfindungswelt (wie bereits erwähnt)
Entfernungen so gut wie aufgehoben sind. Wenn der Mensch stirbt, so scheint
er auf einmal in seinen Lebens- leib hineinzuschwellen, der ungeheure
Ausdehnungen an- zunehmen scheint. Nicht der Körper wächst wirklich,
son- dern die Aufnahmefähigkeit wird von vielen Eindrücken aus
verschiedenen Quellen, die alle ganz nahe zu sein scheinen, getroffen.
Dasselbe gilt auch vom Empfindungsleib. Es scheint dem Menschen so, als
sei er bei allen Menschen ge- genwärtig, mit denen er auf der Erde
in einer Art von Beziehung stand, die nun einer Korrektur bedürfen.
Wenn er einen Menschen in San Franzisko und einen in New York verletzt
hat, so scheint es ihm, als wenn ein Teil von ihm an jedem der beiden
Orte wäre, was das Gefühl des Zerstückelt- seins hervorruft.
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Der Schüler wird nun die Bedeutung
des Panoramas über das vergangene Leben während des reinigenden
Daseins verstehen, weil dort diese Lebensübersicht in scharf um-
grenzten Gefühlen verwirklicht wird. Wenn es lange dauerte und der
Mensch nicht gestört wurde, so macht ein voll und klar dem Empfindungsleib
eingegrabener Eindruck das Leben in der Empfindungswelt lebendiger und
bewußter. Die Reinigung kann dann gründlicher vor sich gehen,
als wenn nach dem Tod am Totenbett laute Ausbrüche der Verzweif-
lung und des Kummers den Abgeschiedenen nur einen verschwommenen Eindruck
seines vergangenen Lebens gewinnen lassen. Der Geist, der seinem Empfindungsleib
einen tiefen und klaren Eindruck eingeprägt hat, wird die Fehler
seines vergangenen Lebens viel klarer und bestimmter fühlen, als
wenn die Bilder verschwommen geblieben wären, weil seine Aufmerksamkeit
durch die Leiden und den Kummer seiner Umgebung abgelenkt wurde. Das Gefühl,
die Ursachen seiner Leiden in der Empfindungswelt betreffend, wird viel
bestimmter sein, wenn es von einem deutlichen Eindruck des Panoramas herrührt,
als wenn die Dauer des Vorganges nur kurz wäre.
Dieses scharf und klar umrissene Gefühl
ist für die zu- künftigen Leben von größtem Wert.
Es drückt dem Keim- atom des Empfindungsleibes ein unauslöschliches
Merkmal von sich auf. Die Erfahrungen werden in künftigen Leben vergessen
sein, das Gefühl aber wird bleiben. Wenn sich in späteren Leben
Gelegenheiten bieten, die Fehler zu wie- derholen, so wird das Gefühl
klar und unfehlbar davor warnen. Es ist die "stille, kleine Stimme", die
uns warnt, ob- wohl wir nicht wissen warum. Aber je klarer und bestimmter
das Panorama des vergangenen Lebens gewesen ist, desto öfter, stärker
und klarer werden wir diese Stimme hören.
Daraus ersehen wir, wie wichtig es ist,
die hinübergehende Seele nach dem Tod völlig in Ruhe zu lassen.
Handeln wir entsprechend, so helfen wir ihr, dem eben beendeten Leben
den größten Nutzen zu entziehen und die Wiederholung derselben
Fehler in künftigen Leben zu vermeiden, während
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unsere selbstsüchtigen, hysterischen Klagen ihr
viel vom Nutzen des soeben abgeschlossenen Lebens rauben können.
Die Aufgabe des Fegefeuers ist, die üblen
Gewohnheiten dadurch auszumerzen, daß ihre Befriedigung unmöglich
wird. Der Mensch leidet genau so, wie er andere durch seine Unehrlichkeit,
seine Grausamkeit, seine Unduldsamkeit usw. leiden ließ. Aus diesen
Leiden lernt er in künftigen Leben gegen andere gütig, ehrlich
und nachsichtig zu sein. So lernt er als Folge dieses heilbringenden Zustandes
Tugend und richtiges Handeln. Wenn er wiedergeboren wird, ist er frei
von üblen Gewohnheiten; jeder begangene Fehltritt ent- springt dann
dem freien Willen. Der Hang, das Böse aus vergangenen Leben zu wiederholen,
bleibt zurück, denn wir müssen lernen, das Rechte bewußt
und aus freiem Willen zu tun. Gelegentlich versuchen uns diese Neigungen
und geben uns dadurch Gelegenheit, uns auf die Seite der Rechtschaf- fenheit
und Tugend oder auf die Seite des Lasters und der Grausamkeit zu stellen.
