Die
Rosenkreuzer-Weltanschauung

von Max Heindel




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II. Die vier Reiche

   Die drei Welten unseres Planeten (die physische, die Empfindungs- und die Gedankenwelt) sind gegenwärtig das Entwicklungsfeld für eine Anzahl verschiedener Lebensreiche in verschiedenen Entwicklungsstadien. Jetzt brauchen wir nur vier davon in Betracht zu ziehen, nämlich: das Mineralreich, das Pflanzenreich, das Tierreich und die Menschheit.

   Die vier Reiche haben verschiedene Beziehungen zu den drei Welten, je nach dem Fortschritt, den diese Gruppen sich entwickelnden Lebens in der Schule der Erfahrung gemacht haben. Soweit es sich nur um die Form handelt, sind die dichten (dense) Körper aller vier Reiche aus denselben chemischen Substanzen aufgebaut - aus den dichten Körpern, Flüssigkeiten und Gasen der chemischen Region. Der Leib des Menschen ist ebenso ein chemisches Produkt wie der Stein, obwohl dieser nur durch mineralisches Leben belebt wird. Aber sogar, wenn wir nur vom rein physischen Standpunkt ausgehen und jetzt alle anderen Betrachtungen beiseite legen, finden wir beim Vergleichen des dichten menschlichen Körpers mit dem Mineral der Erde verschiede- ne wichtige Unterschiede. Der Mensch bewegt sich, wächst und pflanzt seine Art fort, das Mineral im Urzustand aber nicht.

   Vergleichen wir den Menschen mit den Formen des Pflan- zenreiches, so finden wir, daß sowohl der Mensch als auch die Pflanze einen dichten, wachstums- und fortpflanzungs- fähigen Körper haben. Doch hat der Mensch Fähigkeiten, die der Pflanze fehlen. Er hat Empfindung, Bewegungskraft und die Fähigkeit, Dinge außerhalb seiner selbst wahrzunehmen.

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   Wenn wir den Menschen mit dem Tier vergleichen, so finden wir, daß beide Empfindung, Bewegung, Wachstum, Fortpflanzungsfähigkeit und Sinneswahrnehmung haben. Außerdem hat der Mensch die Fähigkeit der Sprache, eine überlegene Struktur des Gehirns und Hände, alles große physische Vorteile. Besonders bemerkenswert ist die Ent- wicklung des Daumens, die unsere Hand viel wertvoller macht als selbst die der anthropoiden Affen. Auch hat der Mensch eine artikulierte Sprache entwickelt, in der er seine Gefühle und Gedanken ausdrücken kann, was alles den dichten Körper der Menschen in eine besondere, den drei anderen Reichen überlegene Klasse stellt. Die Ursache der Verschiedenheiten in den drei Reichen müssen wir in den unsichtbaren Welten suchen. Dort finden wir den Grund, warum dem einen Naturreich gegeben wird, was den anderen versagt bleibt.

   Die erste Bedingung, um in einer Welt handeln und ihre besonderen Eigenschaften ausdrücken zu können, ist, daß wir einen aus ihrem Material erbauten Träger haben. Um in der dichten physischen Welt zu wirken, müssen wir einen dichten Körper besitzen, der unserer Umgebung angepaßt ist. Sonst wären wir, wie allgemein benannt, Geister und somit in der physischen Welt für die meisten unsichtbar. Ebenso müssen wir einen Lebensleib besitzen, ehe wir Leben zum Ausdruck bringen können und ehe wir wachsen oder irgend- eine der Ätherregion angehörige Eigenschaft verwirklichen können.

   Um Empfindung und Gefühl zu zeigen, bedürfen wir eines aus dem Material der Empfindungswelt zusammengesetzten Trägers, und um das Denken möglich zu machen, ist ein aus der Substanz der Region der konkreten Gedanken geformter Intellekt notwendig.

   Prüfen wir die vier Reiche auf ihre Verbindung mit der Ätherregion, so werden wir finden, daß die Mineralien keinen besonderen Lebensleib besitzen, und das ist der Grund, warum sie nicht wachsen, sich nicht fortpflanzen oder Sinnesleben zeigen können.

   Die materialistische Wissenschaft hat es zur Erklärung verschiedener Tatsachen für richtig gehalten, die Hypothese

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aufzustellen, daß weder bei den dichtesten Körpern noch bei den feinsten und verdünntesten Gasen je zwei Atome einander berühren, daß eine Ätheratmosphäre ein jedes umgibt und daß die Atome des Universums in einem Ozean aus Äther schwimmen.

   Der okkulte Wissenschaftler weiß, daß dieses für die chemische Region richtig ist und daß das Mineral keinen Lebensleib aus Äther hat. Und da es nur der planetarische Äther ist, der die separaten Atome einhüllt, wird der Unter- schied ohne weiteres offenbar. Wir müssen unbedingt einen besonderen Lebensleib, Empfindungsleib etc. haben, um die Eigenschaften des betreffenden Reiches zum Ausdruck bringen zu können, obwohl die Atome der Empfindungswelt, der Gedankenwelt und selbst der höheren Welten das Mineral so gut wie den dichten menschlichen Körper durchdringen. Wenn das Durchdringen des planetarischen Äthers - das heißt, jenes Äthers, der die Atome der Minerale umhüllt - allein genügen würde, ihnen Empfindung und Fortpflanzungsfähigkeit zu geben, dann müßte auch die bloße Durchdringung der Welt der Minerale durch die planetarische Gedankenwelt genügen, diesen die Denkfähigkeit zu ver- leihen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da ihnen ein seperater Träger fehlt. Sie werden nur vom planetarischen Äther durchdrungen und ermangeln daher des persönlichen Wachs- tums. Im Mineral wirkt nur die niederste der vier Ätherarten - der chemische Äther; diesem verdankt das Mineral seine chemischen Kräfte.

   Betrachten wir Pflanzen, Tiere und Menschen in bezug auf die Ätherzone, so können wir bemerken, daß alle einen besonderen Lebensleib besitzen und außerdem vom planetari- schen Äther durchdrungen werden. Und doch besteht noch ein Unterschied zwischen den Lebensleibern der Pflanzen und denen der Tiere und Menschen. In der Pflanze gelangen nur der chemische und der Lebensäther zur vollen Wirkung. Darum vermag die Pflanze mit Hilfe des chemischen Äthers zu wachsen und ihre Art durch die Tätigkeit des Lebens- äthers des eigenen Lebensleibes, fortzupflanzen. Wohl ist der Lichtäther vorhanden, er ist aber teilweise latent oder schlummernd, der rückstrahlende Äther hingegen fehlt

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gänzlich. Daraus geht hervor, daß die Fähigkeiten der Sinneswahrnehmung und des Gedächtnisses (Eigenschaften dieser Äthergattungen) durch das Pflanzenreich nicht zum Ausdruck gelangen können.

   Wenden wir uns dem Lebensleib des Tieres zu, so finden wir, daß in ihm sowohl der chemische als auch der Lebens- und Lichtäther dynamisch wirksam sind. Daher besitzt das Tier die Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen und zu wachsen, als Wirkung des Vorhandenseins des chemischen Äthers und die Fähigkeit der Fortpflanzung durch den Lebensäther, so wie bei den Pflanzen.

   Durch die Wirksamkeit des Lichtäthers aber hat das Tierreich die Fähigkeit innerer Wärmeerzeugung und der Sinneswahrnehmungen. Auf das Tier bleibt dagegen der vierte Äther noch unwirksam; es hat daher weder Gedanken noch Erinnerung. Was solche zu sein scheinen, wird später auseinandergesetzt werden. Sie sind anderer Natur.

   Analysieren wir das menschliche Wesen, so finden wir in dem hochorganisierten Lebensleib alle vier Ätherarten wirksam. Mit Hilfe der Tätigkeiten des chemischen Äthers kann der Mensch Nahrung aufnehmen und wachsen. Die im Lebensäther wirksamen Kräfte befähigen ihn, seine Art fortzupflanzen. Die Kräfte des Lichtäthers versorgen den dichten Körper mit Wärme, wirken auf das Nervensystem und die Muskeln und erschließen durch die Sinne die Pforten zur äußeren Welt. Der rückstrahlende Äther befähigt den Geist, seinen Träger durch Gedankenkraft zu leiten. Dieser Äther speichert auch vergangene Erfahrungen als Gedächtnis auf.