Das Gefühl aber, das aus der Reinigung von den Fehlern und aus der
Austilgung der üblen Taten der vergangenen Leben erwächst, hilft
uns, die rechte Handlungsweise zu erkennen und widerstandsfähig gegen
die Fallstricke und Ränke der Versuchung zu sein.
Wenn wir dieses Gefühl beachten und
uns von dem beson- deren, damit verbundenen Übel fernhalten, wird
die Ver- suchung aufhören. Wir haben uns für alle Zeiten davon
be- freit. Geben wir nach, so werden wir schwerer als vorher leiden, bis
wir endlich gelernt haben, nach der goldenen Regel zu leben, denn der
Weg des Übertreters ist hart. Aber selbst dann ist das Endziel noch
nicht erreicht.
Anderen Gutes tun, damit sie uns wieder
Gutes tun, ist im höchsten Grad selbstsüchtig. Wir müssen
mit der Zeit lernen, das Gute ohne Rücksicht darauf zu tun, wie wir
von anderen behandelt werden. Christus sagt, wir müssen selbst unsere
Feinde lieben.
Eine unschätzbare Wohltat ist es,
über die Methode und den Zweck dieser Reinigung unterrichtet zu sein,
weil es uns
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dadurch möglich wird, unser Fegefeuer schon hier
und jetzt Tag für Tag zu durchleben, um dadurch viel schneller vorwärts
zu kommen, als dies sonst möglich gewesen wäre. Im späteren
Teil dieses Buches wird eine Übung angegeben, deren Zweck die Reinigung
ist, die wir zur Entwicklung des geistigen Sehens benötigen.
Sie besteht darin, die Ereignisse des Tages
zu überdenken, ehe man sich zur Ruhe begibt. Wir lassen alle Ereignisse
des Tages in umgekehrter Reihenfolge an uns vorüberziehen, richten
unser Besonderes Augenmerk auf ihre moralische Seite und überlegen,
ob wir in jedem einzelnen Fall - was Taten, geistige Haltung und Gewohnheiten
betrifft - recht oder unrecht gehandelt haben.
Wenn wir uns auf diese Weise selbst kritisieren
und suchen, Fehler und Übeltaten zu verbessern, können wir die
Reinigungszeit im Fegefeuer wesentlich abkürzen, vielleicht sogar
unnötig machen und nach dem Tod unmittelbar in den ersten Himmel
eingehen. Wenn wir so unsere Schwächen be- wusst bekämpfen,
machen wir auch sehr wesentliche Fort- chritte auf unserem Entwicklungsweg.
Selbst wenn es uns nicht gelingt, unsere Taten zu berichtigen, so ziehen
wir doch ausserordentlichen Vorteil aus unserer Selbstkritik, da wir dadurch
Neigungen zum Guten schaffen, die sich im Lauf der Zeit unfehlbar als
rechte Handlungen verwirklichen müssen.
Wenn wir die Tagesereignisse überblicken
und uns für die Fehler tadeln, so dürfen wir auch nicht vergessen,
auf unpersönliche Weise unsere guten Taten anzuerkennen und uns zu
entschliessen, noch besser zu handeln. So fördern wir das Gute durch
Anerkennung und verringern das Böse durch Tadel.
Reue und Besserung sind ebenfalls mächtige
Faktoren zur Abkürzung des Reinigungszustandes, denn die Natur ver-
schwendet niemals Anstrengungen in nutzlosen Vorgängen. Wenn wir
uns des Unrechts verschiedener Gewohnheiten und Taten aus unserem vergangenen
Leben bewusst werden und den Entschluss fassen, das Unrecht gutzumachen
und die üble Gewohnheit abzulegen, tilgen wir ihr Bild aus dem unterbe-
wussten Gedächtnis; sie können somit nach dem Tod nicht
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mehr über uns zu Gericht sitzen. Selbst wenn wir
nicht fähig sind, unser Unrecht gutzumachen, so genügt die Aufrichtig-
keit unserer Reue. Das Ziel der Natur ist nicht Rache. Unsere Opfer werden
auf andere Art und Weise Genugtuung er- halten.
Es können von einem Menschen viele
dem künftigen Leben vorgehaltene Fortschritte erreicht werden, wenn
er der Zeit vorauseilt, indem er sich selbst richtet und seine Fehler
und Laster durch Verbesserung seines Charakters austilgt. Diese Übung
wird dringend empfohlen. Sie ist vielleicht die wichtigste Lehre dieses
Werkes.
Das Grenzland
Das Fegefeuer nimmt die drei niederen Regionen
der Empfingungswelt ein. Der erste Himmel befindet sich in den drei oberen
Regionen. Die mittlere Region ist eine Art Grenzland, weder Himmel noch
Hölle. Hier finden wir Men- schen, die ehrlich und rechtschaffen
waren, die niemand Unrecht taten, die aber so in ihre geschäftlichen
Angelegen- heiten vertieft waren, dass sie niemals an ein höheres
Leben dachten. Für sie ist die Empfindungswelt ein Zustand unbeschreiblicher
Einförmigkeit.
Hier gibt es keine "Geschäfte" noch
irgend etwas, das an ihre Stelle treten könnte. Sie machen eine harte
Zeit durch, bis sie an etwas anderes denken lernen, als an Geschäfts-
bücher und Zahlungsverpflichtungen. Auch Menschen, die über
das Problem des Lebens nachdachten und zu dem Schluss kamen, dass "der
Tod das Ende von allem sei", und die das Bestehen von übersinnlichen
Dingen leugneten, fühlen diese fürchterliche Einförmigkeit.
Sie hatten Ver- nichtung des Bewusstseins erwartet und finden sich nun
mit geschärfter Aufnahmefähigkeit für Menschen und Dinge
ihrer Umgebung wieder. Sie waren gewohnt, diese Dinge so energisch zu
leugnen, dass sie oft glauben, die Empfindungs- welt sei eine Sinnestäuschung,
und nicht selten kann man sie in tiefer Verzweiflung rufen hören:"Wann
wird das enden?"
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Diese Menschen sind wirklich in einem bedauernswerten
Zustand. Sie sind gewöhnlich außerhalb des Bereiches jeder
Hilfe und leiden viel länger als die meisten anderen. Sie haben außerdem
fast kein Leben in der himmlischen Welt, wo der Aufbau der Körper
zum künftigen Gebrauch gelehrt wird, und so werfen sie alle ihre
kristallisierenden Gedanken in irgendeinen Körper, den sie für
ihr zukünftiges Leben erbauen.
So entsteht ein Körper, der die verhärtenden
Neigungen hat, wie wir sie z.B. bei Lungenkranken sehen können. Manchmal
bringen die Leiden, die einem so gebrechlichen Körper anhaften, die
Gedanken des Menschen zu Gott und ihre Entwicklung kann vorwärtsschreiten.
Aber im materiali- stischen Intellekt liegt die größte Gefahr,
die Verbindung mit dem Geist (spirit) zu verlieren und ein Ausgestoßener
zu werden. Darum waren die Älteren Brüder während des letzten
Jahrhunderts sehr ernsthaft um das Schicksal der westlichen Welt besorgt,
und wenn sie sich nicht so segen- bringend bemüht hätten, wäre
eine verheerende soziale Umwälzung die Folge gewesen, gegen welche
die französi- sche Revolution nur ein Kinderspiel gewesen wäre.
Der geübte Hellseher sieht, wie knapp
die Menschheit vernichtendem Unheil entgangen ist, das ganze Erdteile
ins Meer gefegt hätte. Der Leser wird in Kapitel 18 eine eingehende
und vollständige Darlegung der Beziehung zwischen dem Materialismus
und den vulkanischen Aus- brüchen finden; die Liste der Vesuvausbrüche
scheint das Bestehen einer solchen Beziehung zu bestätigen, will
man sie nicht als "Zufall" bezeichnen, wie es der Skeptiker üblicher-
weise gerne tut, wenn er Tatsachen und Zahlen nicht er- klären kann.
Der erste Himmel
Wenn der Aufenthalt im Fegefeuer vorüber
ist, steigt der gereinigte Geist (spirit) in den ersten Himmel auf, der
sich in den drei höchsten Regionen der Empfindungswelt befin-
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det, wo die Resultate seiner Leiden dem Keimatom des
Empfindungsleibes einverleibt werden.