   So wie sich die Ätherregion der Erde über die dichte, chemische Region erstreckt, so ragt auch der Lebensleib der Pflanzen, Tiere und Menschen über den Umfang des dichten Körpers hinaus. Wieder ein Beweis für die Wahrheit des hermetischen Grundsatzes - "Wie oben, so unten". Diese Überragung des Lebensleibes beträgt beim Menschen ungefähr vier Zentimeter. Der Teil außerhalb des dichten

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Körpers ist sehr leuchtend und hat ungefähr die Farbe einer neuerschlossenen Pfirsichblüte. Menschen mit unwillkürlicher Hellsichtigkeit können ihn häufig sehen. Der Verfasser hat durch Fragen mehrfach gefunden, daß diese Personen sich nicht bewußt sind, etwas Ungewöhnliches zu sehen, und daß sie gar nicht wissen, was sie sehen.

   Während des vorgeburtlichen Lebens wird der dichte Körper in die Prägeform dieses Lebensleibes eingebaut und ist mit einer einzigen Ausnahme Molekül für Molekül seine genaue Nachbildung. So wie die Kraftlinien im gefrierenden Wasser die Bildung der Eiskristalle lenken, so bestimmen die Kraftlinien im Lebensleib die Gestalt des dichten Körpers. Während des ganzen Lebens ist der Lebensleib der Erbauer und Wiederhersteller der dichten Form. Wäre nicht das Ätherherz, das dichte Herz würde sehr schnell unter den unausgesetzten Anstrengungen, die wir ihm zumuten, zusammenbrechen. Dem Mißbrauch, den wir mit unserem dichten Körper treiben, tritt unaufhörlich der Lebensleib entgegen, soweit es in seiner Macht liegt. Er führt einen endlosen Kampf gegen unseren körperlichen Tod.

   Die oben erwähnte Ausnahme ist, daß der Lebensleib des Mannes weiblich oder negativ, jener der Frau männlich oder positiv ist. In dieser Tatsache finden wir den Schlüssel zu zahllosen Problemen des Lebens. Daß die Frau ihren Erregungen nachgibt, ist eine Folge der erwähnten Polarität, denn ihr positiver Lebensleib erzeugt ein Übermaß an Blut und stellt sie unter einen ungeheuren innerlichen Druck, der das physische Gebäude zerbrechen würde, wenn ihm nicht ein Sicherheitsventil in der monatlichen Menstruation, ein zweites in den Tränen, eröffnet wäre. Sie ermöglichen es, den Druck zu besonderen Gelegenheiten zu erleichtern, denn Tränen sind "weißes Blut".

   Der Mann mag ebenso starke Empfindungen haben und hat sie auch meistens, wie die Frau, kann sie aber gewöhnlich ohne Tränen unterdrücken, denn sein Lebensleib erzeugt nicht mehr Blut, als er leicht zu beherrschen vermag.

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   Im Gegensatz zu den höheren Trägern des Menschen, verläßt der Lebensleib (ausgenommen bei bestimmten Umständen, die erklärt werden, wenn das Thema der "Einweihung" behandelt wird) den dichten Körper nicht vor dem neuerlichen Tod. Dann werden die chemischen Kräfte des dichten Körpers nicht mehr durch das sich entwickelnde Leben in Schach gehalten und beginnen, die Materie durch Auflösung wieder in ihren Urzustand zurückzuführen, damit sie in der Wirtschaft der Natur wieder zur Bildung anderer Körper verwendet werden kann. So ist die Auflösung eine Folge der Tätigkeit der planetarischen Kräfte im chemischen Äther.

   Einen ungefähren Vergleich für die Zusammensetzung des Lebensleibes geben jene Bilderrahmen, die aus hunderten von ineinandergreifenden kleinen Holzstückchen hergestellt sind und dem Beschauer ungezählte Spitzen oder Prismen zeigen. Der Lebensleib weist Millionen von Prismen oder Spitzen auf, die in die hohlen Zentren der dichten Atome dringen und sie mit Lebenskraft erfüllen und sie somit um eine Stufe höher schwingen läßt, als die Atome der Minera- lien, die nicht so beschleunigt und beseelt werden.

   Wenn der Mensch ertrinkt, von einer Höhe hinunterfällt oder erfriert, so verläßt der Lebensleib den dichten Körper, und die Atome werden infolgedessen zeitweise leblos. Aber bei der Wiederbelebung dringt der Lebensleib wieder in den dichten Körper ein, und die "Prismen" werden wieder in die dichten Atome versenkt. Die Trägheit der Atome veranlaßt sie, der Wiederaufnahme der Schwingungen zu widerstehen. Ein prickelnder Schmerz und ein juckendes Gefühl, das zu solchen Zeiten, aber nicht für gewöhnlich, wahrgenommen wird, ist davon die Folge. Sie haben dieselbe Ursache, aus der wir uns des Stehenbleibens oder des beginnenden Gehens einer Uhr bewußt werden, während wir gegen ihr Ticken unempfindlich sind, solange sie sich in Gang befindet.

   Es gibt bestimmte Fälle, in denen der Lebensleib den dichten Körper teilweise verläßt, z.B. wenn eine Hand "einschläft". Dann kann man die Ätherhand des Lebensleibes

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wie einen Handschuh unter der dichten Hand hängen sehen, und das eigentümlich prickelnde Gefühl wird durch die Prismen der Ätherhand hervorgerufen, wenn sie wieder in die dichte Hand eindringt. Manchmal teilt sich in der Hypnose der Kopf des Lebensleibes und hängt außerhalb des dichten Kopfes, eine Hälfte auf jeder Schulter, oder er liegt um den Hals wie der Kragen eines Pullovers. In solchen Fällen spürt man beim Wiedererwachen kein Prickeln, denn während der Hypnose nimmt ein Teil des Lebensleibes des Hypnotiseurs die betreffende Stelle seines Opfers ein. Wenn Betäubungsmittel benutzt werden, treiben diese den Lebens- leib mitsamt den höheren Trägern teilweise aus, und wenn die Anwendung zu stark ist und der Lebensäther herausge- trieben wird, tritt der Tod ein. Dieselbe Erscheinung kann man auch bei Materialisationsmedien wahrnehmen. Im folgenden wird der Unterschied zwischen einem Materialisa- tionsmedium und einem gewöhnlichen Mann, bzw. einer Frau auseinandergesetzt werden.

   In unserem gegenwärtigen Stadium sind bei normal entwi- kelten Frauen und Männern der dichte Körper und der Lebensleib ganz fest voneinander durchdrungen, während sie beim Medium nur lose verknüpft sind. Das war nicht immer so, und die Zeit wird auch wiederkommen, in welcher der Lebensleib auf ganz normale Weise den dichten Körper verlassen kann, was heute nicht als Regel gilt. Wenn ein Medium es Wesen aus der Empfindungswelt - die sich zu materialisieren wünschen - erlaubt, seinen oder ihren Körper zu benützen, entweicht der Lebensleib gewöhnlich auf der linken Seite durch die Milz, die seine besondere "Pforte" ist. Dann können die Lebenskräfte nicht mehr so im Körper zirkulieren, wie sie das gewöhnlich tun. Das Medium wird äußerst erschöpft, worauf einige von ihnen, um diesem Zustand entgegenzuwirken, zu alkoholischen Getränken Zuflucht nehmen und mit der Zeit zu unheilbaren Trinkern werden.

   Die Lebenskraft der Sonne, die uns als farbloses Fluidum umgibt, wird vom Lebensleib durch den ätherischen Doppel- gänger der Milz aufgenommen, wo sie eine merkwürdige Umformung der Farbe durchläuft. Diese Umformung wird

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durch Brechung in den kleinen Prismen des Lebensleibes bedingt. Sie wird blaßrosa und verbreitet sich entlang der Nerven im ganzen dichten Körper. Sie ist für das Nervensy- stem, was die Elektrizität für ein Telefonsystem ist. Keine Botschaft kann übermittelt werden, wenn die Elektrizität fehlt, auch wenn alle Drähte und Instrumente (und alle Elektronik) in völliger Ordnung sind. Das Ego, das Gehirn und das Nervensystem können anscheinend in vollkommener Ordnung sein, aber wenn die Lebenskraft fehlt, welche die Botschaften des Ego durch die Nerven an die Muskeln über- mittelt, so bleibt der dichte Körper träge. Genau das ist der Fall, wenn ein Teil des dichten Körpers gelähmt wird. Der Lebensleib ist krank geworden, und die Lebenskraft kann nicht länger strömen. In diesem Fall ist - wie bei den meisten Erkrankungen - die Ursache im feineren unsicht- baren Träger zu suchen.

   In bewußter oder unbewußter Erkenntnis dieser Tatsache, wenden die erfolgreichsten Ärzte zur Unterstützung der Arzneiwirkung die Suggestion an, die auf die höheren Träger wirkt. Je mehr ein Arzt seinem Patienten Glauben und Hoffnung einflößen kann, desto eher wird die Krankheit schwinden und vollkommener Gesundheit Platz machen.