Dieses Keimatom übermittelt ihm die
Fähigkeit zum richtigen Fühlen und schafft für die Zukunft
einen Antrieb zum Guten und eine Abschreckung vom Bösen. Hier entrollt
sich das Panorama des vergangenen Lebens abermals in umgekehrter Reihenfolge,
nur sind es hier die guten Taten, welche die Grundlage der Gefühle
bilden. Wenn wir zu den Szenen kommen, in denen wir anderen halfen, so
erleben wir nochmals die Freude des Helfens, die wir in diesem Augen-
blick genossen und fühlen noch dazu die Dankbarkeit des Empfängers
unserer Hilfe. Und wenn wir zu den Szenen kommen, in denen uns geholfen
wurde, fühlen wir nochmals alle Dankbarkeit, die wir für unsere
Wohltäter hegten. Daraus sehen wir die Wichtigkeit, die uns erwiesenen
Guttaten dankbar anzuerkennen, denn die Dankbarkeit trägt zum Seelenwachstum
bei. Unser Glück im Himmel hängt davon ab, wieviel Freude wir
anderen bereiteten und daß wir anerkannten, was andere für
uns Gutes taten.
Man sei sich dessen bewußt, daß
die Macht des Gebens nicht immer mit Reichtum verbunden ist. Unüberlegtes
Geben von Geld kann sogar von Übel sein. Es ist richtig, für
einen guten Zweck Geld zu geben, aber ein Dienst ist tausendmal besser.
Wie Whitman sagt:
"Sieh! Nicht Lehren ich geb`, noch Almosen;
Wenn ich gebe, so geb` ich mich selbst!"
Ein freundlicher Blick, der Ausdruck des
Vertrauens, eine mitfühlende und liebevolle Hilfsbereitschaft - diese
Gaben können von allen ohne Unterschied des Wohlstands gegeben werden.
Noch mehr! Wir sollten vor allen Dingen dem Bedürftigen helfen, sich
selbst zu helfen, sei es finanziell, moralisch oder geistig. Wir sollen
ihn nicht von uns oder anderen abhängig machen.
Der ethische Wert des Gebens und die geistige
Lehre, die der Gebende durch seine Gabe empfängt, wird in schönster
Weise in Lowell's Gedicht "Die Vision des Sir Launfal" ge- zeigt. Der
junge und ehrgeizige Ritter, Sir Launfal, reitet in
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blitzender Rüstung auf prachtvollem Streitroß
aus seiner Burg, um den heiligen Gral zu suchen. Auf seinem Schild glänzt
das Kreuz, das Zeichen der Güte und des Mitgefühls unseres sanftmütigen
und bescheidenen Heilands. Doch das Herz des Ritters ist erfüllt
von Stolz und hochmütiger Verachtung für die Armen und Bedürftigen.
Er begegnet einem Aussätzigen, der um ein Almosen bittet, und wirft
ihm mit verächtlichem Stirnrunzeln eine Münze hin, so wie man
einem Hund den Knochen vorwirft. Doch:
"Nicht hob der Sieche das Gold vom Grund.
Die Kruste, gespart von des Armen Mund,
Der Segen des Armen ist besser fürwahr,
Verlaß ich sein Haus gleich nackt und bar.
Was die Hand nur erfaßt, scheint dem Bettler gering.
Es bleibt ihm das Gold nur ein wertloses Ding,
Wenn die Pflicht alleine zum Geben ihn zwang.
Wer aber von seinem sehr Wenigen gibt,
dem verborgenen Christus, den er so liebt,
Zeigt Schönheit des Herzens, die alles durchdringt,
Als Band, das erhaltend um alle sich schlingt.
Sein Geschenk ist so groß, daß die Hand es nicht faßt,
Das Herz nur bezwingt die kostbare Last,
Denn ihr folgt ein Gott und bringt sie als Hort
Zur im Dunklen verhungernden Seele fort."
Bei seiner Rückkehr findet Sir Launfal
einen anderen im Besitz seines Schloßes, und er wird vom Tor vertrieben.
"Ein alter Mann, zermürbt vom Gram,
Vom heil`gen Gral zurück er kam.
Des Reichtums Verlust, er achtet ihn nicht,
Kein Kreuz mehr erstrahlt vom Gewande so schlicht.
Doch tief im Herzen das Zeichen ihm stand,
Des Armen und Leidenden trostreiches Pfand."
Wieder begegnet er einem Aussätzigen,
der ihn um ein Almosen bittet. Diesmal erwidert der Ritter anders.
"Und der Ritter sagte: 'Du bist mir ein Bild
Des gekreuzigten Heilands, so gütig und mild;
Auch dich hat die Welt mit Dornen gekrönt,
Auch dich hat getreten sie und verhöhnt,
Dein Leben mit heiligem Schmerz empfand
Die Wunden in Seite und Fuß und Hand.
Marias Sohn, sei gnädig mit mir,
Durch ihn, mein Bruder, schenke ich dir!'"
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Ein Blick in das Auge des Aussätzigen
bringt ihm Erinne- rung und Wiedererkennen und
"Zu Asch` und Staub ward ihm das Herz,
Die Brotkruste brach er, so hart wie Erz,
An des Baches Rand brach er das Eis
Und reichte dem Armen Trank und Speis.
Eine Wandlung tritt ein:
Der ächzte nicht länger arm und beraubt,
Ein Glorienschein umstrahlte sein Haupt,
Und die Stimme, die sanfter als Schweigen, spricht:
'Ich bin es!' Steh auf und fürchte dich nicht!
In manchem Land, als des Kampfes Frucht,
Hast du den Gral vergeblich gesucht:
Sieh, er ist hier, in deiner Hand -
Gefüllt für mich an des Baches Rand.
Dies Krüstlein - mein Leib, der für dich zerbrach,
Mein vergossenes Blut - die Flut aus dem Bach:
So wird zum heiligen Abendmahl,
Was wir teilen mit anderer Not und Qual;
Nicht was wir spenden, wie wir teilen im Leben,
Denn ohne Herz ist es ein dürftig Geben;
Gibst mit der Gabe selber du dich,
So nährst du dich selbst, den Armen und mich!"
Der erste Himmel ist der Ort der Freude,
ohne einen ein- zigen Tropfen Bitterkeit. Der Geist schwebt über
den ma- teriellen, irdischen Zuständen und nimmt alles Gute aus sei-
nem vergangenen Leben auf, so wie es an ihm vorüberzieht. Hier erfüllen
sich ihm alle edlen Bestrebungen im vollsten Maß, welche auf der
Erde nur angebahnt wurden. Er ist der Ort der Ruhe, und je härter
das Leben mit dem Menschen umgesprungen ist, desto süßer wird
die Ruhe empfunden werden. Krankheit, Kummer und Schmerz sind unbekannte
Erscheinungen.
Hier ist das Sommerland der Spiritualisten,
hier ist der Ort, an dem die Gedanken der frommen Christen das neue Jerusalem
aufgebaut haben. Menschen, die nach dem Besitz schöner Häuser,
Blumen und dergleichen strebten, haben das alles hier; sie erbauen sich
diese Dinge aus dem feinen Empfindungsstoff. Und trotzdem sind diese Dinge
für sie
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ebenso wirklich und körperlich, wie für uns
die materiellen Häuser. Hier erfahren alle die Befriedigung, die
ihnen im Erdenleben nicht zuteil wurde.
Eine Klasse führt hier ein besonders
schönes Leben: die Kinder. Wenn wir sie sehen könnten, hätte
unser Kummer schnell ein Ende. Wenn ein Kind vor der Geburt des Emp- findungsleibes
stirbt, die ungefähr um das vierzehnte Jahr erfolgt, so steigt es
nicht höher, als in den ersten Himmel. Das ist so, weil es für
seine Handlungen so wenig ver- antwortlich ist wie das ungeborene Kind
für die Schmerzen, die es seiner Mutter durch seine Bewegungen in
ihrem Schoß macht. Deshalb hat das Kind kein Leben im Fegefeu- er.
Was nicht lebendig wurde, kann nicht sterben, und so bleibt der Empfindungsleib
des Kindes mit seinem Intellekt bis zu einer neuen Geburt bestehen. Aus
diesem Grund können sich Kinder oft an ihr früheres Erdenleben
erinnern, wie wir dies in einem späteren Beispiel sehen werden.