   Im Gesundheitszustand erzeugt der Lebensleib einen Über- schuß von Lebenskraft. Nachdem diese den dichten Körper durchströmt hat, strahlt sie (N-Strahlen, siehe Index) wie vom Mittelpunkt eines Kreises in gerader Richtung nach allen Seiten aus. Aber bei Erkrankungen ist der Lebensleib geschwächt; er kann nicht dasselbe Maß an Kraft aufnehmen, und noch dazu zehrt der dichte Körper an ihm. Dann kann man sehen, daß die Strahlen, die aus dem dichten Körper austreten, verkrümmt und gebogen sind, wodurch der Mangel an Kraft hinter ihnen offenbar wird. Im Gesundheitszustand nimmt die große Kraft dieser Ausstrahlungen Keime und Mikroben mit sich, die der Gesundheit des dichten Körpers schädlich sind, aber während der Krankheit, wenn es an

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Lebenskraft fehlt, scheiden diese Ausstrahlungen keine Krankheitskeime mehr aus. Darum ist für einen geschwäch- ten Körper die Ansteckungsgefahr viel größer, als für einen völlig gesunden.

   Wenn ein Glied amputiert wird, so begleitet nur der planetarische Äther das amputierte Teil. Der getrennte Lebensleib und der dichte Körper lösen sich nach dem Tod gleichzeitig auf. So auch das ätherische Doppelbild des amputierten Gliedes. Es löst sich nach und nach auf, so wie das feste Glied verwest. Daß aber der Mensch das Ätherglied noch eine Zeitlang hat, ist Ursache seiner Behauptung, seine Finger oder Schmerzen darin zu fühlen. Es besteht auch eine Verbindung mit dem begrabenen Glied, ohne Rücksicht auf die Entfernung. Man erzählt von einem Fall, in welchem ein Mann einen scharfen Schmerz - wie von einem eingedrunge- nen Nagel - im amputierten Glied spürte, und als auf sein unablässiges Drängen das Glied ausgegraben wurde, fand sich, daß bei dessen Einsargen ein Nagel ins Fleisch gedrun- gen war. Der Nagel wurde entfernt, und der Schmerz hörte sofort auf. Mit dem stimmt auch überein, daß sich Leute zwei oder drei Jahre lang über Schmerzen in ihren amputier- ten Gliedern beklagen und erst dann der Schmerz endet. Das Übel nämlich bleibt in dem abgetrennten Ätherglied zurück, aber der Zersetzung des amputierten Gliedes entsprechend löst sich auch das Ätherglied auf, und so endet der Schmerz.

   Wir haben nun die Beziehungen der vier Reiche zur Ätherregion der physischen Welt kennengelernt und wollen unsere Aufmerksamkeit ihrer Beziehung zur Empfindungs- welt zuwenden.

   Hierbei findet sich nun, daß weder Mineralien noch Pflanzen einen eigenen Empfindungsleib besitzen. Sie werden nur vom planetarischen Empfindungsleib der Empfin- dungswelt durchdrungen. Da ihnen der eigene Träger fehlt, können sie weder empfinden, noch begehren, noch fühlen, alles Fähigkeiten, die der Empfindungswelt angehören. Wird ein Stein zerschlagen, so empfindet er es nicht, aber es wäre

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irrig anzunehmen, daß mit dieser Handlung kein Empfinden verbunden ist.

   Das ist die materialistische Ansicht, die Ansicht der über- wiegenden Mehrheit der unverständigen Menge. Der okkulte Wissenschaftler weiß, daß es keine Tat - ob groß oder klein - gibt, die nicht durch das Weltall empfunden wird, und wenn es der Stein nicht fühlt, der keinen getrennten Empfindungs- leib besitzt, so fühlt es der Geist der Erde, weil dessen Empfindungsleib den Stein durchdringt. Wenn sich ein Mensch den Finger abschneidet, so empfindet den Schmerz nicht der Finger, der keinen besonderen Empfindungsleib besitzt, sondern der Mensch, dessen Empfindungsleib den Finger durchdringt.

   Wenn man eine Pflanze mit den Wurzeln ausreißt, so empfindet der Geist der Erde denselben Schmerz, als würde man uns ein Haar ausreißen. Diese unsere Erde ist ein lebender und fühlender Körper. Alle Formen, die zu ihrer Entwicklung keinen eigenen Empfindungsleib haben, sind in der Erde eingeschlossen, und dieser Empfindungsleib hat Empfindung. Das Brechen der Steine und das Abbrechen der Blumen erzeugen der Erde ein Wohlgefühl, während das Ausreißen der Pflanzen mit den Wurzeln in ihr ein Unlustge- fühl hervorruft. Der Grund hierfür wird in einem späteren Teil erörtert werden, denn in diesem Stadium unserer Studien wäre die Erklärung dem Durchschnittsleser noch unver- ständlich.

   Die planetarische Empfindungswelt pulsiert durch den dichten Körper und den Lebensleib der Tiere und Menschen, ebenso, wie sie das Mineral und die Pflanzen durchdringt. Außerdem haben aber auch noch Tiere und Menschen ihren getrennten Empfindungsleib und können Begierden, Erregun- gen und Leidenschaften fühlen; mit einem Unterschied: der Empfindungsleib des Tieres ist ausschließlich aus dem Stoff der unteren Regionen dieser Welt aufgebaut, aber selbst bei den noch unentwickeltsten menschlichen Rassen ist in die Zusammensetzung schon ein wenig von der Materie der oberen Regionen einbezogen. Die Gefühle der Tiere und der

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noch unterentwickelten menschlichen Rassen schwingen und bewegen sich fast ausschließlich um die niedersten Begier- den und Leidenschaften, die sich durch die Materie der unteren drei Regionen der Empfindungswelt ausdrücken. Damit ihnen Gefühle - wie sie diese zu ihrer Erziehung für etwas Höheres benötigen - zuteil werden können, müssen sie die entsprechende Materie in ihrem Empfindungsleib besitzen. In dem Maß, wie der Mensch in der Schule des Lebens voranschreitet, belehren ihn seine Erfahrungen, und seine Empfindungen werden mit der Zeit reiner und besser. Demgemäß unterliegt die Materie seines Empfindungsleibes einer entsprechenden Veränderung. Die reinere und leuchten- dere Materie der höheren Regionen der Empfindungswelt ersetzt die stumpfen Farben der niederen Regionen. Auch wächst der Empfindungsleib an Größe. Bei einem Heiligen ist er ein wahrhaft erhebender Anblick, und die Reinheit seiner Farben und seine leuchtende Durchsichtigkeit sind unvergleichbar. Man muß ihn gesehen haben, um ihn zu würdigen.

   Im gegenwärtigen Zustand setzt sich bei der Mehrheit der Menschen der Empfindungsleib aus den Kräften der höheren und niederen Regionen der Empfindungswelt zusammen. Kein Mensch ist so schlecht, daß er nicht auch einen guten Zug hätte. Dies drückt sich in der Materie der höheren Regionen aus, die wir in seinem Empfindungsleib finden. Andererseits sind aber auch nur sehr wenige so gut, daß sie nicht einiges von der Materie der niederen Regionen ver- werten.

   Wir haben an dem Beispiel vom Schwamm, Sand und Wasser gesehen, wie der planetarische Äther- und Empfin- dungsstoff die dichten Massen der Erde durchdringen. Ebenso durchdringen der Lebens- und Empfindungsleib den dichten Körper der Pflanzen, Tiere und Menschen. Aber während des menschlichen Lebens hat dieser Empfindungs- leib nicht die Gestalt des dichten Körpers und des Lebens- leibes. Erst nach dem Tod nimmt er diese Gestalt an. Während des Lebens gleicht er einem leuchtenden eiförmi-

   SEITE 66 a-c. Sinneszentren une Ströme des Empfindungsleibes (3 Tafeln)

  

Diagramm: Der Durchschnittsmensch
Diagramm: Der naturgemäß geschulte Hellseher
Diagramm: Der unwillkürliche Hellseher oder das Medium

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gen Körper, der in den Stunden des Wachens den dichten Körper so vollkommen umgibt wie das Eiweiß den Eidotter. Er erstreckt sich zwischen 30-37,5 cm über den dichten Körper hinaus. Im Empfindungsleib befinden sich eine ganze Anzahl von Sinneszentren, die jedoch bei der Mehrzahl der Menschen latent sind.

   Das Eröffnen dieser Sinneszentren entspricht dem Sehend- werden des blinden Mannes aus unserem früheren Beispiel. Die Materie des menschlichen Empfindungsleibes ist in unaufhörlicher Bewegung, so schnell, daß sie sich einer Beobachtung entzieht. Da gibt es keinen bestimmten Platz für irgendeinen Teil, wie wir dies im dichten Körper vor- finden.

   Dieselbe Materie kann einen Augenblick beim Kopf, im nächsten bei den Füßen sein, um im nächsten Moment wieder zurückzufließen. Der Empfindungsleib hat keine Organe wie etwa der dichte Körper und der Lebensleib; er hat jedoch Wahrnehmungszentren, die in Tätigkeit wie Wirbel erscheinen und immer in derselben relativen Stellung zum dichten Körper bleiben. Die meisten befinden sich rund um den Kopf. Bei der Mehrzahl der Menschen sind sie nur Wirbel und funktionieren noch nicht als Aufnahmezentren. Sie können bei allen erweckt werden, aber verschiedene Methoden erzeugen verschiedene Resultate.

   Beim unwillkürlich Hellsehenden, der sich nach einer unrichtigen, negativen Richtung entwickelt hat, kreisen diese Wirbel von rechts nach links, dem Zeiger der Uhr entgegen.

   Im Empfindungsleib des richtig geschulten Hellsehers kreisen sie in der Richtung des Uhrzeigers und glühen in besonderem Glanz, der die Leuchtkraft des gewöhnlichen Empfindungsleibes noch bei weitem übertrifft. Diese Zentren geben ihm die Mittel zur Wahrnehmung der Erscheinungen in der Empfindungswelt und er sieht und forscht wie er will, während die Person, deren Zentren umgekehrt kreisen, einem Spiegel gleich, der zurückstrahlt, was vor ihm geschieht.

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Solche Personen sind unfähig, korrekte Informationen ein- zuholen. Der Grund dafür gehört in ein späteres Kapitel, aber das Gesagte ist einer der fundamentalen Unterschiede zwischen einem Medium und einem richtig geschulten Hellseher. Die meisten Menschen können zwischen beiden nicht unterscheiden. Aber es gibt eine unfehlbare Regel für jeden: Kein wahrhaft entwickelter Seher wird jemals seine Kunst für Geld oder Geldeswert ausüben. Er wird sie nicht benutzen, um Neugierde zu befriedigen, sondern nur um der Menschheit zu dienen.

   Keiner, der die richtige Methode, diese Fähigkeiten zu entwickeln, lehren kann, wird jemals auch nur einen Deut für seine Lektion nehmen. Jene, die Geld für die Ausübung oder den Unterricht verlangen, haben niemals etwas zu geben, was des Geldes wert wäre. Die obige Regel ist eine sichere Leitlinie, welcher alle mit vollem Vertrauen folgen können.

   In ferner Zukunft wird der Empfindungsleib des Menschen ebenso organisiert sein, wie der dichte Körper und der Lebensleib. Wenn diese Stufe erreicht ist, werden wir alle die Kraft besitzen, um im Empfindungsleib ebenso zu handeln wie wir dies jetzt im dichten Körper tun, welcher der älteste und bestorganisierte dieser menschlichen Träger ist - der Empfindungsleib ist der jüngste von ihnen. Er wurzelt in der Leber, so wie der Lebensleib in der Milz.

   Bei allen warmblütigen Wesen flutet der Lebensstrom von der Leber aus. Es sind dies die höchstentwickelten Geschöp- fe; sie haben Empfindung, Leidenschaften und Gefühl, mit denen sie nach außen in die Welt wirken. Sie vegetieren nicht, sondern leben im wahrsten Sinn des Wortes.

   Der Empfindungsstoff flutet unablässig in Strömen aus, die in gebogener Linie zu jedem Punkt der Peripherie des eiförmigen Körpers laufen und dann durch eine Anzahl von Wirbeln zur Leber zurückkehren, so wie das kochende Wasser unablässig von der Wärmequelle aus aufsteigt und nach vollendetem Umlauf zu ihr zurückkehrt.

   Den Pflanzen fehlt dieser treibende, kräftigende Ansporn; sie können daher das Leben und die Bewegung nicht in dem

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Maß offenbaren, wie es die höherentwickelten Lebewesen können. Den Wesen, die Leben und Bewegung, aber kein rotes Blut haben, fehlt noch der eigene, separate Empfin- dungsleib. Das Geschöpf befindet sich einfach im Über- gangszustand zwischen Pflanze und Tier und bewegt sich vollständig unter der Herrschaft des Gruppengeistes. Die kaltblütigen Tiere, die eine Leber und rotes Blut haben, besitzen einen separaten Empfindungsleib, und der Gruppen- geist lenkt die Ströme nach innen, denn in ihrem Fall (beim einzelnen Fisch oder Reptil z.B.) befindet sich der eigene Geist vollständig außerhalb des dichten Körpers.

   Wenn der Organismus sich so weit entwickelt hat, daß der gesonderte Geist (spirit) in seine Träger einziehen kann, dann beginnt er (der individuelle Geist) die Ströme nach außen zu lenken und wir bemerken den Anfang leiden- schaftlichen Lebens und warmen Blutes. Es ist das warme rote Blut in der Leber der Individuen, deren Organismus genügend entwickelt ist, um einen innewohnenden Geist zu bergen, das die nach außen gehenden Ströme von Empfin- dungsstoff anfeuert; diese Ströme sind die Ursache, daß das Tier und der Mensch Begierde oder Leidenschaft äußert. Das Tier hat auf der jetzigen Stufe seiner Entwicklung noch keinen völlig innewohnenden Geist. Dies tritt erst dann ein, wenn ein gewisser Punkt des Lebensleibes und ein ent- sprechender Punkt des dichten Körpers miteinander in Verbindung treten, wie es im 12. Kapitel später erklärt werden wird. Aus diesem Grund ist das Tier kein "Leben- der", das heißt, es lebt nicht so vollständig wie der Mensch, denn es ist keiner so feinen Empfindungen und Gefühle fähig, da es sich seiner selbst noch nicht voll bewußt ist.

   Die Säugetiere unserer Zeit stehen auf einer höheren Ebene, als damals der Mensch im Tierstadium seiner Entwicklung stand, weil sie bereits warmes, rotes Blut haben, das der Mensch auf dieser Stufe nicht besaß. Dieser Unter- schied des Zustandes wird durch den spiralförmigen Weg der Entwicklung begründet, der auch dafür verantwortlich ist, daß die gegenwärtigen Menschen einen höheren Typus der

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Menschheit darstellen, als die jetzigen Engel in ihrem menschlichen Zustand. Die Säugetiere der Gegenwart, die schon in ihrem Tierzustand rotes, warmes Blut erwarben und daher im gewissen Maß die Fähigkeit besitzen, Gefühle und Begierden zu erfahren, werden in der Jupiterperiode ein reinerer und besserer Menschentypus sein, als wir es jetzt sind, während aus unserer jetzigen Menschheit noch einige hervorgehen werden, die sich dann offen dazu bekennen werden, gottlos und boshaft zu sein. In der Jupiterperiode werden sie jedoch nicht mehr fähig sein, ihre Leidenschaften zu verbergen, wie ihnen dies heute möglich ist, sie werden dann schamlos Böses tun.

   Im Lichte dieser Darstellung, nämlich der Verbindung zwischen der Leber einerseits und dem Leben des Organis- mus andererseits, ist es bemerkenswert, daß in verschiedenen europäischen Sprachen (Englisch, Deutsch und den skandina- vischen Sprachen) dasselbe Wort dieses physische Organ (die Leber) bezeichnet und auch "einen, der lebt".

   Wenden wir unsere Aufmerksamkeit den vier Reichen in ihrer Beziehung zur Gedankenwelt zu, so finden wir, daß Mineralien, Pflanzen und Tiere keinen Träger haben, um sich mit dieser Welt zu verbinden. Gleichwohl wissen wir, daß einige Tiere denken, doch das sind nur die höchsten Gattun- gen der Haustiere, die während Generationen mit dem Menschen in innigster Verbindung waren und dadurch eine Fähigkeit entwickelt haben, die anderen nicht so begünstigten Tieren fehlt. Das gleiche Prinzip finden wir auf dem Gebiet der Elektrizität. Ein stark geladener Draht ruft in einem benachbarten Draht einen schwächeren Strom durch "Induk- tion" hervor. Auch lösen Menschen mit starker Moral dasselbe Bestreben bei schwächeren Charakteren aus, die umgekehrt unter dem Einfluß einer bösartigen Umgebung zu Grunde gerichtet werden.