Für solche Kinder ist der erste Himmel
ein Warteplatz, wo sie von einem bis zwanzig Jahre bleiben, bis sich eine
Gelegenheit zu einer neuen Geburt bietet. Doch ist er nicht nur ein Warteplatz,
da während dieser Zeit viele Fortschritte gemacht werden.
Stirbt ein Kind, so wird es immer von irgend
einem Ver- wandten erwartet oder, sollte das unmöglich sein, so gibt
es Menschen, die im Leben gerne Kinder "bemutterten" und sich nun freudig
des kleinen verlassenen Wesens annehmen. Die außerordentliche Bildsamkeit
des Empfindungsstoffes macht es leicht, die herrlichsten lebenden Spielzeuge
für die Kinder zu schaffen, und ihr Leben ist ein einziges schönes
Spiel. Ihr Unterricht wird aber dabei nicht vernachlässigt. Sie werden
je nach ihrem Temperament, ohne Rücksicht auf ihr Alter, in Klassen
geteilt.
In der Empfindungswelt ist es leicht, Anschauungsunter-
richt über den Einfluß von guten und bösen Leidenschaften
in bezug auf Verhalten und Glück zu geben. Diese Lehren
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prägen sich dem empfindsamen und aufnahmefähigen
Empfindungsleib des Kindes unauslöschlich ein und ver- bleiben in
ihm auch nach seiner Wiedergeburt, so daß mancher, der ein edles
Leben lebt, den Dank dafür zum großen Teil dieser Erziehung
schuldet. Oftmals, wenn ein schwacher Geist geboren wird, lassen ihn die
Mitleidigen (die unsichtbaren Führer, die unsere Entwicklung lenken)
in frühen Jahren sterben, damit er diese besondere Erziehung erhalte,
um ihn für ein möglicherweise hartes Leben vor- zubereiten.
Das scheint besonders dann der Fall zu
sein, wenn die Schrift im Empfindungsleib schwach war, weil der Sterbende
durch die Klagen seiner Angehörigen gestört wurde, oder weil
er auf dem Schlachtfeld oder durch einen Unglücksfall starb. So konnte
er in seinem Leben nach dem Tod nicht die nötige Intensität
der Gefühle erfahren. Dieser Mangel wird ausgeglichen, wenn er geboren
wird und im frühen Kindesal- ter stirbt.
Oftmals fällt die Pflicht, sich im
himmlischen Leben um ein solches Kind zu kümmern, denen zu, die diese
Un- regelmäßigkeit verursacht haben. Sie erhalten dadurch Gelegenheit,
ihre Schuld gutzumachen und lernen sich zu bessern. Oder vielleicht werden
sie die Eltern der Geschä- digten und haben die Pflicht, in den wenigen
Erdenjahren, die jene leben, für sie zu sorgen. Es stört dann
nicht, wenn sie bei ihrem Tod in hysterisches Wehklagen ausbrechen, da
sich dann im Lebensleib eines Kindes noch keine Bilder für irgendeine
Folgewirkung befinden würden.
Dieser Himmel ist auch ein Ort des Fortschritts
für alle, die lernbegierig, künstlerisch begabt oder menschenfreundlich
waren. Der Studierende und der Philosoph haben unmittel- baren Zutritt
zu allen Büchereien der Welt. Der Maler genießt endlose Wonnen
durch die immer wechselnden Zusammenstellungen der Farben. Bald lernt
er, daß seine Gedanken diese Farben verbinden und nach seinem Willen
formen. Seine Schöpfungen leuchten und glitzern in einer Lebendigkeit,
wie dies jemandem unmöglich ist, der mit den
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trüben Erdfarben arbeitet. Er malt mit lebendigem,
glühen- dem Material und kann seine Entwürfe mit einer Leichtigkeit
ausführen, die seine Seele mit Freude erfüllt.
Der Musiker hat hier noch nicht den Ort
erreicht, an dem seine Kunst voll zum Ausdruck gelangt. Die physische
Welt ist die Welt der Form. Die Empfindungswelt, in der wir das Fegefeuer
und den ersten Himmel finden, ist vorwiegend die Welt der Farbe. Aber
die Gedankenwelt, der zweite und dritte Himmel, ist die Sphäre des
Tones. Himmlische Musik ist eine Tatsache und nicht nur eine Redewendung.