   Alles, was wir tun, sagen oder sind, spiegelt sich in unserer Umgebung wider. Darum denken auch die höchstentwickel- ten Haustiere. Sie sind die höchsten ihrer Art, fast schon auf dem Stand, sich zu individualisieren, denn die Gedankenwel- len des Menschen haben in ihnen eine ähnliche Tätigkeit von niedrigerer Art "induziert". Außer den eben angeführten

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Ausnahmen ist dem Tierreich keine Denkfähigkeit zu eigen. Die Tiere sind nicht individualisiert. Das ist der große und bedeutende Unterschied zwischen der Menschheit und den anderen Reichen. Tiere, Pflanzen und Mineralien zerfallen in Arten. Sie sind nicht in demselben Sinn individualisiert, wie der Mensch es ist.

   Wohl ist wahr, daß wir die Menschen in Rassen, Stämme und Nationen einteilen. Wir bemerken den Unterschied zwischen Kaukasiern, Negriden, Indianern usw., was jedoch nicht das Wesentliche ist.

   Wollen wir das Charakteristische des Löwen, des Elefanten oder irgend einer niedrigen Tiergattung studieren, so genügt es, irgend ein Exemplar der betreffenden Art zu diesem Zweck herzunehmen. Wenn wir die Merkmale eines Tieres kennen, so kennen wir die seiner ganzen Art. Alle Glieder desselben Tierstammes sind gleich, und das ist das Wesentli- che. Ein Löwe, sein Vater oder sein Sohn, alle sehen sie gleich aus, sie werden unter denselben Bedingungen gleich handeln. Alle haben dieselben Neigungen und Abneigungen, einer ist dem anderen gleich.

   Anders ist es bei den Menschen. Wenn wir die Charak- teristiken der Neger kennenlernen wollen, so genügt es nicht, daß wir ein einzelnes Individuum betrachten. Hier wäre es notwendig, eine jede Individualität gründlich zu studieren, und selbst dann werden wir noch kein Wissen über die Neger als Ganzes erhalten, einfach deshalb, weil das Charak- teristische eines Einzelindividuums sich nicht als Kollektiv auf eine Rasse anwenden läßt.

   Wenn wir wünschen, den Charakter Abraham Lincolns kennenzulernen, so nützt es uns gar nichts, seinen Vater, seinen Großvater oder seinen Sohn zu studieren, denn sie sind grundverschieden voneinander. Jeder wird seine Eigen- tümlichkeiten haben, die sich von den individuellen Beson- derheiten (idiosyncrasies) des Abraham Lincoln vollständig abheben.

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   Andererseits liefern wir eine Beschreibung von den Arten der Mineralien, Tiere und Pflanzen, wenn wir ein Exemplar irgend einer Gattung gründlich durchstudieren. Unter den menschlichen Wesen sind hingegen so viele Arten wie Individuen sind. Jedes Individuum ist eine "Art", ein Gesetz für sich, als Ganzes von jedem anderen Individuum getrennt und unterschieden, so sehr unterschieden, wie es eine Art des niederen Reiches von der anderen ist. Wir können die Biographie eines Menschen niederschreiben, aber ein Tier kann keine Biographie haben. Das kommt daher, weil jeder Mensch einen gesonderten ihm innewohnenden Geist besitzt, der die Gedanken und Handlungen jedes einzelnen Individu- ums diktiert. Jede Art der verschiedenen Tiere oder Pflanzen hat nur einen gemeinschaftlichen "Gruppengeist". Auf alle wirkt der Gruppengeist von außen ein. Der Tiger, der die Wildnis des indischen Dschungels durchstreift und jener Tiger, der im Käfig einer Menagerie eingesperrt lebt, sie beide sind Ausdrucksformen desselben Gruppengeistes. Er beeinflußt beide durch die Empfindungswelt, da die Entfer- nung in den höheren Welten fast gar keine Rolle spielt.

   Die Gruppengeister der drei niederen Reiche haben in den höheren Reichen verschiedene Stellen zugewiesen erhalten. Wir werden bei der Erforschung des Bewußtseins in den verschiedenen Reichen näher darauf eingehen. Um die Stellung dieser Gruppengeister in den inneren Welten recht zu erkennen, muß unbedingt klar verstanden und festgehalten werden, was schon auseinandergesetzt wurde, nämlich, daß sich alle Körper der sichtbaren Welt aus Urtypen und Ideen der inneren Welten herauskristallisiert haben.

   Man denke an die Beispiele vom Haus des Architekten und von der Maschine des Erfinders. So wie die Säfte aus dem weichen Körper der Schnecke sich zum harten Haus kristalli- sieren, das sie auf ihrem Rücken trägt, so haben auch auf ähnliche Weise die Geister in den höheren Welten die dichten, materiellen Körper der verschiedenen Naturreiche aus sich heraus kristallisiert.

   Darum sind auch die sogenannten "höheren" Körper - obwohl sie so fein und wolkenartig bis hin zur Unsicht-

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barkeit sind - keineswegs "Ausstrahlungen" (emanations) aus dem dichten Körper, sondern der dichte Träger in allen Reichen entspricht dem Haus der Schnecke, die ihn aus sich herauskristallisiert hat. Die Schnecke selbst entspricht dem Geist, während die Säfte aus ihrem Körper mit ihren ver- schiedenen Stufen der Kristallisation, den Intellekt, den Empfindungsleib und den Lebensleib darstellen. Diese verschiedenen Träger sind Emanationen des Geistes aus sich selbst heraus, um durch sie Erfahrungen zu sammeln. Der Geist bewegt den Körper, wohin er will, so wie die Schnecke ihr Haus; es ist nicht der Körper, der die Bewegungen des Geistes beaufsichtigt. Je inniger der Geist mit seinem Träger in Verbindung treten kann, um so besser kann er seinen Träger lenken und sich durch ihn äußern und umgekehrt. Das ist der Schlüssel zu den einzelnen Bewußtseinszuständen in den verschiedenen Reichen. Eine Betrachtung der Diagram- me 3 und 4 soll die Träger jedes Reiches, die Art und Weise, wie sie zu den einzelnen Welten in Beziehung treten, veranschaulichen und die sich daraus ergebenden Bewußt- seinszustände verdeutlichen.

   Aus Diagramm 3 erfahren wir, daß das individuelle Ego innerhalb des Universalgeistes in der Region der abstrakten Gedanken endgültig abgesondert ist. Es zeigt, daß nur der Mensch die vollständige Kette von Trägern zur Verbindung mit allen Abteilungen der drei Welten besitzt.

   Dem Tier fehlt ein Glied der Kette, der Intellekt; der Pflanze fehlen zwei Glieder, der Intellekt und Empfindungs- leib; und dem Mineral fehlen drei Glieder, die es benötigen würde, um in der physischen Welt selbstbewußt wirken zu können, nämlich den Intellekt, den Empfindungsleib und den Lebensleib.

   Der Grund der verschiedenen Mängel ist darin zu suchen, daß das Mineralreich der Ausdruck des letzten Stromes des sich entwickelnden Lebens ist. Das Pflanzenreich ist durch eine Lebenswoge beseelt, die sich bereits länger auf dem Entwicklungspfad befindet. Die Lebenswoge des Tierreiches hat eine noch längere Vergangenheit, während der Mensch, besser gesagt das Leben, das sich gegenwärtig in mensch-

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Diagramm 3: Die Träger der vier Reiche
Diagramm 4: Die Bewusstseinszustände der vier Reiche

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licher Gestalt offenbart, die längste Reise unter allen 4 Reichen hinter sich hat und darum auch führend ist. Mit der Zeit werden die drei Lebenswogen, die jetzt die niederen Reiche beleben, den menschlichen Zustand erreichen, und wir werden dann höhere Entwicklungsstadien hinter uns haben.

   Um den Grad des Bewußtseins zu verstehen, der aus dem Besitz der jeweiligen Träger resultiert, die das sich entwi- kelnde Leben der vier Reiche benützt, wenden wir uns zu Diagramm 4. Wir können hieraus ersehen, daß der Mensch, das Ego, der Denker, in die chemische Region der physi- schen Welt herabgestiegen ist. Hier hat er alle seine Träger in Reih' und Glied geordnet und dadurch den Zustand wachen Bewußtseins erreicht; er lernt seine Träger beherr- schen. Noch sind die Organe des Empfindungsleibes und des Intellekts nicht entwickelt; letzterer ist noch nicht einmal ein Körper. Jetzt ist er nur ein Kettenglied - eine Linse, die das Ego als Brennpunkt benützt. Er ist der letzte der erbauten Träger. Der Geist arbeitet nach und nach aus der feinen in die gröbere Substanz hinein; auch die Träger werden zuerst in feiner, dann in gröberer Substanz aufgebaut.

   Zuerst wurde der dichte Körper aufgebaut; er ist nun in das vierte Stadium seiner Dichtigkeit getreten. Der Lebensleib ist im dritten, der Empfindungsleib im zweiten Stadium und da- her noch wolkenähnlich und die Organisation des Intellekts ist noch weiter zurück. Da diese Träger bis jetzt noch keine Organe entwikelt haben, ist es klar, daß sie als Bewußt- seinsträger allein nutzlos wären. Das Ego aber tritt in den dichten Körper ein und verbindet diese organlosen Träger mit den physischen Sinneszentren, um so den wachen Bewußtseinszustand in der physischen Welt zu erreichen.

   Der Schüler merke sich, daß diese höheren Träger jetzt nur von Wert sind, weil sie mit dem wundervoll organisierten

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dichten Körper in Verbindung stehen. Dadurch wird er den Fehler jener vermeiden, die von den höheren Trägern kaum erfahren und sofort den physischen Körper verachten, ihn als "niedrig" und "gemein" bezeichnen, ihre Augen zum Himmel erheben und wünschen, daß es ihnen bald vergönnt sein möge, diesen irdischen Tonklumpen zu verlassen und in "höheren Trägern" herumzufliegen.

   Die so denken, sind sich gewöhnlich nicht des Unterschieds zwischen "höher" und "vollkommen" bewußt. Gewiß ist der dichte Körper der niederste in dem Sinn, daß er der schwer- fälligste ist und den Menschen an die Sinnenwelt mit allen ihren Beschränkungen bindet. Wie bereits festgestellt wurde, hat der dichte Körper eine sehr lange Entwicklungsperiode hinter sich. Er ist auf der vierten Stufe seiner Entwicklung und hat gegenwärtig einen hohen und bewundernswerten Grad der Ausbildung erreicht. Er wird mit der Zeit zur Vollkommenheit gelangen, ist aber jetzt schon der bestorga- nisierte unter den Trägern des Menschen.

   Der Lebensleib ist im dritten Entwicklungsstadium und weniger gut organisiert als der dichte Körper. Der Empfin- dungsleib und der Intellekt sind bis jetzt nichts als Wolken, fast ohne jegliche Organisation. Bei den niedersten mensch- lichen Wesen sind sie nicht einmal ausgesprochen eiförmig; sie sind mehr oder minder unbestimmter Form.

   Der dichte Körper ist ein wundervoll konstruiertes Instru- ment. Das sollte jeder erkennen, der behauptet, irgendetwas vom Bau des menschlichen Körpers zu wissen. Man betrach- te zum Beispiel den Oberschenkelknochen. Dieser Knochen trägt das ganze Gewicht des Körpers. Nach außen besteht er aus einer dünnen Schicht fester Knochenmasse und wird nach innen durch Balken und Querbalken so bewunde- rungswürdig verstärkt, daß der geübteste Brücken- oder Konstruktionsingenieur niemals das Meisterstück vollbrächte, einen Pfeiler von gleicher Stärke und so geringem Gewicht zu konstruieren. Die Knochen der Schädeldecke sind auf ähnliche Weise erbaut; immer wird mit der geringsten Menge

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an Material das höchste Maß an Stärke erreicht. Man betrachte die Weisheit, die sich im Aufbau des Herzens offenbart und frage sich, ob dieser herrliche Mechanismus Verachtung verdient. Der Weise ist für seinen dichten Körper dankbar und gibt sorgfältig auf ihn acht, denn er weiß, daß er das wertvollste unserer gegenwärtigen Instrumente ist.

   Der Geist (spirit) der Tiere hat in seinem Abstieg nur die Empfindungswelt erreicht. Er hat sich noch nicht zu der Stufe entwickelt, auf der er in einen dichten Körper "eintre- ten" kann. Darum hat das Tier keinen persönlichen, inne- wohnenden Geist, sondern einen Gruppengeist, der es von außen lenkt. Das Tier hat einen dichten Körper, einen Lebens- und einen Empfindungsleib, aber der Geist, der es lenkt, ist außerhalb. Der Lebens- und der Empfindungsleib befinden sich nicht vollständig im dichten Körper, was besonders den Kopf betrifft. So ragt zum Beispiel der Ätherkopf eines Pferdes weit jenseits und über den dichten Kopf hinaus. In seltenen Fällen kommt es vor, daß der Ätherkopf des Pferdes sich in den dichten Körper hinein- zieht. Dann kann das Pferd lesen und zählen lernen und an Beispielen der elementarsten Arithmetik arbeiten.

   Dieser Eigentümlichkeit ist es auch zu verdanken, daß Pferde, Hunde, Katzen und andere Haustiere die Empfin- dungswelt mit den Sinnen erfassen, aber nicht immer den Unterschied zwischen ihr und der physischen Welt begreifen. Die Pferde können vor der Erscheinung eines dem Kutscher unsichtbaren Körpers scheuen. Katzen pflegen die Bewegung des Reibens an unsichtbaren Beinen zu vollziehen. Die Katze sieht den Geist (ghost) wohl, wird sich aber nicht bewußt, daß er keine zum Reiben geeigneten Beine besitzt. Der Hund, der weiser als Pferd oder Katze ist, nimmt oft mit den Sinnen wahr, daß die Erscheinung seines toten Herrn, dessen Hand er nicht lecken kann, etwas Unverständliches ist. Er pflegt dann jämmerlich zu heulen und sich, den Schwanz zwischen den Beinen, in einen Winkel zu verkriechen. Vielleicht illustriert das folgende Beispiel den Unterschied zwischen dem Menschen mit seinem innewohnenden Geist und dem Tier mit seinem Gruppengeist näher.

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   Stellen wir uns einen durch einen Vorhang geteilten Raum vor, dessen eine Seite Empfindungswelt und dessen andere Seite die physische Welt darstellt. Im Raum befinden sich zwei Menschen, auf jeder Seite einer, die sich weder sehen noch von einem Raum in den anderen gelangen können. Doch im Vorhang befinden sich zehn Löcher und der Mensch, der in jener Abteilung weilt, welche die Empfin- dungswelt darstellt, kann seine zehn Finger durch die zehn Löcher in die Abteilung der physischen Welt stecken. So repräsentiert er ausgezeichnet den in der Empfindungswelt wirkenden Gruppengeist.

   Die Finger stellen die zu einer Art gehörigen Tiere dar. Er kann sie bewegen, so wie er will, aber er kann sie weder so frei noch so intelligent verwenden, wie der Mensch, der in der physischen Welt herumspaziert und seinen Körper frei benützen kann. Der andere sieht die durch den Vorhang gesteckten Finger, er sieht, daß alle sich bewegen, kann aber den Zusammenhang zwischen ihnen nicht erkennen. Ihm scheint, als ob alle voneinander getrennt und verschieden wären. Er kann nicht sehen, daß sie die Finger des Mannes hinter dem Vorhang sind und ihre Bewegungen durch seine Intelligenz geleitet werden.

   Verletzt er einen Finger, so verletzt er nicht nur den Finger, sondern hauptsächlich den Mann hinter dem Vor- hang. Wenn ein Tier verletzt wird, leidet es, aber nicht in dem Maß, wie der Gruppengeist. Der Finger hat kein eigenes Bewußtsein, er bewegt sich, wie es der Mensch (hinter dem Vorhang) befiehlt; und genauso bewegt sich auch das Tier, wie es der Gruppengeist befiehlt.

   Wir hören von "tierischem" und "blindem" Instinkt. Es gibt nichts Unbestimmtes wie einen "blinden" Instinkt. Es ist nichts "blindes" an der Art, wie der Gruppengeist seine Glieder lenkt, es liegt darin viel Weisheit. Wenn der geübte Hellseher sich in der Empfindungswelt betätigt, kann er mit diesen Gruppengeistern der Tierarten verkehren und findet sie viel intelligenter, als es ein großer Prozentsatz der

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Menschen ist. Er kann sehen, mit welcher Einsicht sie die Tiere führen, die ihre physischen Körper sind.

   Der Gruppengeist ist es, der in der abnehmenden Jahreszeit seine Vogelscharen sammelt und sie veranlaßt, nach dem Süden zu ziehen, nicht zu früh und nicht zu spät, um dem Eishauch des Winters zu entfliehen. Er ist es, der ihre Wiederkehr im Frühling lenkt und sie in der richtigen Höhe fliegen läßt, die für eine jede der einzelnen Arten eine andere ist.

   Der Gruppengeist des Bibers lehrt ihn seine Dämme durch den Strom genau im geeigneten Winkel zu ziehen. Er zieht die Schnelligkeit der Strömung in Betracht, beobachtet alle Umstände wie ein geübter Ingenieur und zeigt sich in jeder Einzelheit des Handwerks ebenso perfekt wie der geschulte, technisch gebildete Mensch.