Pythagoras fabelte nicht, wenn er von der
Musik der Sphären sprach, denn jeder der Himmelskörper hat seinen
bestimmten Ton, und sie tönen zusammen zur himmlischen Symphonie,
welche Goethe auch im Prolog zum "Faust" - dessen Schauplatz im Himmel
liegt - erwähnt. Der Erzengel Raphael spricht:
"Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschrieb'ne Reise
Vollendet sie mit Donnergang."
Selbst hier in der physischen Welt erreichen
uns Wider- klänge der himmlischen Musik. Sie sind unser kostbarstes
Gut, obwohl sie flüchtig wie ein Irrlicht sind und nicht wie andere
Kunstwerke für die Dauer geschaffen werden können, wie eine
Statue, ein Bild oder ein Buch. In der physischen Welt stirbt und verschwindet
der Ton, nachdem er geboren wurde. Im ersten Himmel sind naturgemäß
diese Wider- klänge schöner und dauernder, daher hört der
Musiker hier süßere Weisen als in seinem Erdenleben.
Die Erfahrungen des Dichters sind denen
des Musikers verwandt. Die Dichtkunst ist der wörtliche Ausdruck
der innersten Seelengefühle, nach denselben Gesetzen der Har- monie
und des Rhythmus angeordnet, die auch die musikali- schen Schöpfungen
(outpouring) des Geistes beherrschen. Hierzu kommt noch, daß der
Dichter eine herrliche Anre-
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gung in den für die Empfindungswelt charakteristischen
Bildern und Farben findet. Von dort entnimmt er die Anregungen zu seinen
Schöpfungen im nächsten Erdenleben. Ebenso sammelt sich der
Schriftsteller Fähigkeit und Material an.
Der Philanthrop arbeitet seine altruistischen
Pläne zur Hebung des Menschengeschlechtes aus. Wenn er in einem Leben
Mißerfolg hatte, so wird ihm im ersten Himmel klar, woran das lag,
und er wird lernen, Hindernisse zu über- winden und Fehler, die seine
Pläne undurchführbar machten, zu vermeiden.
Endlich ist der Zeitpunkt erreicht, wo
die Leiden des Fegefeuers mit den Freuden, die den guten Werken des vergangenen
Lebens entsprangen, im Keim des Empfin- dungsleibes niedergelegt werden.
Sie bilden zusammen das, was wir Gewissen nennen, unseren Warner vor üblen
Taten als den Erzeugern der Schmerzen und unseren Antrieb zum Guten, als
der Quelle von Glück und Freude. Dann überläßt der
Mensch seinen Empfindungsleib dem Verfall, wie er es einst mit dem dichten
Körper und dem Lebensleib tat. Er nimmt nur die Kräfte des Keimatoms
mit sich, die den Kern des zukünftigen Empfindungsleibes bilden werden,
wie sie die dauernden Bestandteile seiner vergangenen Empfindungs- träger
waren.
Wie bereits erwähnt, werden die Kräfte
dem Keimatom entzogen. Für den Materialisten sind Kraft und Materie
untrennbar. Der Okkultist denkt darüber anders. Ihm sind sie nicht
zwei vollkommen verschiedene und getrennte Begriffe, sondern die beiden
Pole eines Geistes.
Materie ist kristallisierter Geist.
Kraft ist derselbe noch unkristallisierte Geist (spirit).
Das wurde bereits gesagt, aber es kann
nicht fest genug eingeprägt werden. In dieser Beziehung ist das Beispiel
von der Schnecke sehr hilfreich.
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Die Materie, die kristallisierter Geist
ist, entspricht dem Schneckenhaus, das kristallisierte Schnecke ist. Die
chemi- sche Kraft, die Materie bewegt, macht sie zum Erbauen der Form
brauchbar, und auch hier ist die Schnecke, welche ihr Haus bewegt, ein
gutes Bild. Was jetzt Schnecke ist, wird mit der Zeit Haus werden, und
was jetzt Kraft ist, wird mit der Zeit - wenn ihr Kristallisationsprozeß
fortschreitet - Materie werden.
Aber auch der entgegengesetzte Vorgang,
Materie wieder in Geist aufzulösen, findet fortdauernd statt. Die
gröbere Phase dieses Prozesses sehen wir als Verfall, wenn ein Mensch
seine Träger zurückläßt, denn zu dieser Zeit läßt
sich der Geist eines Atoms leichter von dem gröberen Geist trennen,
der sich als Materie manifestiert hatte.
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