   Die Weisheit des Gruppengeistes ist es, welche die Biene ihre Zellen mit solch geometrischer Genauigkeit im Sechseck bauen läßt, welche die Schnecke lehrt, ihr Haus zu einer ge- nauen, schönen Spirale zu konstruieren, und die Mollusken des Ozeans lehrt, ihre irisierenden Schalen so kunstvoll zu färben. Wohin man seinen Blick auch wendet - Weisheit über Weisheit, so großzügig, daß der wirklich ernsthafte Beobachter mit Verwunderung und Ehrfurcht erfüllt ist.

   Dieser Punkt ruft die Frage hervor, woher es kommen mag, daß der Mensch nicht um so viel mehr Weisheit entfaltet; daß man ihn lehren muß, Dämme zu errichten und geome- trische Konstruktionen zu machen, wenn schon der Gruppen- geist im Verhältnis zur kurzen Entwicklungszeit des Tierrei- ches so weise ist, das alles ohne Belehrung zu bauen.

   Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Nieder- steigen des Universalgeistes in immer dichtere Materie. In den höheren Welten sind seine Träger feiner und nicht so zahlreich; er steht in enger Verbindung mit der kosmischen Weisheit, die in einer, in der dichten physischen Welt, unfaß-

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baren Weise ausstrahlt. Aber je tiefer der Geist in die dichteren Welten herabsteigt, um so mehr wird das Licht der Weisheit zeitweilig getrübt, bis es endlich in der dichtesten unter allen Welten fast ganz verdunkelt ist.

   Ein Beispiel soll das erklären. Die Hand ist der wertvollste Diener des Menschen. Ihre Bauart befähigt sie, seinen leisesten Anordnungen zu gehorchen. Bei einigen Berufen, z.B. bei Bankbeamten, wird der zarte Tastsinn der Hand so ausgebildet, daß er imstande ist, eine nachgemachte Münze von einer echten so zu unterscheiden, daß man beinahe meinen könnte, die Hand sei von persönlicher Intelligenz durchdrungen.

   Die Höchstleistung erreicht sie wahrscheinlich beim Musizieren. Sie ist fähig, die schönsten und seelenbewegend- sten Melodien hervorzurufen. Die feine, schmeichelnde Berührung der Hand entlockt dem Instrument die zartesten Klänge der Seelensprache. Sie erzählen von Schmerz und Freude, von Hoffnung und Furcht, und vom Sehnen der Seele in einer Weise, wie eben nur die Musik es hervor- zaubern kann. Sie ist die Sprache der himmlischen Welt, der wahren Heimat des Geistes und kommt zu dem göttlichen Funken - der im Fleisch des dichten Körpers schlummert - wie eine Botschaft aus seinem Heimatland.

   Musik spricht zu allen, unabhängig von Rasse, Glaubens- bekenntnis und weltlichen Ehren und Würden. Je höher und geistiger das Individuum ist, um so freier spricht sie, so daß selbst "ein versteinertes Herz" von ihr nicht unberührt bleibt.

   Stellen wir uns einen Violinvirtuosen vor, der Handschuhe anzieht und versucht, auf seiner Geige zu spielen. Sofort empfindet man, daß die zarte Berührung nicht mehr so fein ist; die Seele ist aus der Musik entflohen. Zieht er nun ein zweites schwereres Paar Handschuhe über das erste, so wird die Hand derart behindert, daß er gelegentlich statt der Harmonie einen Mißklang hervorrufen wird. Wenn er schließlich über die zwei hinderlichen Paar Handschuhe noch schwerere Fäustlinge zöge, so wäre er zeitweise ganz unfähig

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zu spielen, und einer, der ihn vorher nicht gehört hätte, würde natürlich denken, daß er überhaupt nicht spielen könne, besonders dann, wenn er von der Behinderung der Hände nichts wüßte.

   So ergeht es auch dem Geist (spirit). Für ihn ist jeder Schritt abwärts, jedes Niedersteigen in gröbere Materie das, was für den Musiker das Anlegen der Fäustlinge bewirkt. Jeder Schritt nach unten vermindert seine Ausdrucksfähig- keit, bis er sich der Beschränkung angepaßt hat, so wie sich das Auge erst anpassen muß, wenn wir an einem hellen Sommertag in ein Haus eintreten.

   In den Strahlen der Sommersonne zieht sich die Pupille bis zu ihren Grenzen zusammen und beim Eintritt in das Haus scheint alles dunkel; aber wenn sich die Pupille ausdehnt und das Licht einläßt, kann der Mensch im dämmrigen Licht des Hauses ebenso gut sehen wie im hellen Sonnenschein.

   Der Zweck der Entwicklung des Menschen in dieser Welt ist, daß er in ihr seinen Brennpunkt findet. Gegenwärtig scheint das Licht der Weisheit in der physischen Welt noch verdunkelt. Wenn wir aber mit der Zeit "das Licht gefunden" haben, dann wird des Menschen Weisheit aus seinen Hand- lungen strahlen und die Weisheit der Gruppengeister der Tiere bei weitem übertreffen.

   Außerdem muß ein Unterschied zwischen dem Gruppen- geist und den jungfräulichen Geistern jener Lebenswoge ge- macht werden, die sich jetzt in der Tierwelt ausdrückt. Der Gruppengeist gehört einer anderen Entwicklungsreihe an und ist der Wächter des Tiergeistes.

   Der dichte Körper, in dem wir handeln, besteht aus zahllosen Zellen, von denen jede ihr eigenes Zellbewußtsein, wenngleich auch eines sehr untergeordneten Grades, besitzt. Solange diese Zellen einen Teil unseres Körpers bilden, wer- den sie durch unser Bewußtsein unterworfen und beherrscht. Der tierische Gruppengeist wirkt in einem "geistigen Kör- per", der sein niederster Träger ist. Dieser Träger besteht aus

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einer veränderlichen Zahl von jungfräulichen Geistern, die für die bestehende Zeit vom Bewußtsein des Gruppengeistes durchsetzt sind. Er lenkt die Träger, die von diesen jung- fräulichen Geistern unter seiner Aufsicht erbaut wurden; er sorgt für sie und hilft ihnen, ihre Träger weiterzuentwikeln.

   Analog der Entwicklung seiner Mündel, entwickelt sich auch der Gruppengeist und macht somit eine Reihe von Metamorphosen durch. Dies geschieht in ähnlicher Weise, wie auch wir wachsen und uns durch die Aufnahme von Zellen aus unserer Nahrung an Erfahrungen bereichern, wobei gleichzeitig auch ihr Zellbewußtsein durch das zeitweilige Ausstatten mit unserem Bewußtsein angehoben wird.

   Während also ein gesondertes, selbstbewußtes Ego in jedem menschlichen Körper wohnt und die Handlungen seines ihm eigenen Trägers beherrscht, ist der Geist im ein- zelnen Tier noch nicht individualisiert und selbstbewußt, sondern bildet einen Teil des Trägers einer selbstbewußten Wesenheit, die einer anderen Entwicklungsreihe - jener der Gruppengeister - angehört.

   Dieser Gruppengeist beherrscht die Handlungen der Tiere in Harmonie mit dem kosmischen Gesetz so lange, bis die jungfräulichen Geister unter seiner Aufsicht Selbstbewußtsein erlangen und menschlich werden. Dann werden sie nach und nach Zeichen eigenen Willens offenbaren und vom Gruppen- geist mehr und mehr Freiheit erlangen, aber auch für ihre eigenen Handlungen verantwortlich werden. Der Gruppen- geist wird sie aber noch als Rasse, Stamm, Gemeinwesen oder Familie, in immer abnehmendem Maß beeinflussen, bis jedes Einzelwesen fähig sein wird, in Übereinstimmung mit dem Weltgesetz zu handeln. Und nicht früher wird das Ego ganz frei sein. Der Gruppengeist, von dem es unabhängig wird, geht dann zu einer höheren Phase der Entwicklung über.

   Die Stellung, welche der Gruppengeist in der Empfindungs- welt einnimmt, gibt dem Tier ein vom menschlichen ver-

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schiedenes Bewußtsein; das des Menschen ist klar und end- gültig wach. Der Mensch sieht die Dinge außerhalb seiner selbst in scharfen, bestimmten Umrissen. Dank dem spiral- förmigen Weg der Entwicklung sehen die höheren Haustiere - besonders die Pferde, Hunde, Katzen und Elefanten - die Gegenstände beinahe genau so, nur nicht in so scharfen Umrissen. Alle anderen Tiere haben ein innerliches "Bildbe- wußtsein", ähnlich dem Traumzustand des Menschen. Wenn ein solches Tier einem Gegenstand gegenübergestellt wird, nimmt es sogleich innerlich ein Bild wahr, das von einem starken Eindruck, entweder feindselig oder wohlwollend, be- gleitet wird. Wird ein Furchtgefühl wachgerufen, so ist es von einer Eingebung des Gruppengeistes begleitet, wie der Gefahr zu entrinnen ist. Dieser passive Zustand des Bewußt- seins macht es dem Gruppengeist leicht, die dichten Körper seiner Schutzbefohlenen durch Suggestion zu leiten, da Tiere willenlos sind.

   Den Menschen von außen zu leiten ist nicht so leicht, sei es nun mit oder ohne seine Einwilligung. Mit fortschreiten- der Evolution entwickelt sich auch der Wille des Menschen, so daß er äußeren Suggestionen nicht mehr zugänglich ist; er handelt dann nach seinem Ermessen, ohne Rücksicht auf die Eingebungen von anderen. Das ist der Hauptunterschied zwischen dem Menschen und anderen Naturreichen. Letztere handeln nach den Gesetzen und Anordnungen des Gruppen- geistes (die wir Instinkt nennen), während der Mensch nach und nach sein eigenes Gesetz wird.

   Wir fragen das Mineral nicht, ob es kristallisieren will oder nicht, noch die Blume, ob sie blühen will oder nicht, noch den Löwen, ob er zu rauben aufhören will oder nicht. Sie alle stehen im kleinsten wie im größten unter der vollkom- menen Herrschaft des Gruppengeistes, sie sind ohne eigenen freien Willen und ohne eigenen Antrieb, welche der Mensch beide in mehr oder minder großem Maß besitzt.

   Alle Tiere einer Art sehen beinahe gleich aus, denn sie sind Emanationen desselben Gruppengeistes, während unter den ungefähr fünfeinhalb Milliarden menschlicher Wesen, welche die Erde bevölkern, nicht zwei ganz gleich aussehen; nicht

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einmal Zwillinge, wenn sie sich entwickeln, denn das Merkmal, das jedem durch sein gesondertes, innewohnendes Ego aufgedrückt wird, erzeugt im Aussehen und Charakter Unterschiede.

   Alle Ochsen fressen Gras und alle Löwen Fleisch, wogegen "des einen Menschen Nahrung, des anderen Menschen Gift ist"; dies ist ein weiteres Beispiel für den allumfassenden Einfluß des Gruppengeistes im Gegensatz zum menschlichen Ego, das für jeden eine andere Zusammenstellung der Nahrung verlangt. Ärzte bemerken mit Verblüffung die gleiche Eigentümlichkeit bei der Verordnung von Medika- menten. Dieselbe Medizin wirkt auf verschiedene Individuen verschieden, während sie auf zwei Tiere einer Gattung gleich wirkt, eine Folge dessen, daß alle Tiere den Anordnungen des Gruppengeistes und dem Weltgesetz folgen und sich unter denselben Umständen gleich verhalten.

   Nur der Mensch kann seinen eigenen Begierden innerhalb bestimmter Grenzen einigermaßen folgen. Es ist sicher, daß er viele und schwere Fehler begehen muß, und es wäre für manchen anscheinend besser, würde er in die richtige Bahn hineingezwungen. Unter solchen Umständen jedoch würde er niemals lernen, das Rechte zu tun.

   Die Lehre der Unterscheidung zwischen Gut und Böse kann er nicht erfassen, ehe er nicht frei seinem eigenen Weg folgen darf und dabei lernt, das Böse als "den Urquell aller Schmerzen" zu meiden.

   Wenn er das Gute nur täte, weil er keine Wahl hat, anders zu handeln, so wäre er ein Automat und nicht ein sich entwickelnder Gott. Wie der Baumeister durch begangene Irrtümer lernt und sie bei künftigen Bauten meidet, so kommt der Mensch durch seine Fehler und dem durch sie verursachten Schmerz zu höherer Weisheit (da selbstbewußt) als das Tier, das weise handelt, weil es vom Gruppengeist dazu veranlaßt wird. Im Lauf der Zeit wird das Tier mensch- lich werden. Es wird Freiheit des Willens haben. Es wird Fehler machen und gleich uns, durch sie lernen.

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   Diagramm 4 zeigt uns, daß der Gruppengeist des Pflanzen- reiches seinen niedersten Träger in der Region der konkreten Gedanken hat; er ist um 2 Stufen von seinem dichten Träger entfernt. Daher besitzen die Pflanzen ein Bewußtsein, das dem traumlosen Schlaf gleicht.

   Der Gruppengeist des Mineralreiches hat seinen niedersten Träger in der Region der abstrakten Gedanken, ist also durch 3 Stufen von seinem dichten Körper getrennt. Das Mineral ist somit in einem Zustand tiefer Unbewußtheit, der jenem der Trance gleicht.

   Wir haben jetzt gezeigt, daß der Mensch ein individueller, innewohnender Geist ist, ein Ego, abgesondert von allen anderen Wesenheiten. Er lenkt seine Träger und wirkt von innen heraus. Pflanzen und Tiere werden durch einen Gruppengeist - der die Leitung einer Anzahl Tiere und Pflanzen in der physischen Welt unter sich hat - von außen geleitet. Sie unterscheiden sich nur in ihrer äußeren Er- scheinung.

   Die Beziehungen der Pflanzen, Tiere und Menschen zu den Lebensströmen in der Erdatmosphäre werden symbolisch durch das Kreuz dargestellt. Das Mineralreich wird nicht dargestellt, denn wie wir gesehen haben, hat es keinen individuellen Lebensleib und kann daher nicht der Träger von Strömen sein, die höheren Welten angehören. Plato, der ein Eingeweihter war, äußerte oft okkulte Wahrheiten indem er unter anderem sagte: "Die Weltseele ist gekreuzigt."

   Der untere senkrechte Teil des Kreuzes stellt die Pflanze mit ihren Wurzeln im chemisch-mineralischen Boden dar. Die Gruppengeister der Pflanzen leben im Erdinnern. Sie befinden sich (wie man sich erinnern wird) in der Region der konkreten Gedanken, welche die Erde durchdringt, wie dies auch alle anderen Welten tun. Von diesen Gruppengeistern fließen Ströme nach allen Punkten der Erdoberfläche und dringen der Länge nach durch die Pflanzen oder Bäume nach außen.

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   Der Mensch wird durch das obere Glied dargestellt. Er ist die umgekehrte Pflanze. Die Pflanze nimmt ihre Nahrung durch die Wurzeln auf. Der Mensch nimmt seine Nahrung mit dem Kopf auf. Die Pflanze streckt ihre Zeugungsorgane der Sonne entgegen; der Mensch, die umgewandte Pflanze, richtet die seinigen gegen den Erdmittelpunkt. Die Pflanze wird durch die geistigen Ströme des Gruppengeistes im Erdinnern erhalten, die durch die Wurzeln in sie eindringen. Später werden wir sehen, daß der höchste geistige Einfluß von der Sonne ausströmt, die ihre Strahlen durch den Menschen, die umgewandte Pflanze, vom Kopf abwärts sendet.

   Die Pflanze atmet das giftige Kohlendioxyd ein, das der Mensch ausatmet und atmet den lebenspendenden Sauerstoff aus, der von ihm eingeatmet wird.

   Das Tier, dargestellt durch den horizontalen Arm des Kreuzes, steht zwischen Mensch und Pflanze. Sein Rückgrat verläuft in horizontaler Richtung und die Ströme des tieri- schen Gruppengeistes, welche die Erde umlaufen, durch- ziehen es.

   Kein Tier kann man dauernd aufrecht erhalten, denn in diesem Fall könnten die Ströme des Gruppengeistes es nicht lenken, und wenn es nicht hinlänglich individualisiert ist, um die geistigen Ströme zu ertragen, die in das aufrechte menschliche Rückgrat eintreten, so müßte es sterben. Wenn ein Körper einem persönlichen Ego zum Ausdruck dienen soll, muß er drei Eigenschaften haben: einen aufrechten Gang, um die oben erwähnten Ströme aufnehmen zu können, einen aufrechten Kehlkopf, denn nur dieser ist der Sprache fähig (Papageien und Stare sind ein Schulbeispiel dieser Wirkung des aufrechten Kehlkopfes), und schließlich muß er dank der Sonnenströme warmes Blut besitzen. Das letztere ist für das Ego von äußerster Wichtigkeit, wie später logisch erklärt und durch Beispiele bewiesen werden wird. Diese Erfordernisse werden hier nur als Schlußworte über die Stellung der vier Reiche zueinander und zu den Welten erwähnt.


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